Adis Jasic vom WAC will für Bosnien-Herzegowina spielen.

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Paul Wanner, bei Bayern unter Vertrag, tendiert zum DFB-Team.

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Der Ex-Rapidler Robert Ljubicic kickt nun für Dinamo Zagreb – und für Kroatien.

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Peter Schöttel, der Sportdirektor des Österreichischen FußballBunds (ÖFB), ist auf gut Wienerisch angefressen. Die Entscheidung des WAC-Verteidigers Adis Jasic, künftig für Bosnien-Herzegowina statt für Österreich zu spielen, ist der nächste Rückschlag in einem immer heftigeren Gerangel um eine Reihe großer Talente, die wegen ihrer und/oder der Herkunft ihrer Eltern über mehrere Optionen verfügen. Der 20-Jährige hat seit der Altersklasse U16 alle ÖFB-Nachwuchsauswahlen durchlaufen, hat auch als HSZ-Sportler beim Bundesheer gedient, das somit freilich eher ihm gedient hat. Für Schöttel bleibt vor allem auch deshalb ein "fahler Beigeschmack".

Jasic hatte dem ÖFB seinen Entschluss erst nach der Einberufung ins U21-Team vor zwei Wochen über einen seiner Berater mitgeteilt. "Bei allem Verständnis dafür, dass man für das Land seiner Eltern spielen will: Das kann man auch anders machen", sagte Schöttel vor Österreichs Länderspiel gegen Estland am Montag der Austria Presse Agentur (APA). Im Herbst habe ihn ein anderer Berater informiert, dass sich Jasic mit dem Gedanken eines Nationenwechsels trage. Der Spieler sei "ungeduldig", hieß es damals, das Management wollte aber noch auf ihn einwirken und ihn überzeugen, auch weiterhin für Österreich zu spielen.

Nicht mit offenen Karten

Laut Schöttel wäre Jasic bereits im vergangenen November für den Perspektivspieler-Lehrgang von A-Teamchef Ralf Rangnick in Pula vorgesehen gewesen, er selbst habe den Jungkicker davon telefonisch unterrichtet. "Aber er war verletzt", sagte Schöttel. Danach habe Bosnien "versucht, es Jasic schmackhaft zu machen" – mit Erfolg.

Auch andere Verbände würden im Kampf um Talente im Gegensatz zum ÖFB nicht mit offenen Karten spielen. Damit spricht Schöttel den Deutschen Fußball-Bund (DFB) an, der nach dieser Lesart dem ÖFB den Deutsch-Österreicher Paul Wanner von Bayern München abtrünnig gemacht haben könnte. Wanner hatte sehr wohl am ÖFB-Lehrgang in Pula teilgenommen, der damals noch 16-Jährige wurde hernach von Teamchef Rangnick gelobt. "Technisch bringt er sehr viel mit. Das ist schon ein Spieler, der großes Potenzial hat."

Jasic wiederum galt als eine der größten heimischen Hoffnungen auf der Rechtsverteidigerposition. Der gebürtige Kärntner kann auch im Mittelfeld aufgeboten werden, für Österreichs Nachwuchs überzeugte er im Vorjahr bei der U19-EM, im Herbst debütierte er in der U21. "Ein guter Spieler mit Potenzial", sagte Schöttel der APA. Dennoch wolle man Spieler, bei denen ein Nationenwechsel im Raum stehe, bei Teamberufungen gegenüber anderen Akteuren, die in ihrer Entwicklung möglicherweise sogar weiter seien, nicht bevorzugen.

Vergeudeter Heeressportplatz

Mit dem Wiener Robert Ljubicic, der nun für Dinamo Zagreb spielt, hatte sich 2022 ein anderer Außenverteidiger mit Teampotenzial für Kroatien entschieden. Dazu hielt Rangnick bereits fest: "Das wirft unsere Ambitionen und die Stärke, die wir als Mannschaft haben, nicht zurück." Es werde sich zeigen, ob Ljubicic auf der Position bei Kroatien dann tatsächlich spiele. Laut Rangnick wäre es "bei uns eher möglich gewesen, Stammspieler zu sein. Aber das ist nachher sein Problem, nicht unseres."

Auch der Ex-Rapidler hatte zuvor für seinen Grundwehrdienst in Österreich einen Platz im Heeressportzentrum (HSZ) in Anspruch genommen. Die Reihung dafür obliegt dem ÖFB, Schöttel stehen laut eigenen Angaben nur zehn bis zwölf Plätze pro Jahr für Fußballer zur Verfügung. Jasic absolvierte seine Grundausbildung erst in diesem Winter, Schöttel sieht das System ausgenutzt. "Es geht darum, wie man verhindern kann, dass jemandem ein Platz weggenommen wird, der gerne für Österreich spielen würde", erklärte der Ex-Internationale. Er werde weiterhin um hoffnungsvolle Spieler kämpfen und "den Dialog mit allen suchen". (Fritz Neumann, 27.3.2023)