Massereiche Sonden auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigen – das erhoffen sich Forschende vom neuen Antriebskonzept.

Foto: Nasa/red

Raumfahrt ist eine zeitraubende Angelegenheit. Zum Mond ist es über eine Woche, für einen Flug zum Mars muss man mehrere Monate einplanen, und will man ins interstellare Medium vordringen, dann dauert die Reise 35 Jahre. So lange hat die US-Sonde Voyager 1 gebraucht, um die Grenzen des solaren Einflussbereichs (Heliopause) hinter sich zu lassen.

Doch die Beschleunigung der menschlichen Mobilität macht auch vor dem Weltraum nicht halt. Forschende tüfteln an zahlreichen neuen Antriebskonzepten, einige könnten sich für die Zukunft der Raumfahrt als wegweisend entpuppen. Vielleicht fällt ein nun von der US-Raumfahrtbehörde Nasa präsentierter Entwurf in diese Kategorie.

Fünf Jahre statt 35 Jahre

Das Konzept des sogenannten Pellet-Beam-Antriebs sollte es ermöglichen, große Massen in kurzer Zeit über weite Strecken zu transportieren. Für den Flug zur Heliopause würde ein solches Raumschiff dann nicht 35, sondern weniger als fünf Jahre benötigen, rechnet ein Team um Artur Davoyan von der University of California, Los Angeles, vor.

Die Nasa hat die Idee vom "Pellet-Beam"-Antrieb als verfolgenswert beurteilt und dem Projekt nun 175.000 US-Dollar für die Weiterentwicklung zugestanden. Aktuell existiert der Antrieb zwar nur auf dem Papier, doch die Idee von schnellen Reisen zum Rand des Sonnensystems klingt verführerisch. "Unser Vorschlag untersucht eine Antriebsarchitektur für den schnellen Transport schwerer Nutzlasten (eine Tonne und mehr) durch das Sonnensystem und in das interstellare Medium", formuliert Davoyan die erhofften Leistungen der Antriebsmethode.

Voyager 1 hat 2012 die Heliosphäre verlassen, jene Region also, die unser Zentralgestirn mit seinem Sonnenwind erreicht. Ihre Reise bis dorthin hat 35 Jahre gedauert. Mit dem theoretischen "Pellet-Beam"-Antrieb soll das deutlich schneller gehen.
Illustr.: NASA/Ames Research Center

In 20 Jahren zum nächsten Stern

Inspiriert wurde das Konzept teilweise von der Breakthrough-Starshot-Initiative. Bei diesem Projekt sollen wenige Zentimeter kleine Sonden mit riesigen Sonnensegeln von leistungsstarken Laserstrahlen von der Erde aus angestrahlt und beschleunigt werden. Dieser Lichtdruck könnte eine solche Sonde in 20 Jahren zum nächsten Sternsystem Proxima Centauri fliegen, so zumindest die Theorie.

Beim "Pellet-Beam"-Antrieb ist die Grundidee dieselbe – der Impuls kommt von außen und nicht von einem mitgeführten Treibstoff –, allerdings werden hier zwei Raumfahrzeuge benötigt: eines, das sich auf die Reise begibt, und ein zweites, das in der Erdumlaufbahn zurückbleibt.

Beschleunigte Pellets

Letzteres richtet einen Partikelstrahl, bestehend aus voneinander abgesetzten sogenannten Mikropellets, auf das interstellare Raumschiff. Starke Laserstrahlen verwandeln einen Teil der Pellets zu Plasma, das die Pellets weiter beschleunigt. Diese glühende Pelletkette könnte den Berechnungen zufolge 120 Kilometer pro Sekunde erreichen und so für einen enormen Bewegungsimpuls sorgen. Trifft der "Pellet-Beam" auf das Segel des interstellaren Raumschiffs oder wird er von starken Magneten an Bord eines solchen Schiffes abgestoßen, ließen sich hohe Geschwindigkeiten erreichen, so das Forschungsteam.

Das Forschungsteam erhofft sich viel vom "Pellet-Beam"-Antrieb. Nun soll eine Machbarkeitsstudie folgen.
Illustr.: Artur Davoyan

"Mit dem Pellet-Beam können die äußeren Planeten in weniger als einem Jahr erreicht werden. In drei Jahren könnte man damit 100 Astronomische Einheit (AE, also die Durchschnittsdistanz zwischen Erde und Sonne, Anm.) und in etwa 15 Jahren 500 AE zurücklegen", ist Davoyan überzeugt. Der Vorteil dieser Methode gegenüber einem reinen Laserantrieb wäre die Energieersparnis, schreibt das Team. Beim Pellet-Ansatz würden Laser vergleichsweise geringer Leistung ausreichen, ein 10-Megawatt-Laserstrahl würde demnach genügen.

Tauglichkeitsuntersuchung

"Im Gegensatz zu einem Laserstrahl streuen die Pellets nicht so stark, was es uns ermöglicht, auch ein schwereres Raumfahrzeug zu beschleunigen", sagt Davoyan. "Da die Pellets viel schwerer sind als Photonen, können sie auch mehr Impuls auf ein Raumfahrzeug übertragen."

Nachdem es das Projekt als eines von 14 in die Phase I des NIAC-Verfahrens (Innovative and Advanced Concepts) der Nasa geschafft hat, wollen sich die Forschenden im nächste Schritt anhand von Experimenten und Berechnungen mit der Realisierbarkeit der Methode auseinandersetzen. "In Phase I wollen wir die Machbarkeit des vorgeschlagenen Antriebskonzepts durch eine detaillierte Modellierung verschiedener Teilsysteme nachweisen", sagt Davoyan. (Thomas Bergmayr, 28.3.2023)