Es gibt einen alten Comic von Donald Duck, in dem er – ohne Proviant und Ausrüstung – in die eisige Einöde Grönlands flüchtet. Der Grund: Er will sich vor der Arbeit in der Schiffsküche drücken, wo 20 Säcke mit Erdäpfeln auf ihn warten. Erdäpfel schälen – unter Seefahrern diente es lange als Strafarbeit (Donald Duck hatte sich als blinder Passagier an Bord geschlichen), und auch in manch einer Festlandküche wurden Neulinge erst mal zum mühsamen Knollenschälen verdonnert.

Früher kamen Erdäpfel fast immer geschält auf den Teller: zum Braten, in Knödeln oder als Püree. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich bei meiner Oma jemals Exemplare mit Schale gegessen hätte. Bei mir selbst darf (oder muss) sie meist dranbleiben. Nicht nur weil es Zeit spart. Ich mag die unterschiedlichen Texturen und Aromen, die dabei entstehen. Vor allem wenn man sie, wie ich es meist tue, im Ofen röstet: innen cremig, außen erdig und knusprig. Wunderbar!

Erdäpfelschalen nicht wegwerfen, man kann damit einiges anfangen.
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Schalen fallen in die Kategorie "Zubereitungsreste" – Abfälle, die sich meist nicht vermeiden lassen, die man beim Kochen in Kauf nehmen muss. Aber muss man das wirklich? Bleiben wir bei den Erdäpfeln. Das Internet streitet sich darüber, ob man deren Schalen überhaupt essen darf. Solanin lautet das Kampfwort. Als Nachtschattengewächs produzieren Erdäpfel Pflanzengifte wie eben Solanin. So schützen sie sich vor natürlichen Fressfeinden. Da diese von außen kommen, ist die Konzentration in den Schalen besonders hoch. Doch wie bei allem gilt: Die Dosis macht das Gift. Und: je grüner, desto mehr Pflanzengift.

Auch andere Nachtschattengewächse wie Paradeiser und Melanzani produzieren Solanin. Isst man große Mengen an unreifem Gemüse, kann dies auf den Magen schlagen. Ausgereift aber sinken die enthaltenen Mengen auf wenige, harmlose Milligramm. Was heißt das nun? Erdäpfel sollten gut ausgereift sein, grüne und keimende Stellen vorab entfernt werden. Wenn sie dann noch richtig gelagert werden (dunkel und kühl), kann man die Schalen ohne Bedenken mitessen.

Manchmal aber lässt sich das Entfernen der Schalen natürlich nicht vermeiden. Nutzen kann man sie trotzdem. Als Crispy Potato Skins etwa – wofür sie lediglich mit etwas Öl benetzt und nach Wunsch gewürzt werden müssen. Wer verreisen will, nutzt Sumach oder Curry. In die Provence geht es mit Thymian, Rosmarin und etwas Zitrone. Wer es extrawürzig mag, gibt einen Hauch Parmesan oder (als vegane Alternative) Hefeflocken hinzu. Mit Zimt und Zucker werden sie zum süßen Snack. (Für Extraknusprigkeit kann man sie vorab für eine halbe Stunde in kaltes Wasser legen, wodurch die restliche Stärke ausgespült wird. Aber Achtung: danach gut abtrocknen!) Geölt und gewürzt kommen die Schalen dann für eine gute Viertelstunde bei 200 Grad ins Rohr (bei Ober- Unterhitze, sonst fangen sie zu tanzen an).

Knusprig im Rohr gebraten, sind die Schalen ein köstlicher Snack.
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Erdäpfelbutter

Im Wiener Restaurant Wilding werden die gerösteten Schalen zu Erdäpfelbutter verarbeitet. Serviert wird diese zur hausgemachten Focaccia, für die – Sie ahnen es – das Innere der Knolle verwendet wird. Mein Interesse aber gilt den Schalen: "Ist super easy", meint Koch Wernher Schörkmayr, als ich nach seinem Rezept frage. Er schält seine Erdäpfel erst nach dem Kochen. Anschließend die Schalen gut salzen, für 30 bis 40 Minuten bei 160 Grad im Ofen rösten, mörsern und zu guter Letzt mit aufgeschlagener Butter mischen. Schörkmayr hat ein Faible für kreative Resteverwertung, weshalb er gleich noch einen Frühlingstipp mitliefert: Rhabarber schälen, trocknen, mit Zucker mahlen. Fertig ist der Rhabarberzucker, den er über Kuchen und Süßspeisen sprenkelt.

Stimmt es eigentlich, dass die meisten Nährstoffe in den Schalen stecken? Jein. Bei vielen Obst- und Gemüsesorten ist es tatsächlich so, dass sich unter den Schalen die meisten Vitamine, Mineral- und Nährstoffe tummeln. Ein Indiz ist die Farbe: je knalliger, desto mehr wertvolle Inhaltsstoffe. Bei Äpfeln und Gurken (blasses Fruchtfleisch, farbige Schale) etwa ist die Konzentration am Rand besonders hoch. Bei Erdäpfeln gilt das weniger. Dort bringt das Kochen mit Schale vor allem zusätzliches Aroma und spannende Texturen.

Im Fond

Machen wir an dieser Stelle noch einen Ausflug in ein anderes Wiener Lokal. Im Jola kocht man vegan – weshalb das Gemüse von Blatt bis Wurzel verarbeitet wird, um noch das Allerletzte herauszuholen. Auch im Jola werden Erdäpfelschalen (sehr, sehr dunkel) geröstet und weiterverarbeitet. Und zwar im Gemüsefond. Als Hobbyköchin hatte ich anfangs Hemmungen, köstlich knusprig geröstete Chips wieder in die Brühe zu werfen, wo sie sich schnell in weiche Fetzen verwandeln. Während ihres Bades aber geben sie all ihre Röstaromen an den Fond ab, der dadurch eine wunderbare Tiefe erhält. Ähnlich verfährt das Team mit Topinambur und Knollensellerie: Das Innere wird zu Püree, Ragout und Pastafüllung verarbeitet. Die schrumpelig gerösteten Schalen geben Jus und cremigen Saucen ein geschmackliches Update. Im Grunde funktioniert das mit jeglichem Knollengemüse. Ich bin noch dabei, mich durch alle Sorten zu kochen.

Und hier noch ein weiteres Rezept, das ich kürzlich entdeckt und sofort ins Herz geschlossen habe: Gefüllte Erdäpfelschalen. Dafür werden die gekochten Knollen halbiert und mit dem Löffel ausgehöhlt, wobei man einen halben Zentimeter Kartoffelinneres dranlassen sollte. Dann werden sie mit Öl oder Butter bepinselt, mit Salz eingerieben und anschließend bei 180 Grad (mit der Schale nach oben) für eine gute Viertelstunde im Ofen gebacken. Umdrehen, füllen – Lauch, Schwammerl, Käse, worauf man eben Lust hat – und noch mal für zehn Minuten backen. Schmeckt so gut, dass sich die Frage mitunter umdreht, man sich also nicht mehr fragt, was man mit den Schalenresten machen könnte, sondern: Was stelle ich nun mit dem übrig gebliebenen Inneren an? (Verena Carola Mayer, 26.3.2023)