Um den SPÖ-Vorsitz bewerben sich deutlich mehr Männer als Frauen. Ist man Frau, wird man nicht mit dem gleichen Maß gemessen wie ein Kollege in vergleichbarer Position.

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Immer wieder fragen Männer, warum sich so wenige Frauen für hohe politische Ämter bewerben. Die Antwort liegt irgendwo da draußen, und wenn man sie wirklich finden möchte, wird man sie auch finden.

Ist man Frau, wird man nicht mit dem gleichen Maß gemessen wie ein Kollege in vergleichbarer Position. Was intensiv und öffentlich diskutiert werden wird: das Kostüm, das Gewicht, der hormonelle Status. Weiters, ob Figur und Gesicht den ästhetischen Idealnormen entsprechend eingeordnet werden können.

Missliebige Frau

Ist es nicht so, dann ist die Politikerin underfucked und frustriert. Ist es schon so, hat sie Karriere auf den Knien gemacht oder ist schlicht zu blöd für ihre Position. Ein paar Social-Media-Geisterfahrer werden ihr in unterschiedlicher Genauigkeit sexuelle Gewalt wünschen, entweder weil hässlich oder weil schön, jedenfalls aber missliebige Frau.

Kleidet sie sich elegant, ist sie oberflächlich. Ist ihr das Äußere nicht so wichtig, lässt sie sich gehen! Jede ihrer Leistungen wird im Vergleich mit männlichen Kollegen kritischer beäugt werden, jeder Fehler breitergetreten. Lob wird minimalistisch ausfallen, Tadel barock. Ist sie forsch, ist sie zu aggressiv. Ist sie diplomatisch, ist sie zu schwach.

Man weiß, was zu tun ist

Es gibt an dem Tisch der Mächtigen keinen adäquaten Platz für eine Frau, ihr Aggregatzustand ist das Dazwischen: eine äußerst volatile Angelegenheit. Will man also die Zahl der Bewerberinnen ändern, weiß man, was zu tun ist. (Julya Rabinowich, 27.3.2023)