Pamela Rendi-Wagner will SPÖ-Parteivorsitzende bleiben, viele Dutzende andere würden ihren Posten gerne übernehmen.

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Damit hatte wirklich niemand gerechnet: Sage und schreibe 73 Kandidatinnen und Kandidaten haben sich um den Parteivorsitz der SPÖ beworben. Das gab die Bundespartei am Wochenende bekannt. Bis Freitag Mitternacht hatten Interessierte Zeit, der SPÖ beizutreten, um wie tausende andere an der Mitgliederbefragung teilzunehmen oder gleich selbst ins Rennen um den Chefsessel und die Spitzenkandidatur bei der nächsten Nationalratswahl zu gehen.

Die SPÖ legt am Montag neue Regeln für die Mitgliederbefragung fest
DER STANDARD

Das Präsidium hatte vergangenen Mittwoch den Weg für die Befragung geebnet und sich darauf geeinigt, dass jedes Mitglied sowohl bei der Befragung abstimmen als auch sich für den Chefsessel und die Spitzenkandidatur bewerben kann. Dabei ließ sich schon erahnen, dass dies eine größere Anzahl an Interessentinnen und Interessenten nach sich ziehen könnte. Dass sich gleich 73 Bewerberinnen und Bewerber – vier Frauen und 69 Männer – finden, dürfte bei den Roten dann doch für eine gehörige Überraschung gesorgt haben.

Kehrtwende steht im Raum

Die Vielzahl an Anwärterinnen und Anwärtern hat die Telefonate der roten Granden am Wochenende heiß laufen lassen. Ein Rundruf des STANDARD ergab, dass es aller Voraussicht nach zu einer Kehrtwende kommen wird und nun doch noch Hürden für die Kandidatur um den Chefsessel eingezogen werden.

"Es gibt einige, die daran arbeiten, dass es nicht zu einer Abstimmung mit 73 Leuten kommt", sagt ein Präsidiumsmitglied, das nicht namentlich genannt werden möchte, im STANDARD-Gespräch. Wie genau man dies bewerkstelligen werde, stehe noch in den Sternen. Es brauche jedenfalls "eine gute Begründung, wenn man nun doch Hürden einzieht, obwohl es zuvor gegenteilige Ansagen gegeben hat". Auch ein anderes Präsidiumsmitglied, das ebenfalls nicht namentlich zitiert werden will, liebäugelt mittlerweile mit "so etwas wie einer Basislegitimation" und nennt als Beispiel "eine Nominierung durch den Bezirksausschuss".

In diversen Landesorganisationen gibt es Skepsis, ob man tatsächlich – wie ursprünglich vom Präsidium vorgeschlagen – sämtliche Kandidaten auf den Stimmzettel lassen soll. Die burgenländische Landtagspräsidentin Verena Dunst meinte Sonntagabend in der ORF-Sendung "Im Zentrum": "Die Bundesgeschäftsführung hat da sicher nicht optimal gearbeitet." Dort müsse sich einiges ändern, so die Sympathisantin ihres Landeshauptmanns Hans Peter Doskozil.

Oberösterreichs Landesparteichef Michael Lindner wird am Montag in den Gremien vorschlagen, dass von den Kandidaten für den Parteivorsitz "eine geringe Anzahl an Unterstützungserklärungen" verlangt werde. Er denkt bei der Anzahl der Unterstützungserklärungen etwa an ein Prozent der Parteimitglieder österreichweit. Das würde rund 1400 Unterschriften entsprechen, die innerhalb von zehn Tagen gesammelt werden müssten. Man könne aber auch auf bis zu 0,5 Prozent runtergehen.

Für die "Einführung einer moderaten Hürde von beispielsweise 500 bis 1.000 Unterstützungserklärungen" spricht sich am Sonntag das Präsidium der SPÖ Alsergrund in einem Schreiben an Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch aus. Deren Vizevorsitzender Nikolaus Kowall zog erst vor wenigen Tagen seine Kandidatur zurück, nachdem der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler sein Antreten im Rennen um die Parteiführung öffentlich gemacht hatte.

Am Montag sollen im Präsidium alle noch offenen Details zum Verfahren endgültig geklärt und daraufhin im entscheidungsbefugten Vorstand abgestimmt werden.

Sichten der Namensliste

Derzeit werde jedenfalls die Liste der Kandidatinnen und Kandidaten gesichtet. Mehrheitlich soll es sich hierbei um "keine überregional bekannten" Personen handeln. Seitens der Bundespartei heißt es auf STANDARD-Anfrage, dass sich die Anzahl der Namen unabhängig von Hürden ohnehin ein wenig reduzieren werde. Grund dafür sei, dass nicht alle Personen, die sich um den Chefsessel beworben haben, auch Parteimitglieder sind, außerdem gebe es auch Fake-Bewerbungen.

Wie es bisher aussieht, dürfte es in dem riesigen Kandidatenfeld nur drei ernsthafte Anwärterinnen und Anwärter geben. Neben Parteichefin Pamela Rendi-Wagner sind das ihr Widersacher, Burgenlands Landeshauptmann Doskozil, und der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler.

Samstagvormittag wandte sich Rendi-Wagner in einem Video an die roten Mitglieder. Darin wirbt sie für die eingeschlagene Vorgangsweise mit Mitgliederbefragung und Parteitag, damit "Debatten über uns selbst, die uns als Bewegung lähmen", endgültig beendet werden könnten. Ihr sei es wichtig, "diese notwendigen Entscheidungen" flott zu klären, "damit die drängenden Lösungen und Themen, die wir für unser Land haben, wieder im Vordergrund stehen". Praktisch zur gleichen Zeit ging auch Babler per Video an die Öffentlichkeit, um für sich zu werben. "Es ist die Chance einer Aufrichtung der Sozialdemokratie", meinte er zum Prozess sowie zu seiner Kandidatur.

9.000 neue Mitglieder

Von 24. April bis 10. Mai können dann alle SPÖ-Mitglieder über die Parteiführung abstimmen. 147.000 Personen werden stimmberechtigt sein – davon 9.000 neue Mitglieder, die im Zuge der Mitgliederbefragung bis Freitag einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt hatten. "Das ist ein starkes Zeichen", sagte Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch am Wochenende, der sich über den "großen Mitgliederzuwachs" freute.

Die endgültige Entscheidung wird schließlich ein Sonderparteitag am 3. Juni bringen. Bei diesem könnten dann ohnehin in der Befragung unterlegene Bewerberinnen und Bewerber ein Antreten versuchen, da das Ergebnis der Befragung nicht bindend ist. Auch ganz neue Namen könnten bei dem Sonderparteitag noch ihr Glück versuchen. (Sandra Schieder, 26.3.2023)