Eine der wenigen europäischen Produktionsstätten im Tiroler Kundl. Trotzdem besteht eine starke Abhängigkeit von Deutschland, Spanien, Italien. Und auch von China sind wir indirekt abhängig, weil dort viele Rohstoffe produziert werden.

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Der Engpass bei Antibiotika beschäftigt Ärzte, Apothekerinnen, Eltern und Patienten. Die Frage ist, wie man dieses Problem für die Zukunft lösen könnte. Dazu haben nun Forschende vom Complexity Science Hub (CSH) Vienna und vom neu gegründeten Lieferketten-Forschungsinstitut Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII) Empfehlungen zusammengetragen. Es brauche "Investitionen in Daten-, Planungs- und Prognoseinfrastruktur", erläuterte Komplexitätsforscher Peter Klimek. Österreich spiele in der aktuellen Situation eine zentrale Rolle, da sich in Kundl eine der wenigen europäischen Produktionsstätten für Antibiotika befindet.

Klimek, Forscher am CSH und Leiter des ASCII, forderte den Aufbau von Infrastruktur, "um den Bedarf an Antibiotika zu messen, zu kennen und vorhersagen zu können". Zweite wichtige Maßnahme sei, größeren Wert auf Versorgungssicherheit zu legen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, denn ein gut gestalteter Markt sollte das Risiko einer Störung internalisieren, hieß es am Montag zur Online-Veröffentlichung der Analyse.

Zusätzliche Produktionskapazitäten

In Notfällen könnten zusätzliche Produktionskapazitäten Engpässe frühzeitig beheben, wurde als weiterer Ansatzpunkt vorgeschlagen. Koordinierte und stärker zentralisierte EU-Bestände sollten zudem dazu beitragen, die Sicherheitsbestände insgesamt zu verringern und Ineffizienzen zu vermeiden. Als Bündelung der Verhandlungsmacht könnten Länder, Regionen oder Gesundheitsagenturen eine engere Zusammenarbeit in Betracht ziehen, um gemeinsame Prognosen und Beschaffungsstrategien umzusetzen, rät das Team um Klimek und ASCII-Vizedirektor Klaus Friesenbichler vom Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo).

Während des größten Teils des Analysezeitraums produzierte der Hersteller Sandoz den Wirkstoff Amoxicillin in Spanien und stärkte schrittweise seine Penicillin-Produktion in Kundl in Tirol. Zugleich befanden sich auf der Liste der in Österreich nicht erhältlichen Antibiotika trotz der heimischen Penicillin-Produktion mehrere Produkte, die in Österreich hergestellt werden, geht aus der Analyse hervor.

Abhängigkeit von Spanien, Deutschland, Italien

"Unsere Daten zeigen, dass Österreich und Spanien hinsichtlich der Lieferketten sehr eng verbunden sind", berichten die Forschenden. Wenn es um Wirkstoffe und unverpackte Produkte geht, hängt Österreich am stärksten von Spanien ab (gefolgt von China). Bei verpackten Produkten ist Österreich am stärksten von Deutschland und Italien abhängig, wobei eine erhebliche indirekte Abhängigkeit von den USA bestehe. Die direkte Abhängigkeit von China sank zwar in den vergangenen zehn Jahren, an der indirekten Abhängigkeit änderte das allerdings nichts, wurde zur Situation hierzulande erläutert.

Versorgungsunterbrechungen bei Medikamenten im Allgemeinen und bei Antibiotika im Besonderen sind laut CSH und ASCII "kein neues Phänomen". Seit 2014 haben Engpässe an Häufigkeit und Schwere jedoch stetig zugenommen. Mit den Maßnahmen zur Eindämmung der Sars-CoV-2-Pandemie wurde 2020 auch die Zirkulation anderer Erreger reduziert, und der Verbrauch von Antibiotika ging um etwa 20 Prozent zurück. Mit der Rückkehr "zur Normalität" im Jahr 2022 stieg die Antibiotikanachfrage, "und geografisch konzentrierte Produktionssysteme führten zu einer Verknappung von Antibiotika in weiten Teilen der Welt", berichteten die Forschenden.

Es gebe einen klaren Trend zur Konzentration der Produktion in einigen wenigen Ländern, hieß es weiter zu den Hintergründen. Dies habe sich während der Pandemie beschleunigt. 76 Prozent der Produktionsstätten für Zwischenprodukte befinden sich in China und Indien. 59 Prozent der Hersteller von pharmazeutischen Wirkstoffen (API) sind ebenso in diesen Ländern ansässig. Aufgrund der höheren Konzentration bei Zwischenprodukten und Wirkstoffen wirken sich Schocks in diesen Segmenten stärker aus als auf verpackte Produkte. Die geschätzte Zahl der Engpässe, die durch Ersatzprodukte behoben werden könnten, hatte sich bereits bis 2020 halbiert, betonten die Wissenschafter. Die negativen Auswirkungen auf die Patientenversorgung nahmen zu. (APA, red, 27.3.2023)