Moritz Eggert schreibt Musik, parodiert aber auch gerne, was ihm Kritik eintrug. Das versteht er nicht: "Ich wäre froh, wenn jemand mich parodieren würde!"

Foto: Heribert Corn

Es begab sich im Jahr 2008, dass auf dem Wiener Opernball Moritz Eggerts "Fußballballett" vor einem TV-Millionenpublikum uraufgeführt wurde. Was danach beim "Nachspiel" geschah, entging allerdings den Kameras. "Ich wurde von einer Dame mit einer Handtasche geschlagen", erzählt der deutsche Komponist. "Sie fand es unmöglich, dass ein modernes Stück aufgeführt wird." Eggert, 1965 in Heidelberg geboren, durfte damals also – hoffentlich nicht zu schmerzhaft – körpernah erfahren, wie subjektiv der Begriff der Moderne definiert werden kann.

Eggert wird vom Handtaschenangriff überrascht gewesen sein. Er selbst, der skeptisch gegenüber zu rigorosen Definitionen des Modernebegriffs ist, ist ja eher ein Mann des unbeschwerten Zugangs zum Fortschrittsgedanken in der Musik. Eggert schätzt das Undogmatische, das großzügig auch historischen Stilen Platz bietet. "Wichtig finde ich, dass man eine eigene Sprachlichkeit besitzt. Bei Strawinsky etwa ist es einerlei, in welchem Stil er schreibt. Das Unkonventionelle, das Individuelle ist immer zu erkennen", erzählt Eggert, der den französischen Komponisten Erik Satie und den Amerikaner Charles Ives als wichtige Einflüsse hervorhebt. "Satie schätze ich wegen seines Nachdenkens über Musik, Ives wegen dieser Freiheit, wegen seines unbekümmerten, amerikanischen Zugangs."

Da wird er zornig!

Wesentlich seien auch Bernd Alois Zimmermann und seine so komplexe wie farbenreiche Klangkunst gewesen: "An ihm schätze ich die Polystilistik, den umfassenden Zugang. Wenn man mir sagt: ‚Dieses Material darfst du nicht verwenden!‘ oder ‚Musik muss so und so sein!‘, dann weiß ich, dass ich dagegen aufbegehren muss. Da werde ich zornig!"

Was sein aktuelles Werk anbelangt, das sich der Thematik Verschwörungstheorien widmet, befiel Eggert während der Recherchen mehr Entsetzen als Zorn. "Mit dem Stück habe ich mir auch unglaublich viel Frust von der Seele geschrieben, weil mich dieser komplette Verlust an Vertrauen zur Wissenschaft und also zu tragfähigen Erkenntnissen erschüttert hat." Da merke man, "wie wichtig Bildung ist. Demokratie braucht gebildete Menschen! Deswegen unterdrücken Diktatoren Kultur, denn die bildet ja auch."

"Corona will keiner mehr hören"

Eggert hat in seiner Operette nichts verwendet, was an Verschwörungsmythen nicht im Umlauf ist. Die letzte Verschwörung ist jedoch kein Lexikon der Kopfgeburten. "Corona habe ich bewusst ausgelassen – das will keiner mehr hören. Es beginnt mit den sogenannten ‚Flatearthern‘, welche die Erde als Scheibe betrachten. Die begnügen sich auch nicht damit, die Erde so zu sehen. In ihren Augen will man uns zwingen, irrtümlich zu glauben, die Erde wäre eine Kugel. Da gebe es die Weltverschwörung einer Elite. Wobei man sich fragt: Warum ist das eigentlich so schrecklich, dass die Erde eine Kugel ist?"

Eggert hat darauf jetzt auch keine valide Antwort; andere Erkenntnisse aber hat er doch gewinnen können. Er hat sich in diese seltsame Welt hineinbegeben und erlebt, dass die Verschwörungstheoretiker auch einander nicht über den Weg trauen. "Ich habe mir einmal den Spaß erlaubt, bei den schlimmsten Facebook-Kommentaren Misstrauen in die Kommunikation zu säen. Diese Paranoia, dass hinter allem etwas noch Geheimeres steckt, etwa die CIA, lässt sich sofort erzeugen. Irgendwann allerdings war dieses Milieu für mich auch zu viel, ich habe es dann gelassen."

Außerirdische auch dabei

Ob in seinem neuen Stück "Hohlwelttheoretiker" mit "Flatearthern" aneinanderkrachen, wird natürlich nicht verraten. Es reicht zu wissen, dass in der als "burlesk und schrill" angesagten Story unterirdische Reptilienwesen, Außerirdische und gar Pizzas aus Menschenfleisch vorkommen. "Man kann aber sagen, dass es am Ende um die letzte, ultimative, die Mutter aller Verschwörungen geht", sagt Eggert, dessen Stück zwei Akte von jeweils einer Stunde umfasst. In guter alter Operettentradition wird es gewiss Zitate und Anspielungen geben. Die FPÖ-Ibiza-Groteske kommt vor, auch die Oligarchin "mit Verweisen aus der Oper Boris Godunov".

Wer Eggert näher kennenlernen will, kann seinen Bad Blog of Musick konsumieren. Dort teilt Egger gerne aus, ist aber auch bereit, selbst einzustecken. "Ich habe unlängst eine Nachdichtung von Händl Klaus angefertigt, als Parodie, die ja auch Hommage ist. Mir sagten dann sofort einige, dass das ‚gefährlich‘ sei. In einer Zeit, in der Satire und Ironie als gefährlich empfunden werden, fühle ich mich aber nicht wohl. Also ich wäre froh, wenn einmal jemand mich parodieren würde!" (Ljubiša Tošic, 25.3.2023)