Der Brunnenmarkt in Ottakring ist Gegenstand heftiger Kritik von Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer. Der Markt "war einmal ein Wiener Wahrzeichen", sagte der türkise Politiker. "Heute ist alles anders."

Foto: Robert Newald

Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer hat in den vergangenen Monaten sichtbar Gefallen daran gefunden. Ob Josefstädter Straße, Brunnenmarkt oder Gumpendorfer Straße: Mahrer geht dorthin, wo er aus seiner Sicht Unsicherheitszonen, Kriminalitätshotspots und das Entstehen von No-Go-Areas festmacht oder den Verlust eines Wiener Wahrzeichens bekrittelt. Begleiten lässt sich Mahrer dabei von einer Kamera. Der nächste Teil kommt laut ÖVP noch diese Woche: Gedreht wurde in den vergangenen Tagen im Bezirk Favoriten mit Reumannplatz, Viktor-Adler-Markt oder Favoritenstraße.

Für öffentliche Aufregung sorgte aber erst das Video vom Brunnenmarkt. "Syrer, Afghanen, Araber haben die Macht über den Brunnenmarkt übernommen", sagt der türkise Landesparteichef in dem kurzen Clip, der vor zehn Tagen veröffentlicht wurde. Mahrer erwähnt in dem 55-Sekunden-Beitrag auch einen Syrer prominent, der fünf Stände am Markt habe. Der gehe laut Mahrer herum und sagt: "Ich nehme noch einen sechsten und noch einen siebten Stand. Ich zahle jeden Preis, ich habe genug Geld."

ÖVP gibt Namen des syrischen Unternehmers nicht bekannt

Nur: Dem Wiener Marktamt ist kein syrischer Unternehmer auf dem Markt in Ottakring bekannt, der so viele Stände "oder mehr" hat. Auch die Wiener ÖVP kann auf Anfrage den Namen des Unternehmers nicht nennen. "Dass es diesen Syrer gibt, wurde uns dort so erzählt", sagt Peter Sverak, der Kommunikationschef der Wiener Türkisen.

Zeit, diese Erzählungen zu überprüfen, hätte die ÖVP gehabt: Immerhin wurde das Video vom Brunnenmarkt mit Mahrer bereits im November 2022 gedreht, wie dem STANDARD bestätigt wurde. Damals wurde auch ein Clip mit Mahrer in der nahen Josefstädter Straße aufgezeichnet. Einen Faktencheck zum syrischen Unternehmer habe die Wiener ÖVP nicht durchgeführt, sagte Sverak.

Recherchen des STANDARD ergeben, dass es durchaus Unternehmer gibt, die mehrere Stände am Brunnenmarkt betreiben – was natürlich nicht verboten ist. Ein Standler betreibt sechs Stände: Dieser ist aber weder "Syrer, Afghaner oder Araber", sondern ein türkischstämmiger Unternehmer – der bereits seit dem Jahr 2002 am Brunnenmarkt vertreten ist.

Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer war bis 2018 Landespolizei-Vizepräsident in Wien.
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Rassismus-Vorwürfe gegen Mahrer "nicht zu akzeptieren"

"Nicht über problematische Orte reden, sondern auch hingehen", das sei die Devise bei der ÖVP. Die expliziten Rassismus-Vorwürfe etwa im "Falter" gegen Mahrer seien "nicht zu akzeptieren". Der ÖVP-Chef meinte selbst: "Ich werde mich als Politiker nicht durch das Schwingen der Rassismuskeule mundtot schlagen lassen."

Laut Sverak und Mahrer ist die fortschreitende Entwicklung entstehender No-Go-Zonen in Wien real. Als Beispiele für "das wachsende Phänomen von Brennpunkten in Wien" werden der Reumannplatz, der Keplerplatz, die U6-Station Josefstädter Straße oder "zahlreiche Straßenzüge in Rudolfsheim-Fünfhaus oder Ottakring" genannt.

In seiner Zeit als Polizist mit Führungsfunktionen wählte Mahrer noch weit bedächtigere Worte: Mahrer war Landespolizeikommandant für Wien (2009 bis 2012) und danach bis 2018 Landespolizei-Vizepräsident. Die Landespolizei Wien gab am Sonntag via Twitter bekannt: "Aus polizeilicher Sicht gibt es in unserem Zuständigkeitsbereich keine "No-Go-Areas".

Kurz-Intimus Steiner berät Mahrer

Für die neue Strategie mit den Videos zeichnet ÖVP-Wien-Kommunikationschef Sverak verantwortlich, wie er dem STANDARD sagte. Beraten wird Mahrer neuerdings hinter den Kulissen aber auch von Stefan Steiner, dem einstigen Chefberater von Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Der "Kurier" berichtete zuerst darüber.

Steiner sei seit wenigen Wochen als externer Berater in strategischer Kommunikation für die Wiener ÖVP tätig, sagt Sverak. Die Arbeit für die Wiener Türkisen sei aber nicht mit der Ära Kurz zu vergleichen, wo Steiner im Hintergrund als Mastermind werkte: Steiner sei nur "für eine geringe Anzahl von Stunden im einstelligen Bereich pro Woche" für die Wiener Landespartei im Einsatz. (David Krutzler, 28.3.2023)