"Autoland", wie Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) sagte, trifft nicht nur auf Österreich zu, wie man gerade in Deutschland sieht, wo ein Streik den Verkehr über die Staatsgrenzen hinaus lahmlegt. Bahn und Busse fahren nicht, weil sich 230.000 Beschäftigte zu schlecht bezahlt fühlen. Der Autoverkehr aber schon. Kein Wunder, fließen doch 2023 fast 8,5 Milliarden Euro des Bundes in die Infrastruktur des Straßenverkehrs, gibt Statista an. Dafür ist genug Geld da. In Österreich betragen die externen Kosten des Kfz-Verkehrs mehr als 19 Milliarden Euro, hat der Verkehrsclub Österreich errechnet – den Großteil davon, 12,5 Milliarden, macht der Autoverkehr, 4,2 Milliarden der Lkw-Verkehr aus.

Kosten für die Gesellschaft

26 Prozent dieser externen Kosten entfallen dabei auf Luftverschmutzung, Klimafolgen und Lärm. Aufgabe ist es nun, den Individualverkehr für die Gesamtgesellschaft – nicht den einzelnen Nutzer – günstiger und umweltfreundlicher zu machen. Das geht am allerbesten, indem man ihn stark verringert. Aber auch E-Fuels können ein sinnvoller Teil der Lösung sein. Jedoch nicht so, wie es Bundeskanzler Nehammer und weitere Befürworter des Verbrennungsmotors andenken.

Benzin hat man, als das Auto aufkam, in kleinen Flaschen in der Apotheke gekauft. E-Fuels werden aktuell noch so ähnlich gereicht.
Foto: Porsche

Auf den ersten Blick war es ungewöhnlich, dass Nehammer sich von heute auf morgen des Themas annahm, das eigentlich schon fertig ausverhandelt war. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass er justament nach seiner Nordafrika-Reise die Dringlichkeit der Sache erkannte. Und ja, laut seiner Idee sollen unsere E-Fuels künftig aus Nordafrika kommen. Wohl nicht, weil man ihm dort in bunten Bildern eine schöne, heile Welt voller Reichtum und individueller Mobilität gezeichnet hat, die bei konservativen Wählern gut ankommen solle. Nein, um die Abhängigkeit von Russland zu beenden, will er die Partnerschaft etwa mit Marokko ausbauen. Wer hier nur eine neue Abhängigkeit sieht, denkt zu kurz.

Teuer, selten und energieintensiv

E-Fuels sind zwar beim Verbrennen CO2-neutral, aber sie sind auch teuer, auf absehbare Zeit im großen Stil nicht verfügbar, und ihre Erzeugung ist sehr energieintensiv – vor allem im Vergleich zur Energiebilanz eines E-Auto. Bei der Erzeugung in Marokko käme noch der Transport dazu. Lecks in Pipelines, wie es sie auch im Erdgasnetz gibt, wären ein enormer Umweltschaden, aber wohl kaum zu vermeiden. Und ein Tankerunglück mit E-Fuels ist auch nicht so viel besser als eines mit Erdöl. Und dennoch werden wir sie brauchen. Aber nicht in Neuwagen ab 2035.

Grafik: APA

Wohl aber, um den Flug- und Schiffsverkehr umweltfreundlicher zu machen. Wenn das Fliegen wegen des teureren Sprits dann unattraktiver wird, spielt das der Umwelt nur zusätzlich in die Hand. Und wir werden einen umweltfreundlicheren Sprit brauchen, um den Fahrzeugbestand damit zu bedienen. In Österreich sind aktuell mehr als 7,2 Millionen Kraftfahrzeuge für den Verkehr zugelassen – davon haben rund 100.000 Pkws einen reinen E-Antrieb. Allein den Bestand – der wird sich ja 2035 nicht in Luft auflösen – mit umweltfreundlichem Sprit zu versorgen wäre schon eine enorme Aufgabe.

Attraktivere Öffis

Eine weitere ist es, den Individualverkehr vom Pkw wegzubringen. Da ist mit dem Klimaticket ein erster Schritt getan – aber eben nur ein erster. Öffis müssen vor allem abseits der Metropolen viel attraktiver werden. Und damit ist nicht nur der Fahrplan gemeint, sondern auch der Komfort in den Bussen etwa muss sich verbessern. Außerdem muss der Umstieg aufs Fahrrad leichter werden. Aber auf dem Land fehlt dafür leider oft die Infrastruktur. Dabei wäre mehr Radverkehr ein Gewinn für die Gesundheit und die Umwelt, wie eine aktuelle Studie der University of Oxford zeigt.

Christian Brand ist dort Professor für Transport, Energie und Umwelt und fand heraus, dass "aktives Reisen" wie Zufußgehen oder Radfahren "billiger, gesünder, umweltfreundlicher und im städtischen Umfeld nicht langsamer ist". Über einen Zeitraum von zwei Jahren beobachtete er das Mobilitätsverhalten von etwa 4.000 Menschen in London, Antwerpen, Barcelona, Wien, Örebro, Rom und Zürich. "Bemerkenswerterweise hatten Menschen, die täglich Fahrrad fuhren, bei all ihren Fahrten 84 Prozent weniger CO2-Emissionen als diejenigen, die dies nicht taten." Wer zumindest an einem Tag pro Woche vom Auto aufs Fahrrad wechselte, sparte so 3,2 Kilogramm CO2 – was einer zehn Kilometer langen Autofahrt entspreche. Übers Jahr gerechnet, kam mit einem autofreien Tag pro Woche und Person eine halbe Tonne CO2 zusammen, die eingespart werden konnte. So kommt er zu dem Schluss, dass Fahrradfahren zehnmal wichtiger für das Erreichen einer Netto-null-Emissionen-Stadt sei als das E-Auto.

Homeoffice als Verkehrsmaßnahme

Eine deutliche Reduktion des Verkehrs – vor allem zu Stoßzeiten – ließe sich erreichen, wenn alle, die im Homeoffice arbeiten können, das auch dürften, wenn sie es wollen. Aber dahingehend gibt es noch keine Regelung. Lieber redet man sich die E-Fuels als Zukunftsperspektive schön, um die Autos der Zukunft emissionsfrei zu machen. Dabei schielt man aber nur auf den CO2-Ausstoß und übersieht geflissentlich, dass das nicht die einzigen Emissionen sind, die ein Verbrennungsmotor ausstößt – auch mit E-Fuels. Wenn dann auch noch nicht regenerative Stromquellen für die Erzeugung von E-Fuels genutzt werden, schaut die Umweltbilanz gleich noch viel schlechter aus. Ganz zu schweigen davon, dass Verbrennungsmotoren zur Not auch über 2035 hinaus mit fossilen Brennstoffen betrieben werden könnten – auf die Idee könnte man kommen, wenn es zu wenig E-Fuels gibt und/oder die zu teuer sind. Und das werden sie aus heutiger Sicht sein.

Die Verwendung fossiler Treibstoffe ist also – auch wenn wir die Bestandsfahrzeuge noch einmal aus der Betrachtung rausnehmen – wahrscheinlicher, als dass Österreich sich von seiner Eigendefinition als "Autoland" trennt und Vorreiter von Zukunftstechnologien wird. Die werden wir eben wieder wo einkaufen müssen und uns so abhängig machen. (Guido Gluschitsch, 27.3.2023)