Es gibt einen Aufwärtstrend zu mehr Frauen bei der Feuerwehr.

Foto: ÖBFV / Mathias Seyfert

Die Zahl klingt erst einmal beeindruckend: Rund 60 Prozent der neuen Mitglieder bei den Feuerwehren waren 2022 weiblich, berichtete der Österreichische Bundesfeuerwehrverband kurz vor dem Internationalen Frauentag. Doch der Frauenanteil insgesamt ist nach wie vor sehr gering. Rund 31.000 weibliche Mitglieder zählen die Feuerwehren österreichweit, ein Anteil von neun Prozent. Nichtsdestotrotz zeichne sich ein Aufwärtstrend ab, so der Verband.

Gerade in ländlichen Gemeinden ist die freiwillige Feuerwehr mehr als nur ein Team geschulter Kräfte, die im Notfall zum Einsatz ausrücken. Sie ist ein Kristallisationspunkt dörflicher Gemeinschaft und auch Veranstalterin: Feste werden organisiert, auch dort, wo es kaum noch Wirtshäuser gibt.

Und: Sie bietet – wie Vereine und das Ehrenamt insgesamt – eine Form der Identitätsstiftung, die an die Region bindet. Das weiß auch Karin Gorenzel, die seit 2016 der Marktgemeinde Wölbling als Bürgermeisterin vorsteht. Rund 2.500 Einwohner:innen zählt die Gemeinde im Bezirk St. Pölten, 20 Fahrminuten von der Landeshauptstadt entfernt. Ein Jahr nach ihrer Amtsübernahme trat Gorenzel der freiwilligen Feuerwehr (FF) bei. "Als Bürgermeisterin muss man viele Entscheidungen treffen, die mit der Feuerwehr verbunden sind, so bekommt man dann auch ein besseres Verständnis von den Abläufen", sagt sie im STANDARD-Gespräch.

Die SPÖ-Bürgermeisterin hat die Grundausbildung absolviert und kann mit der FF Hausheim-Noppendorf somit Einsätze bestreiten. "Die Feuerwehr ist aber auch wichtig für die Gemeinschaft im Ort", sagt sie.

Männerdominierte Strukturen

So sieht es auch Melanie Hell, die in Oberwölbling die Feuerwehrjugend leitet. Kinder und Jugendliche lernen dort die Grundlagen der Feuerwehrarbeit kennen – für die freiwilligen Feuerwehren sind sie zentral, um Nachwuchs zu rekrutieren. Berührungsängste gab es für Hell keine, ihr Vater begründete die Jugendgruppe im Ort mit.

Gewachsene, männerdominierte Strukturen können Frauen durchaus abschrecken, weiß indes Theresia Oedl-Wieser, Leiterin der Abteilung Ländliche Sozialforschung und Bibliothek an der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen. "Das Vereinsleben in ländlichen Regionen ist immer noch sehr männerdominiert, und das ist für Frauen vielfach wenig attraktiv. Wir wissen aus Studien, dass Frauen eingeladen werden wollen, sich einzubringen, man muss auf sie zugehen", sagt Oedl-Wieser.

In Melanie Hells Jugendgruppe sind aktuell vier Mädchen und zwei Burschen aktiv, die 25-Jährige ist sich ihrer Vorbildrolle bewusst. "Ich merke schon, dass das die Mädchen auch cool finden, dass ich als Feuerwehrfrau im Einsatz und überall dabei bin", sagt Hell. Neben ihrer Vollzeiterwerbsarbeit investiert sie wöchentlich acht bis zehn Stunden in das Ehrenamt. Hell schult die Kinder, bereitet Präsentationen und Spiele vor, gestaltet gemeinsame Ausflüge. "Das muss sich neben der Arbeit eben ausgehen – aber ich mache es wirklich gerne, eine freiwillige Tätigkeit schadet niemandem", sagt Hell.

Mehr als nur Kuchen backen

Auch in der Ortsgruppe von Bürgermeisterin Karin Gorenzel sind vier Frauen aktiv. Feuerwehren würden allerorts vor der Herausforderung stehen, Frauen anzuwerben, sagt Gorenzel – lange seien die Feuerwehren eben männerdominiert gewesen. "Wir haben zwar noch keine Kommandantin gehabt, aber Frauen übernehmen immer mehr Verantwortung. Die Zeit, in der sie höchstens für das Feuerwehrfest Kuchen gebacken haben, sind vorbei", sagt Gorenzel. Auch mit einer Stammtischrunde habe die freiwillige Feuerwehr wenig zu tun. "Die Gerätschaften werden technisch immer anspruchsvoller, da muss man schon am Ball bleiben."

In Feuerwehr-Gruppen, in denen Frauen nicht willkommen sind, würden meist "Männer vom alten Schlag" das Sagen haben, formuliert es Melanie Hell. "Die denken auch, Frauen schaffen Einsätze gar nicht", sagt die Niederösterreicherin. Einzelne Tätigkeiten würden Frauen kräftetechnisch tatsächlich vor große Herausforderungen stellen, sagt Hell – aber dann würden sie eben andere übernehmen. "Ich glaube, da verändert sich schon etwas im Denken", so Hell. Von ihren eigenen Einsätzen ist ihr vor allem ein großer Stallbrand in Erinnerung geblieben. "Der Einsatz hat sechs oder sieben Stunden gedauert, danach war ich körperlich wirklich völlig erschöpft." Die gute Zusammenarbeit der Kolleg:innen, die gewachsene Gemeinschaft ist es, die sie an die Feuerwehr bindet. "Und du hilfst Menschen. Sie sind wirklich dankbar, auch wenn sich natürlich niemand freut, wenn die Feuerwehr kommen muss."

Vereine gegen die Abwanderung

Aktivitäten und Sportangebote für Kinder und Jugendliche würden eine wichtige Funktion dabei erfüllen, sie an eine Region zu binden und ein Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln, sagt Sozialforscherin Oedl-Wieser. Österreichweite Studien zum Ehrenamt würden dabei immer noch eine deutliche Geschlechtertrennung zeigen: Männer sind überwiegend im Sport und bei den Blaulichtorganisationen zu finden, Frauen engagieren sich vielfach in Schule und Kindergarten oder in religiösen Einrichtungen. "Das Ehrenamt differenziert sich aber aus. Traditionelle Vereine haben zunehmend Probleme, Nachwuchs zu finden", so Oedl-Wieser. In einer aktuell laufenden Studie zeige sich, dass hochqualifizierte Frauen im ländlichen Raum von Bürgermeister:innen oder Vereinen oft gar nicht wahrgenommen würden. "Sie werden nur gefragt, ob sie eine Mehlspeise mitbringen können, aber nicht, ob sie ihre berufliche Qualifikation auch in den Verein oder die Gemeinde einbringen können", so die Sozialforscherin. Die Care-Arbeit, die Frauen überwiegend stemmen, sorge zudem für ein geringeres Zeitbudget für das Ehrenamt. Aber auch das berufliche Pendeln sei für viele Landbewohner:innen ein großer Zeitfresser.

Melanie Hell ist inzwischen in einen Nachbarort gezogen, doch bei derselben Feuerwehr geblieben. "Da hängt mein Herz dran, dort kenne ich alle Leute", sagt die 25-Jährige. (Brigitte Theißl, 28.3.2023)