Die Kampagne sieht vor, dass Lehrerinnen und Lehrer Werbung bei ihren Schülern machen sollen.

Foto: Fatih Aydogdu

Die 18-jährige Elisa lächelt vom Schwarzen Brett. Mit verschränkten Armen steht sie selbstbewusst vor einer Kombination aus Blautönen. Ein mit Herz und Bleistift tätowierter Bizeps verlängert optisch ihren Oberarm. Darauf stapeln sich mehrere Bücher und auf deren Spitze – ein weiteres Herz. "Meine Zukunft? Ist und bleibt die Klasse!" sagt die Maturantin. Sie soll das Lehramtsstudium bewerben und dem Personalmangel an Schulen den Kampf ansagen.

Elisa ist eine von insgesamt sechs Schülerinnen und Schülern auf Postern, die momentan die Gänge von Österreichs Schulen säumen. Mit ihnen wurde die zweite Phase von "Klasse Job" im Februar eingeläutet – eine Ressortstrategie des Bildungsministeriums, die im Herbst 2022 startete und die Bildungsminister Martin Polaschek als "größte Lehrkräfteoffensive der Zweiten Republik" propagierte. In der ersten Phase wurde um Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger gebuhlt. Bislang hätten sich hier mehr als 1.000 Interessentinnen registriert.

Seit Februar sind nun Maturantinnen und Maturanten an der Reihe. Und um diese für den Job zu begeistern, sollen alle an einem Strang ziehen – so sieht es Polaschek vor.

Schule auf Sparflamme

Diese vereinten Kräfte scheinen im Kampf gegen den Lehrerkräftemangel notwendig. In sieben Jahren werden grob geschätzt 30.000 Lehrkräfte das Klassenzimmer in Richtung Pension verlassen. Ein relativ kurzer Zeitraum angesichts der aktuellen Situation: Bereits jetzt klagen Schulleitungen und Lehrer über zu wenig Personal. In allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) fehlen Lehrkräfte in Fächern wie Mathematik oder Physik. In Berufsschulen in praktischen Fächern, in Volks- und Mittelschulen sowieso überall. Laut Gewerkschaft mussten bereits an manchen Standorten pädagogische Angebote, etwa die Deutschförderung, zurückgefahren werden, um den regulären Unterricht aufrechterhalten zu können.

Für AHS-Lehrer David R. (Name von der Red. geändert) hat das mehrere Gründe: Studium, Zeitdruck, Unterrichten und kaum Betreuung: "Es ist kein Wunder, dass viele Junge gleich das Handtuch werfen", sagt er mit Verweis auf die "Pädagoginnenbildung neu", die 2015 die Karten bei der Ausbildung und dem Berufseintritt neu mischte. "Die Betreuung im ersten Berufsjahr wurde massiv heruntergeschraubt. Gleichzeitig müssen die jungen Kollegen viel mehr unterrichten." Dieser Stresscocktail verscheuche frisch ausgebildete Lehrer.

Überbordende Bürokratie

Es sei aber auch die überbordende Bürokratie, die den Lehrkräften zusetzt, meint R. "Nach den Corona-Tests stehen jetzt 'Blackout-Konzepte' an, die wir ausarbeiten sollen. Dafür müssen wir uns zuerst selbst einlesen." Das alles fresse Zeit. Zeit, die für den Unterricht fehlen würde, sagt der Vierzigjährige. Dazu kämen psychische Probleme der Schulkinder, die auch die Lehrkräfte als erste Anlaufstelle auffangen müssten.

Zu diesem Konglomerat an Aufgaben kam im Herbst 2022 eine weitere dazu. In einer Mail des Ministeriums, unterzeichnet von Polaschek wurden die Lehrkräfte angehalten, Maturantinnen und Maturanten den Beruf schmackhaft zu machen und zu bewerben. Auch sie sollten zur "positiven Erzählung des Lehrerberufs" beitragen. Doch spielen die Lehrerinnen und Lehrer da mit?

