Kathrine Switzer, Marathon-Legende: "Wenn der Motor zu wenig Treibstoff hat, beginnt er zu stottern."

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Johannes Langer, Rennleiter und Coach: "Will man im letzten Abdruck etwas erzwingen, geht der Schuss oft nach hinten los."

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Selbst geübte Läuferinnen und Läufer sollten sich gut zehn Wochen lang gezielt vorbereitet haben, bevor sie sich auf den 42,195 Kilometer langen Weg machen. In exakt vier Wochen steht der 45. Vienna City Marathon (VCM) an – in unserem Fall eine naheliegende Option, aber klarerweise nicht die einzige. Laufbegeisterung und Reiselust gehen ja nicht selten Hand in Hand. Allein am 23. April findet abseits von Wien eine Vielzahl weiterer Marathons statt, etwa jene in London und Madrid. An anderen Wochenenden sieht es ähnlich aus. Auch in Österreich gibt es Alternativen zu Wien, eine ist Salzburg (21. Mai), im Herbst folgen die Wachau und Graz – wie auch Berlin und New York.

Auch wer rechtzeitig aus den Startlöchern kam, steht in den letzten Trainingswochen an mancher Weggabelung, egal ob ihm oder ihr eine Zeit von 3:30 oder 4:45 vorschwebt. "Jetzt ist es wichtig, keine Fehler zu machen, sich nicht wehzutun", sagt Kathrine Switzer dem STANDARD. Ihre Story ist weltbekannt: Switzer lief 1967 in Boston, wo der Marathon bis dahin Männern vorbehalten war, der Organisationschef wollte sie abdrängen, wurde aber von Switzers Begleiter weggerempelt. Sie kam ins Ziel und wurde der erste weibliche Marathonstar, eine Ikone, die unzählige Frauen in Bewegung brachte.

Johannes Langer, VCM-Rennchef und Coach heimischer Spitzenläufer, stimmt nicht in allen Punkten mit Switzer überein (siehe "Lange Läufe"). Aber hier stimmt er zu: "In den letzten vier Wochen geht es ums Feintuning."

Welche Punkte gilt es nun in dieser Trainingsphase zu beachten?

  • Regeneration

Ihre Bedeutung wird oft unterschätzt. "Jedes kleine Problem kann ein großes werden, wenn man nicht gut regeneriert hat und der Körper deshalb zu stark belastet ist", sagt Langer. Eine der wichtigsten Regenerationsmaßnahmen? Der Schlaf. Langer: "Man sollte sich die Nacht möglichst nicht beschneiden." Andere Maßnahmen gehen unmittelbar mit dem Training einher. Vor jeder Einheit sollte der Körper mobilisiert, also aktiviert werden, das geschieht durch – wohlgemerkt leichtes – Dehnen und etwa durch einige leichte Kniebeugen. Zur Regeneration gehört auch die ausreichende Zufuhr von Flüssigkeiten.

Switzer rät zu kräftigenden Übungen speziell für den Hüft- und den unteren Rückenbereich. "Und ich stretche jeden Tag mit Yoga- und Pilates-Elementen."

  • Abwechslung

Laufen auf Asphalt belastet die Gelenke mehr als Laufen auf Waldwegen. Dennoch sollte man auch auf Asphalt trainieren, um den Körper daran zu gewöhnen. "Ein guter Mix macht es aus", sagt Langer. In den letzten Wochen geht es darum, einen Rhythmus zu entwickeln. "Du solltest ein Gefühl dafür kriegen, wie du den Marathon laufen willst", sagt Langer. "Wie du atmest, wenn du im Renntempo unterwegs bist. Wie sich deine Schritte anfühlen. Schrittgestaltung ist ein wichtiges Element der Vorbereitung."

Für Switzer gehört zur Abwechslung auch, dass man im Training, wenn möglich, nicht alleine läuft, sondern in Gesellschaft. "Das motiviert. Und es führt dazu, dass man sich immer aufrafft, weil man ja verabredet ist, und nicht etwa auf der Couch liegen bleibt."

