Michael Ludwig steht hinter seiner Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Das hat der Wiener Bürgermeister bereits klargemacht. Eigentlich wollte die SPÖ per Mitgliederbefragung den Streit zwischen Rendi-Wagner und Burgenlands Landeschef Hans Peter Doskozil klären. Doch bis Freitag meldete sich rund ein Dutzend Kandidaten – und bis zum Parteitag im Juni könnten es noch mehr werden. Für Ludwig ist klar: Er will nicht, und er will ein Ende der Debatte. Rasch.

Michael Ludwig will ein schnelles Ende der parteiinternen Querelen.
Foto: Heribert Corn

STANDARD: Die Mitgliederbefragung sollte den Führungsstreit der SPÖ zwischen Rendi-Wagner und Doskozil klären. Doch es wurde chaotisch: Immer mehr Kandidaten haben sich gemeldet. Läuft der Prozess, wie Sie das wollten?

Ludwig: Es ist der Versuch, möglichst viele in die Entwicklung der Sozialdemokratie einzubinden. In der Tat ist es jetzt etwas unübersichtlich geworden. Aber ich hoffe, dass es am Ende eine endgültige Entscheidung gibt – an der sich dann auch alle orientieren werden.

STANDARD: Wie weit wird die Mitgliederbefragung tatsächlich einen Schlussstrich ziehen?

Ludwig: Die endgültige Personalentscheidung kann ja nur ein Bundesparteitag treffen. Aber sie wird ein Meinungsbild präsentieren.

STANDARD: Sollte keine Kandidatin, kein Kandidat mehr als 50 Prozent erhalten –soll es dann eine Stichwahl beim Parteitag geben?

Ludwig: Man kann nicht ausschließen, dass sich auch noch jemand auf dem Parteitag meldet, der nicht bei der Mitgliederbefragung mitgewirkt hat. Die Befragung wird aber ein starkes Signal sein.

STANDARD: Ex-BZÖ-Politiker Gerald Grosz will SPÖ-Parteichef werden, Nikolaus Kowall jetzt doch nicht mehr, weil Andreas Babler kandidiert. Verkommt die Befragung zur Farce?

Ludwig: Der Weg ist vielleicht etwas turbulent, aber es wird eine Entscheidung geben, damit wir uns auf die eigentlichen Probleme, die es in Österreich gibt, konzentrieren können. Wir haben gute Programme, die derzeit nicht in dem Ausmaß diskutiert werden, weil wir ständig mit innerparteilichen Diskussionen beschäftigt sind.

"Dass die Querschüsse nicht hilfreich waren, weder bei den letzten Landtagswahlen noch bei den Meinungsumfragen, ist offensichtlich."

STANDARD: In Umfragen liegt die SPÖ mittlerweile zum Teil auf Platz drei hinter der ÖVP. Schadet sich Ihre Partei nicht selbst?

Ludwig: Dass die Querschüsse nicht hilfreich waren, weder bei den letzten Landtagswahlen noch bei den Meinungsumfragen, ist offensichtlich. Vor wenigen Wochen lagen wir mit Pamela Rendi-Wagner noch deutlich auf dem ersten Platz mit rund 30 Prozent. Innerparteilich kontroversiell geführte Diskussionen sind nicht hilfreich. Daher dränge ich auf ein Ende.

STANDARD: Manche rufen auch nach Ihnen als Bundesparteichef. Wieso wollen Sie nicht?

Ludwig: Ich bin in der Kommunalpolitik tätig und habe immer gesagt, dass ich für eine Bundesfunktion nicht zur Verfügung stehe. Glaubwürdigkeit in der Politik ist wichtig, und wenn politische Entscheidungsträger sagen, wofür sie zur Verfügung stehen oder nicht, sollte das auch eingehalten werden.

STANDARD: Doskozil ist wie Sie Landeshauptmann, er sieht offenbar kein Problem darin, eine Doppelfunktion auszuüben – falls er das Rennen um die Parteispitze gewinnen sollte. Geht das: Landeschef und Parteichef?

Ludwig: Ich fühle mich in der Funktion des Landeshauptmannes und des Wiener SPÖ-Chefs voll ausgelastet. Ich kann nicht für andere Bundesländer sprechen. Aber in Wien sind diese Funktionen absolut ein Fulltime-Job.

STANDARD: Sie sind also skeptisch, ob das geht?

Ludwig: Ich halte es nicht für wirklich zweckmäßig. Als Bundesparteichef sollte man alle Möglichkeiten nutzen, um in der Bundespolitik wirken zu können. Das ist natürlich vor allem das Parlament – die bundespolitische Öffentlichkeit. Ich denke, man müsste sich entscheiden, ob man das eine oder andere will.

STANDARD: Doskozil hat kein Mandat im Nationalrat. Kann man die größte Oppositionspartei anführen, ohne im Parlament zu sitzen?

