Ewig die gleichen Diskussionen. Wer mach was, wie viel – und ist das fair?

Foto: Getty Images

Gleichberechtigung ist heute ein wichtiger Wert in unserer Gesellschaft. Für viele Paare scheint es selbstverständlich, gemeinsam für Hausarbeit, Kinderbetreuung und Einkommen zu sorgen. Dass dies aber in sehr vielen Fällen nicht klappt, hat erst die Corona-Krise wieder deutlich gezeigt. Die Autorin Susanne Kaiser schreibt in ihrem neuen Buch dazu, dass es hinsichtlich Gleichberechtigung zwar einerseits einen sehr fortschrittlichen öffentlichen Diskurs gibt, es andererseits im privaten Umfeld oft ganz anders aussieht – und dies heute tabuisiert werde.

In unserem aktuellen Teil der feministischen Gewissensfrage haben wir Leserinnen und Leser gefragt, ob sich der eigene Anspruch, eine gleichberechtigte Beziehung mit fairer Arbeitsteilung zu führen, im Laufe der Jahre verflüchtigt hat, während man den Eindruck hat, dass es andere Paare sehr wohl hinbekommen.

Barbara Schrammel vom Verein Frauen beraten Frauen kann bestätigen, dass die Scham, Gleichberechtigung im privaten Bereich nicht hinzubekommen, zugenommen hat. In ihren Workshops zum Thema Mental Load und gleichberechtigte Elternschaft beobachtet sie immer wieder, dass Frauen oft erleichtert sind, wenn sie sehen, dass es anderen ähnlich geht. "Viele Frauen, die gut ausgebildet sind, eine Karriere haben und denen Gleichstellung wirklich ein Anliegen ist, tappen in diese Falle", erzählt sie. Mit "Falle" meint Schrammel den Glauben, dass das ein individuelles Versagen ist und dass man selber von kulturellen Rollenvorstellungen eigentlich schon befreit sei. Doch wenn sich dann im Alltag – vor allem, sobald Kinder da sind – zeigt, dass man auch als "cooles, gebildetes Paar" ein patriarchales Muster lebt, ist das ein Tabu, sagt Schrammel.

"Man hat immer das Gefühl, man müsste nur besser organisiert sein, müsste sich mehr anstrengen – oder man kritisiert den Partner dafür, dass er nicht so gleichberechtigt ist", so die Psychotherapeutin und Familienberaterin.

Dass das Privatsache ist, kann Schrammel nicht unterschreiben. Jede Rolle habe einen kulturellen Kern, der über Generationen weitergegeben wird, etwa durch Rollenerwartungen – und diesen Kern umgibt "wie eine Zwiebel" ein individueller Spielraum. Möglichkeiten, diesen Spielraum zu nützen, beginnen laut Schrammel mit einem Gespräch.

Wenn Frauen lange in Karenz sind, sind sie sehr auf die Bedürfnisse des Kindes fokussiert – und vergessen darüber leicht die eigenen Wünsche. Schrammel: "Man spürt gar nicht, was man selber braucht oder dass man mit der Aufteilung nicht zufrieden ist." In Österreich gehen Väter kaum in Karenz – und wenn, nur kurz. Bei acht von zehn Paaren geht der Mann weder in Karenz noch bezieht er Kinderbetreuungsgeld.

So verfestigt sich oft eine bestimmte und auch unfaire Verteilung der Arbeit. Doch auch Frauen müssten lernen loszulassen, sagt Schrammel. Auch sie könnten freilich nicht alles, was mit Kinderbetreuung zu tun hat, qua Geburt, sondern auch nur durch Übung. Wenn in einem Prozess der Neuverteilung der unbezahlten Sorgearbeit der Vater einmal etwas nicht so macht, wie es sie machen würden, müsste man das dann auch einmal aushalten.

Allerdings sind es auch Mütter, die viel schneller verurteilt werden, wenn das Kind mit schmutziger Kleidung in den Kindergarten kommt – und Mütter nehmen sich solcherart Kritik auch oft mehr zu Herzen, sagt Schrammel. "Diese verinnerlichten kulturellen Rollenbilder sind ein Problem – und beide müssen diese Bilder reflektieren und verändern."

Auch Barbara Schrammel rät, es konkret mit Listen anzugehen. Mental-Load-Listen und Haushaltslisten helfen, sich bewusst zu machen, was alles zu erledigen ist. Und in einem nächsten Schritt soll es darum gehen, sich die Verantwortung für diese Aufgaben zu teilen. Und das heißt auch, nicht ständig den anderen erinnern zu müssen, ob dies oder jenes erledigt ist. (Beate Hausbichler, 29.3.2023)