"Es krankt an allen Ecken. Und wir sollen den Schülern sagen, wie toll der Beruf ist?"
David R., AHS-Lehrer

Ein Brief mit Folgen

Für das Ministerium scheint hier kein Zweifel zu bestehen: "Viel Positives" sei von Maturantinnen und Lehrkräften zur Kampagne gekommen. "Damit zeigen wir, wie wertvoll und sinnstiftend der Beruf ist", schreibt der Sprecher. Völlig anders sieht das David R. "Es krankt an allen Ecken. Und wir sollen den Schülern sagen, wie toll der Beruf ist?"

Tatsächlich rumort es ordentlich bei den Lehrkräften, seit sie Polaschek zum Teil seiner Kampagne, seiner Vision machte. Viele empfinden "Klasse Job" als Farce – und reagieren. Als bundesweite Antwort gründete sich unmittelbar nach Erhalt des Polaschek-Briefs eine Plattform für Lehrerinnenproteste mit dem ironischen Arbeitstitel "Krasser Job". Mittlerweile nennt sich die Initiative Schule brennt.

"Radikale Verbesserung der Arbeitsbedingungen"

Auf ihrer Instagram-Seite, die bereits mehr als 800 Follower zählt, bildet die Plattform die Realität des Schulalltags ab und fordert eine "radikale Verbesserung der Arbeitsbedingungen". Ihre Anliegen sind nicht neu: administratives Zusatzpersonal, kleinere Lerngruppen, multiprofessionelle Teams. "Es geht schon darum, wie klasse oder wie krass der Job ist", sagt eine Mitbegründerin der Aktion, die anonym bleiben will. Auch in den Postings der Seite treten die Lehrkräfte nur mit ihren Initialen auf. So schreibt eine Lehrerin: "Wir sind müde, traurig, wütend und überlegen, wie lange wir uns das noch antun."

Was dabei zusätzlich für Furore sorgt: Die Kosten für Polascheks Kampagne belaufen sich auf rund 600.000 Euro. Geld, das in die Vermarktung auf Social Media, in Videos, auf Plakaten und in Einschaltungen fließt. "Geld, mit dem man administratives Personal hätte anstellen können", sagt Lehrer David R. – das würde allen wirklich helfen, glaubt er.

Gewerkschafterin: Überlegen, wie man Lehrkräfte behält

Eigentlich hatte Polaschek im Herbst angekündigt, das Unterstützungspersonal von 400 auf 700 aufzustocken – zumindest im Pflichtschulbereich. "Doch das wird nicht ausreichen", sagt die Gewerkschafterin Patricia Gsenger (FSG). Auch im AHS-Bereich gebe es großen Bedarf, dem man bislang nicht ausreichend nachkomme. Unter den Lehrkräften sei die Unzufriedenheit jedenfalls groß. "Bei mir häufen sich Anfragen zu Bildungskarenz, Teilzeitbeschäftigung und Kündigungen", sagt Gsenger. "Man muss sich überlegen, wie man die Lehrkräfte behält."

Wie diesen strukturellen Problemen begegnet wird, geht aus Polascheks Kampagne nicht hervor. Auch die Kritik an "Klasse Job" ließ das Ministerium unkommentiert. Ziel sei es jedenfalls, die Ausbildung weiterzuentwickeln, um "mehr Praxis, bessere Studierbarkeit und bessere Beratung vor Studienbeginn" zu ermöglichen, heißt es. Die Klassenschülerzahl zu erhöhen steht für Polaschek jedenfalls außer Debatte, wie er in der "ZiB 2" am Montag versicherte. Zudem könnte es laut Polaschek Verbesserungen im Dienstrecht geben, damit es zu weniger Kettenverträgen komme. In der "ZiB 2" bezeichnete er diese befristeten Verträge als "Einzelfälle".

Die Plattform Schule brennt will nun ihren Protest nach außen tragen. In den nächsten Monaten sind mehrere Aktionen geplant. "Streik ist tatsächlich das Ziel. Es muss in der Zivilgesellschaft ankommen und ein bisschen wehtun, damit etwas passiert." Denn derzeit würde man die Augen vor systemischen Baustellen verschließen. Gerade um diese müsste man sich aber kümmern: Dann, so die Plattform, käme die beste Werbung von ganz allein. (Anna Wiesinger, Elisa Tomaselli, 27.3.2023)