Ludwig: Ich sehe das als große Herausforderung. Man verliert die Plattform, die für eine bundespolitische Diskussion vorgesehen ist – den Nationalrat. Ein Parteivorsitzender muss entsprechend Gehör auf Bundesebene finden.

STANDARD: Wie böse sind Sie Doskozil, dass er die Klubklausur der SPÖ Wien mit seiner Kandidatur gesprengt hat?

Ludwig: Es war nicht das erste Mal, dass derartige Personaldiskussionen Inhalte verdrängt haben. Wir haben dort 200 Millionen Euro an Förderungen für das Wohnen in Wien verkündet, das ist untergegangen. Von daher ist es nicht eine Frage, ob ich böse bin, sondern ob es sinnvoll war.

STANDARD: Auch beim Parteitag im Juni könnten noch Kandidaten hinzukommen. Kann Ex-Kanzler Christian Kern die SPÖ retten?

"An die Rückkehr von Christian Kern glaube ich nicht. Es wäre auch ein merkwürdiges Bild."

Ludwig: Das nehme ich nicht an, weil Christian Kern mehrfach und sehr bestimmt in vielen Interviews in der Öffentlichkeit klargemacht hat, dass eine Rückkehr in die Politik für ihn nicht infrage kommt. Ich gehe davon aus, dass, wenn ein Mensch etwas sagt, das auch eingehalten wird. Glaubwürdigkeit ist in der Politik wichtig. An die Rückkehr von Kern glaube ich nicht. Es wäre auch ein merkwürdiges Bild: dass er nach einer verlorenen Wahl als Kanzler aus der Partei ausscheidet, die Opposition einer von ihm selbst vorgeschlagenen Frau überlässt, um dann wieder das Kanzleramt anzustreben. Ich glaube, das kann man der Öffentlichkeit schwer erklären.

STANDARD: Wie groß ist das Nachwuchsproblem der SPÖ, wenn ein ehemaliger Parteichef als Zukunftshoffnung gehandelt wird?

Ludwig: Wie man an der Liste der Bewerbungen sieht, kann man vieles über die SPÖ sagen, aber nicht, dass es zu wenig Menschen gäbe, die an die Parteispitze drängen.

STANDARD: Die Mitgliederbefragung startet am Tag nach der Salzburg-Wahl, bei der die ÖVP mit Verlusten zu rechnen hat. Ist das der richtige Zeitpunkt?

Ludwig: Die Frage müsste man jenen stellen, die mit Querschüssen das Erscheinungsbild der Sozialdemokratie in Österreich sehr stark beeinflussen. Es kann nicht so weitergehen, dass die Schwächen der anderen Parteien dadurch überlagert werden, dass man mutwillig innerparteiliche Diskussionen führt.

STANDARD: Doskozil hätte sich einen späteren Zeitpunkt für die Befragung gewünscht.

"Es ist kein Wunschkonzert. Es ist der Versuch, dass man zu einem harmonischen Ende kommt."

Ludwig: Man ist ihm so weit entgegengekommen, dass man sich auf den Verlauf dieser Befragung und den Parteitag einvernehmlich geeinigt hat. Aber es ist kein Wunschkonzert. Es ist der Versuch, dass man zu einem harmonischen Ende kommt.

STANDARD: Wem geben Sie Ihre Stimme?

Ludwig: Es ist keine Überraschung, dass ich die Parteivorsitzende unterstützen werde.

STANDARD: Egal, wer noch kommt?

Ludwig: Bis jetzt wäre ich da noch nicht wankend geworden in meiner Entscheidung.

STANDARD: Ihre Parteichefin selbst hat nicht klar beantwortet, was sie besser macht als Doskozil – warum wählen Sie Rendi-Wagner?

Ludwig: Für mich gibt es viele Punkte. Ich diskutiere aber ungern in der Öffentlichkeit über einen anderen sozialdemokratischen Landeshauptmann. Aber etwa in den Vorstellungen der Europapolitik habe ich diametral eine andere Auffassung als Doskozil. Ich bin auch ein großer Verfechter der Sozialpartnerschaft. Es braucht starke Gewerkschaften und einen Mindestlohn, der über Kollektivverträge ausverhandelt wird und kein gesetzlicher Mindestlohn ist, wie sich das der burgenländische Landeschef vorstellt. Auch die Anstellung von pflegenden Angehörigen ist etwas, was vielleicht im Burgenland eine Rolle spielt, aber in Wien ganz anders gehandhabt wird. Wir haben jetzt die Ausbildungsplätze für Pflegerinnen und Pfleger mehr als verdoppelt, weil ich größte Wertschätzung für den Pflegeberuf habe. Und in diesen Punkten bin ich mit der Parteivorsitzenden im besten Einvernehmen. (Oona Kroisleitner, 24.3.2023)