Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) sieht die Schuld für das Arbeitsübereinkommen in Niederösterreich bei der SPÖ.

Foto: www.corn.at Heribert CORN

Das schwarz-blaue Arbeitsübereinkommen in Niederösterreich sorgt seit zwei Wochen für viel Wirbel – und heizte Spekulationen rund um eine Neuauflage von ÖVP und FPÖ auch auf Bundesebene an. Die Frage nach einer Koalition mit den Blauen stelle sich aktuell aber nicht, sagte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Sonntag in der ORF "Pressestunde". "Wir haben die Regierung bis Herbst 2024 und noch sehr viel zu tun". Ob Nehammer in der kommenden Periode mit den Grünen weiter machen könnte, wollte er nicht sagen. Gerüchte rund um vorgezogene Neuwahlen erteilte der Kanzler eine klare Absage.

Die Geschehnisse in Niederösterreich haben die Trennlinien der Koalition erneut offen gelegt: In einem Krone-Interview am Samstag kritisierte Vizekanzler Werner Kogler Niederösterreichs ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner scharf. Es sei verantwortungslos, "Kellernazis in höhere Etagen zu heben". Auch IKG-Präsident Oskar Deutsch übte massive Kritik an der Zusammenarbeit. Darauf angesprochen hielt Nehammer fest, dass er ein gutes Verhältnis zu Deutsch pflege und es dessen Aufgabe sei, "mahnend" zu sein. Ihm schwebe jedenfalls ein Österreich vor, in dem es einmal nicht mehr notwendig sein muss, jüdisches Leben zu schützen. Wie der Kanzler das bewerkstelligen möchte, blieb in der Pressestunde unklar.

Kritik an SPÖ Niederösterreich

Für die Entscheidung Mikl-Leitners, mit der FPÖ gemeinsame Sache zu machen, zeigte Nehammer Verständnis – und teilte gleichzeitig gegen die SPÖ aus. Diese hatte im Vorfeld der ÖVP einen Forderungskatalog, in dem etwa Maßnahmen für Langzeitarbeitslose oder ganztägigen Kinderbetreuung vorgesehen waren, präsentiert. "Mikl-Leitner hat Verantwortung gezeigt, in dem sie den Forderungskatalog der SPÖ ablehnte", sagt Nehammer.

Gleichzeitig soll es nun 30 Millionen für sogenannte "Corona-Opfer" in Niederösterreich geben. Als Vorbild für den Bund will Nehammer diesen Fonds aber nicht sehen. "Wir wählen nicht diesen Weg." Ihm gehe es um einen Dialog-Prozess, der sich an jene richte, denen die Maßnahmen zu viel oder zu wenig gewesen seien: "Wir wollen beide Gruppen abholen." Details, wie dieser Dialogprozess gestaltet sein wird, soll es nach Ostern geben.

Fachkräfte aus Indien

Was den Arbeitskräfte-Mangel angeht, blickt Nehammer über die österreichischen Grenzen hinaus: "Wir müssen auch im Scouting unterwegs sein." Neben der Vereinbarung mit Indien über Fachkräfte, an denen man hoch interessiert sei, werde man etwa bei der Pflege den "Horizont erweitern" müssen. Als Beispiel sprach der Kanzler Marokko an.

Grundsätzlich geht es Nehammer darum, dass man jene Arbeitskräfte ins Land holen müsse, die man auch hier brauche. "Illegal" nach Österreich gelangte Personen sollten hingegen abgeschoben werden. Verteidigt wurde vom Regierungschef auch sein Vorstoß, Sozialleistungen erst nach fünf Jahren zu gewähren. Zwar legte er sich nicht auf eine bestimmte Leistung fest, nannte aber wiederholt die Mindestsicherung. Ein Vorschlag, den der grüne Partner ganz klar zurückweist.

Rechtlich wäre es aus seiner Sicht umsetzbar, weil man hier keine diskriminierende Regel plane. Die fünf Jahre sollten einfach für alle gelten, für EU-Bürger sei die Wartefrist ja jetzt schon der Fall, sagt Nehammer. Hier widerspricht Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination, der das Vorhaben als "Rechtsbruch mit Ansage" bezeichnet. Laut Artikel 29 der Status-Richtlinie tragen nämlich EU-Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Personen mit internationalem Schutz "die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedsstaats erhalten". Gestützt wird dieses Recht auch von der Genfer Flüchtlingskonvention.

Nein zu Mietkostenbremse

Dass keine Miepreisbremse kommt, verteidigte Nehammer. Von dieser hätten 800.000 Personen im freien Wohnbau nicht profitiert, er hält die nun beschlossenen Zuschüsse für zielgerichteter. Für den Koalitionspartner erklärte die Abgeordnete Nina Tomaselli hingegen in der Sendung "Hohes Haus" einmal mehr, dass für die Grünen die Bremse die wesentlich bessere Variante gewesen wäre. Auch Wifo-Chef Gabriel Felbermayr äußerte zuvor massive Kritik an dem "Wohnkostenzuschuss". Dieser würde nur die Inflation weiter anheizen. (etom, APA, 26.3.2023)