73 Bewerbungen, 9.000 neue Mitglieder und zwei unterschiedliche Meinungen, wie man mit dem G'riss um den SPÖ-Vorsitz nun umgehen soll. Sollen Hürden eingezogen werden, um den Zustrom auf den Chefsessel der Partei zu verkleinern? Geht das überhaupt, nachdem man die SPÖ bewusst öffnen und die Mitglieder einbinden wollte? Und braucht es womöglich eine Stichwahl? Die führenden Genossinnen und Genossen wirken auf diese Fragen seit Tagen alles andere als vorbereitet.

Tirols oberster Sozialdemokrat, Georg Dornauer, hielt seine Verärgerung darüber vor den roten Gremien erst gar nicht mehr zurück. Er habe vor den Ungereimtheiten rund um die bevorstehende Mitgliederbefragung gewarnt, monierte er sinngemäß. Nun müsse man eben retten, was zu retten sei. Die SPÖ dürfe sich nicht in den "Eindruck der Lächerlichkeit manövrieren".

Nach der Gremiensitzung lädt die SPÖ zur Pressekonferenz.
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Recht locker legte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch vor Journalistinnen und Journalisten so nebenbei die Regeln fest, die aus seiner Sicht gelten sollten. Laut Deutsch ist das Ergebnis der Befragung zunächst einmal nicht bindend. Es sei bloß ein "Meinungsbild", wie er es nannte. Auch eine Stichwahl soll es nicht geben. Die Entscheidung dürfte somit auf dem Sonderparteitag am 3. Juni fallen.

Nachträgliche Hürden – etwa in Form von Unterschriften, die Mitglieder vor ihrer Kandidatur sammeln müssen – soll es nicht geben. Oberösterreichs Landesparteichef Michael Lindner forderte etwa vor der Gremiensitzung einige wenige Hundert Unterstützungserklärungen für eine tatsächliche Kandidatur. Auch Dornauer drängt darauf, das Kandidatenfeld zu verkleinern. Vermutlich haben auch die burgenländischen Sozialdemokraten rund um Hans Peter Doskozil keine Freude mit den 73 Kandidaturen. Doskozil und sein Team wollten sich schließlich nur mit der amtierenden Parteichefin Pamela Rendi-Wagner duellieren.

Statt "unseriöser" Hürden soll aus Deutschs Sicht nun ein Fragebogen her, "wo wir Daten erheben, wie das bei einer Bewerbung üblich ist" – mit Frist bis Freitag. "Es ist, glaube ich, etwas sehr Selbstverständliches, dass man von denen, die sich bewerben, nicht nur Name, Adresse und Mail-Adresse hat, sondern auch ein Foto und eine kurze Vorstellung. Wir wollen das auch auf der Webseite darstellen."

Deutsch geht davon aus, dass nach der Überprüfung der Kandidaturen nicht alle 73 Bewerberinnen und Bewerber übrig bleiben werden. Ein "großes Feld" soll es dennoch bleiben. Ob Deutschs Ausführungen auch tatsächlich beschlossen werden, hängt noch vom Sanktus des roten Parteivorstands ab. Dieser bespricht sich seit 13 Uhr. Ob alle roten Bundesländer mit Deutschs Regelwerk zufrieden sein werden, ist fraglich. (Jan Michael Marchart, 27.3.2023)