Es war ein Paukenschlag: Völlig überraschend hat der Traiskirchner Bürgermeister und Neo-Bundesrat Andreas Babler am Donnerstagabend angekündigt, nun ebenfalls um den SPÖ-Vorsitz mitrittern zu wollen. Damit wirbelt er die bevorstehende rote Mitgliederbefragung weiter durcheinander. Diese sollte zu Beginn eigentlich bloß die Fronten zwischen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner und Burgenlands Landeschef Hans Peter Doskozil klären.

Babler kandidiert, Kowall zieht sich zurück
DER STANDARD

Darum allein geht es aber längst nicht mehr. Für Aufsehen sorgte schon der Antritt des "Parteirebellen" und Wiener Bezirkspolitikers Nikolaus Kowall – der wegen Bablers Kandidatur nun aber zurückzog. Weitere prominentere Kandidatinnen und Kandidaten könnten noch nachziehen. Mittlerweile ist von einem Dutzend Bewerberinnen und Bewerbern für den Parteivorsitz die Rede, wie DER STANDARD erfuhr. Ein Genosse scherzte bereits, dass es am Ende noch 30 werden könnten. Möglicherweise wird aus dem Spaß ja noch Ernst. Die Frist für die Kandidatur läuft immerhin noch bis Freitag, 23.59 Uhr.

Bablers Antritt mischt die Karten vor der roten Kampfabstimmung am 24. April jedenfalls wieder neu. Fünf Thesen, wie es nun weitergehen könnte:

"Weil es mir sehr wehtut, was wir da in den letzten Monaten mit dieser Partei aufgeführt haben", tippte der Herausforderer Andreas Babler auf Twitter und erklärte den Beweggrund für seine Kandidatur.
Foto: APA / ROLAND SCHLAGER

Eine wackelnde Mehrheit – Aktuell gibt es mit Rendi-Wagner, Doskozil und Babler gleich drei ernstzunehmende Streitparteien. Jede weitere prominente Kandidatur könnte eine absolute Mehrheit für eine Kandidatin oder einen Kandidaten bei der Mitgliederbefragung unwahrscheinlicher werden lassen. Das würde den Showdown um die Parteiführung eher auf den geplanten Sonderparteitag am 3. Juni verlegen.

Die Außenseiterchance – Möglich ist aber auch, dass unter Genossinnen und Genossen bereits das Taktieren beginnt. In der SPÖ gibt es nicht wenige, die zwar mit Rendi-Wagner als Parteichefin unzufrieden sind, aber auch mit Doskozil kein Stück des Weges gemeinsam gehen wollen. Das ist die Chance für Babler. Der Traiskirchner Bürgermeister könnte die Stimmen all jener einsammeln, die bloß für Rendi-Wagner gestimmt hätten, um Doskozil zu verhindern. Möglicherweise wird Babler im roten Führungsstreit ja noch zu einer Alternative für die mächtige Wiener Landespartei. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig machte sich zuletzt öffentlichkeitswirksam für Rendi-Wagner stark.

Flügelzange gegen Doskozil Hinter den Kulissen ärgern sich bereits jene, die es mit Doskozil halten. Sie streuen das Gerücht, dass die Kontrahenten die Frist für die Kandidaturen bewusst in die Länge gezogen haben, um eine größere Front gegen Doskozil zu ermöglichen. Bablers Antritt macht das Match für Burgenlands Landeschef tatsächlich komplizierter. Sein Anhang würde Doskozils Kritikern aber wohl die jüngste Umfrage im Boulevardblatt Heute entgegenstellen. Konkret käme Doskozil bei einer Nationalratswahl derzeit auf 31 Prozent. Rendi-Wagner wäre mit 24 Prozent weit abgeschlagen dahinter. Babler spielte in dieser Umfrage allerdings noch keine Rolle.

Spricht das Chaos für Rendi-Wagner? – Die Diskussion über das rote Mitgliedervotum ging bisher alles andere als friktionsfrei über die Bühne. Und es dürfte nicht ruhiger werden. Möglicherweise liegt in all dem Chaos um Statuten, Antritte und persönliche Animositäten auch ein Stück Hoffnung für Rendi-Wagner. Sollte der Führungsstreit um sie herum weiter eskalieren, könnte Rendi-Wagner plötzlich zwar als angeschlagener, aber stabiler Anker wirken – was allerdings ein unwahrscheinliches Szenario ist, da Rendi-Wagner zu stark mit dem Ist-Zustand der Partei verbunden wird. Genauso gut kann es sich auf ein Duell Doskozil/Babler zuspitzen und Rendi-Wagner in gewisser Weise in der Debatte "untergehen". Aktuell erscheint so gut wie alles möglich. Auch weil es keine empirischen Daten über die Verhaltensweisen der roten Mitglieder gibt.

Wer weiß, was noch kommt? – Und dann bleibt noch die Frage, ob das schon alles war. Weitere Kandidaturen sind nicht ausgeschlossen – bis Freitag, 23.59 Uhr. In der Kronen Zeitung wird schon wild mit einer Rückkehr von Altkanzler Christian Kern spekuliert. Kern soll allerdings erst vor dem Sonderparteitag in den Ring treten, um dem Führungskampf der Mitgliederbefragung zu entgehen, heißt es in dem Bericht. Das wäre möglich. Auf Nachfrage des STANDARD äußert sich Kern nicht konkret – weder in die eine noch in die andere Richtung. Eines wäre jedenfalls sicher: Ein Antreten Kerns würde das Match um die rote Führung auf den Kopf stellen. Babler hat es vorgemacht. (Jan Michael Marchart, 24.3.2023)