Start in die letzten Trainingseinheiten vor dem großen Auftritt. Nur jetzt keinen Fehler machen.
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  • Lange Läufe

Langer hat auch schon unzähligen Hobbyisten Trainingspläne geschrieben. Oft hätten sie gefragt, wann lange Läufe anstehen würden. "Lasst euch Zeit", habe er dann gesagt. "Lange Läufe belasten den Körper." Nicht selten beginne nach langen Läufen das große Wehklagen. Die Achillessehne schmerzt, die Hüfte tut weh. Langer versichert, dass der eine oder andere lange Lauf vor einem Marathon durchaus reicht. Den letzten würde er zwei Wochen vor dem Event ansetzen, er sollte zwei bis zweieinhalb Stunden dauern, das Tempo sei sekundär.

Switzer gibt zu, sie sei in der Hinsicht "exzessiv". Aber sie persönlich will im Training zumindest einmal schon die Marathondistanz bewältigt haben – freilich "spätestens vier Wochen vor dem Rennen".

  • Ernährung

Laut Switzer glauben immer noch viele Läuferinnen, es schade nicht, im Training ordentlich abzunehmen – weil die Beine dann weniger zu tragen haben. "Aber das ist ein gefährlicher Trugschluss", warnt sie, "und absolut kontraproduktiv. Nahrung ist Treibstoff. Und wenn der Motor zu wenig Treibstoff hat, beginnt er zu stottern." Switzer hält neben Obst (Zitronen!) Proteine für wichtig, weil Eiweißzufuhr die Regeneration beschleunige.

Langer rät, dem Körper in den letzten drei Tagen vor einem Marathon verstärkt Kohlenhydrate zuzuführen ("aber keine Mast"). Man sollte nicht wegen eines Marathons mit allen Gewohnheiten brechen. Zum Thema Alkoholkonsum sagt Langer: "Ein Bier oder ein Achterl Wein auch noch am Vorabend eines Marathons ist keine Sünde."

  • Vorsicht

Sie ist die Mutter der Marathonkiste, jedenfalls eines zufriedenstellenden Resultats. "Der fürs Laufen wichtigste Körperteil", sagt Langer, "ist der Kopf." Er muss verhindern, dass in den letzten Trainingswochen "überzogen" wird. Leider steht dem Kopf oft der Ehrgeiz im Weg. Langer: "Will man im letzten Abdruck etwas erzwingen, so geht der Schuss oft nach hinten los." Verpasste Kilometer flott nachzuholen bringt es meistens nicht. Klüger könnte es sein, das anvisierte Marathonziel nach unten – eigentlich nach oben – zu revidieren.

Obacht, sagt auch Switzer. Speziell wenn man mit dem Kopf woanders, nämlich beim Marathon ist. Switzer habe "schon Olympiateilnehmer gesehen, die auf dem Weg zum Start über die Gehsteigkante stolperten und sich verletzten".

  • Letzte Tage

Viele Marathonis reisen zu Läufen, auch ins Ausland. Um Stress zu vermeiden, den verspätete oder gar ausgefallene Flüge oder Züge mit sich bringen, rät Langer zur Anreise zwei bis drei Tage vor dem Event. Da hat man aus dem Training schon "rausgenommen". Wichtig ist es, sich mit der Strecke vertraut zu machen – wo sind Schlüsselstellen, wo geht es bergauf (Brücken, Unterführungen), wo bergab?

"Zehennägel spätestens drei Tage vor dem Marathon schneiden", rät Switzer. Dass man sich für den Marathon erprobte Ausrüstung (Schuhe, Gewand) herrichtet, versteht sich von selbst. Am Marathontag kann so oder so enorm viel passieren, er ist noch einmal eine eigene Geschichte. "Erwarte das Unerwartete", sagt Switzer. (Fritz Neumann, 26.3.2023)