Die Kritik an der schwarz-blauen Koalition in Niederösterreich reißt nicht ab. Zuletzt fand sogar Bundespräsident Alexander Van der Bellen ungewöhnlich klare Worte dafür. Van der Bellen könne die Sorgen über die Zusammenarbeit im Bundesland nachvollziehen, betonte das Staatsoberhaupt bei der Angelobung von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Freitag. Van der Bellen wolle das "nicht verschweigen".

Samstagmittag versuchte Mikl-Leitner in der Ö1-Interviewreihe "Journal zu Gast" die schwarz-blaue Koalition ins rechte Licht zu rücken. Einmal mehr machte die schwarze Landespolitikerin die SPÖ dafür verantwortlich, dass es zu einer Koalition mit den Blauen gekommen sei. Der Forderung der Sozialdemokratie nach einer Jobgarantie für Langzeitarbeitslose erteilte Mikl-Leitner eine Absage. Im Gegenzug gewährte die ÖVP ihrem freiheitlichen Juniorpartner einen 30 Millionen Euro schweren Corona-Fonds für allerlei Entschädigungszahlungen.

Was sei der Unterschied zwischen dem Jobprogramm und dem Corona-Fonds im Hinblick auf die Verhandlungen, wollte die Moderatorin wissen. So richtig ließ sich Mikl-Leitner nicht auf den Vergleich ein. Aber: "Bei Corona sind wir beide über unseren Schatten gesprungen", sagte Mikl-Leitner. "Die FPÖ wollte zuerst die Rückzahlung aller Strafen, aber das geht natürlich nicht." Schwarz-Blau habe sich daher auf einen Kompromiss geeinigt.

"Ich glaube, es weiß keiner, was in zwei Jahren auf Bundesebene passiert", antwortete Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) auf die Frage, ob Schwarz-Blau nun auch ein Thema für den Bund werden könnte.
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Nun würden eben verfassungswidrige Strafen zurückgezahlt, dafür soll ein Prozent der Mittel verwendet werden, aber auch Therapien und Behandlungen von psychischen Erkrankungen, vor allem bei Kindern und Jugendlichen, finanziell unterstützt werden. "Wir wissen, dass gerade die Fachwelt sagt, da sind viele Schäden entstanden, deshalb halten wir das für eine gute Sache", erklärte Mikl-Leitner. Die Geldmittel seien für beide Gruppen da: für jene, die gegen die Corona-Maßnahmen gewesen seien, aber auch für jene, die sich an die Regeln gehalten hätten. "Ich denke, mit diesem Corona-Fonds kann es uns gelingen, die Gesellschaft und das Land wieder zusammenzuführen."

"Keiner hatte zu hundert Prozent recht"

Warum sollte man mit Geld gesellschaftliche Gräben zuschütten können, hakte die Moderatorin nach. "Weil man mit Geld auch Therapien bezahlen kann für psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche und ich denke, da tun wir etwas Gutes."

Dass Mikl-Leitner mit dem Corona-Kapitel im schwarz-blauen Koalitionsübereinkommen dem radikalen Corona-Kurs der FPÖ Auftrieb verleiht, weist die Politikerin von sich. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) sieht dadurch jedenfalls wissenschaftliche Erkenntnisse infrage gestellt. Aber auch das verneint Mikl-Leitner vehement. "Wenn wir die letzten drei Jahre Revue passieren lassen, müssen wir sagen, dass während der Pandemie keiner zu hundert Prozent recht hatte." Weder Experten, Corona-Gegner noch die Politik.

Keine Impfwerbung mehr wegen Medienkritik

Das Land Niederösterreich will nun keine Werbemaßnahmen mehr für die Corona-Impfung unternehmen. Glaubt Mikl-Leitner noch an die Impfung? "Diese Maßnahme ist zum Teil auch darauf zurückzuführen, dass es seitens der Medien permanent Kritik gibt, dass die öffentliche Hand zu viel Geld für Inserate und Plakate ausgibt und ich denke, dass es jetzt nicht mehr notwendig ist, dafür zu werben, das können andere tun, wie eben die Pharmafirmen, aber selbstverständlich werden wir weiter darüber informieren."

Mikl-Leitner wird damit konfrontiert, dass das Land aber für viele unterschiedliche Inserate Geld ausgebe. Warum trifft es also ausgerechnet jene über die Impfung? "Ich glaube, in den letzten Jahren und Monaten ist die laute Kritik seitens der Medien nachzulesen und ja, das ist einer der Punkte, der darauf zurückzuführen ist."

Für reichlich Kritik sorgte auch die sogenannte Wirtshausprämie, die das Land Niederösterreich einführen will. Damit solle die "Wirtshauskultur" auch in Zeiten der Teuerung erhalten bleiben. Gefördert werden aber nur Lokale, die ein "traditionelles und regionales Speisenangebot" führen. Wird es auch Geld für Pizzerien und Kebab-Lokale geben? "Es geht darum, dass man einen Ort hat, wo die Menschen zusammenkommen, dort gemütlich etwas essen und trinken können – und ja, die Regionalität spielt hier eine Rolle."

Von der Deutschpflicht zur Waldviertelautobahn

Angesprochen wurde Mikl-Leitner auch auf die von Schwarz-Blau geforderte Deutschpflicht in der Pause. Diese soll in die Hausordnung der Schulen implementiert werden. Es folgte eine prompte Absage der Direktorinnen und Direktoren. Abgesehen davon gibt es verfassungsrechtliche Bedenken. "Daran kann ich nichts Schlimmes und nichts Böses finden – das ist Hilfe und nicht Hürde."

Den Bau einer Waldviertelautobahn dürfte es hingegen nicht geben, wie vom Zweiten Landtagspräsidenten Gottfried Waldhäusl kürzlich angekündigt. "Ich glaube, er hatte einen Traum", sagte Mikl-Leitner.

Anfang März warnte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) in einer Rede über seine Visionen für Österreich vor Untergansszenarien im Bezug auf die Klimakrise. Ist das Thema aus Sicht der ÖVP also abgesagt, wollte die Moderatorin wissen. "Nein, Klimawandel ist für uns alle spürbar und selbstverständlich braucht es hier ganz konkrete Maßnahmen." Niederösterreich sei hier in vielen Bereichen Vorbild. Das Land werde weiter in Windenergie und Photovoltaik investieren.

Kann Schwarz-Blau in Niederösterreich eine Vorbereitung für den Bund angesehen werden? Mikl-Leitner: "Ich glaube, es weiß keiner, was in zwei Jahren auf Bundesebene passiert." (Jan Michael Marchart, 25.3.2023)