Alles wie gehabt: Das Kunsthistorische Museum war unter 14 Jahren Sabine Haag nicht gerade für Innovation bekannt. Derzeit wird ihre Nachfolge gesucht.

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Es gibt Schnitzer, die einem an der Spitze eines Bundesmuseums nach bald 14 Jahren nicht passieren sollten: Dazu gehört, in der Rede zur Eröffnung einer Ausstellung fast auf jenen "Mäzen" zu vergessen, der für ebendiese Schau eine höhere Summe als das eigene Jahressalär springen ließ. Mit einer hastigen Erwähnung im Nachspann kratzte die Generaldirektorin gerade noch einmal die Kurve. So geschehen zum feierlichen Auftakt der Baselitz-Birthday-Show im Kunsthistorischen Museum (KHM), für die Galerist Thaddaeus Ropac kolportierte 300.000 oder auch 400.000 Euro springen ließ. Am Ende der Ära von Sabine Haag wird es nur eine Anekdote gewesen sein, die aber durchaus ihr Selbstverständnis über die eigene Funktion und das ihrer Wirkstätte symbolisiert.

Ein von ihr für zuletzt rund 260.000 Euro Jahressalär eher verwaltetes als gestaltetes Imperium, für das der Staat jährlich zumindest 24 Millionen Euro überweist und notfalls auch noch mit Zuschüssen einspringt, wie zuletzt während der Pandemie (exklusive Kurzarbeitsprogramm) und nun mit Inflationsausgleich. Dazu ein kaufmännischer Geschäftsführer, der Haag in wirtschaftlichen Belangen weitestgehend den Rücken freihält. Das ergibt in Summe Rahmenbedingungen, von denen die internationale Kollegenschaft mehrheitlich nur träumen kann.

Mehr Bewerber aus dem Ausland

Insofern verwundert es nicht, dass sich für die ab Jänner 2025 zu besetzende Stelle der wissenschaftlichen Geschäftsführung mehr Kandidatinnen und Kandidaten aus dem Ausland als aus dem Inland beworben haben, 14 von insgesamt 20, wie aus dem Büro von Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer jüngst verlautbart wurde.

Abseits grundlegender Qualifikationen brächte eine internationale Bestellung vielleicht eher jene Dynamik, die diese Sammlung von Weltgeltung nicht nur ins 21. Jahrhundert hievt, sondern vor allem in der Wahrnehmung ihrer großen Bandbreite stärkt. Womit auch schon eine der "Baustellen" benannt ist, der sich die neue wissenschaftliche Leitung mit Verve widmen sollte: ein Programm für Wechselausstellungen, das auch die Vielfalt des Sammlungsbestandes spiegelt.

"Elf Sammlungen für alle europäischen kunst- und kulturhistorischen Epochen vom Mittelalter bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sowie Ägyptens, des Vorderen Orients und des griechisch-römischen Altertums", wie in der Ausschreibung jüngst betont wurde. Hinzu kommen acht "alle Kontinente umfassende Sammlungen des Weltmuseums" und sechs weitere des Theatermuseums ("von der Barockzeit bis in die Gegenwart").

Keule gegen Motivation

Kurz und gut ein Fundus, mit dem man aus dem Vollen schöpfen könnte. Konzepte und Ideen gab es von Sammlungsleitern und Kuratoren in den vergangenen Jahren immer wieder. Über manche wurde inhaltlich gar nicht erst diskutiert. Andere scheiterten an Haags Ansprüchen auf Wissenstransfer: eine Keule, die der Motivation in den Häusern nicht sonderlich zuträglich war.

Das Potenzial ist da, es müsste nur genutzt werden. Beispielsweise auch über mehr internationale Kooperationen, nicht nur über da und dort platzierte Leihgaben. Mit größeren Projekten mit inhaltlicher und finanzieller Beteiligung ausländischer Museumspartner stiege die internationale Aufmerksamkeit für den KHM-Museumsverband. Ein Aspekt, der sich durchaus positiv in den Besucherzahlen bemerkbar machen würde: jene Messgröße, auf die in der Kulturpolitik bekanntlich großer Wert gelegt wird.

International weit abgeschlagen

Mit mehr als 1,3 Millionen Besucherinnen und Besuchern führt der KHM-Verband die Statistik 2022 an. International relativiert sich dieser Wert allerdings, wie ein am Montag veröffentlichter Bericht von The Art Newspaper zeigt. Der Louvre (Paris) kommt vergleichsweise auf 7,7 Millionen, das Metropolitan Museum of Art auf 3,2 Millionen und die Eremitage in St. Petersburg auf 2,8 Millionen. Punkto Sammlungsbestand mag man in der gleichen Liga spielen, wenn es um das Generieren von Publikumsinteresse geht, hinkt Wien seit Jahren hinterher.

Das liegt nicht nur, aber auch an der in der Ära von Sabine Haag doch deutlich reduzierten Anzahl an Wechselausstellungen. Die räumliche Not für Sonderausstellungen war und ist ein Thema, hätte aber durchaus behoben werden können. Etwa über eine Bespielung der vor Jahrzehnten geschlossenen Sekundärgalerie im zweiten Obergeschoß.

Fehlende Strategie

Eine Revitalisierung wurde intern als zu kostspielig vom Tisch gewischt, nachdem es dafür keinen staatlichen Sonderzuschuss gab. Die Höhe der Ausgaben für die Renovierung samt konservatorisch relevanter Klimaanlagenjustierung war offiziell nicht in Erfahrung zu bringen. Dem Vernehmen nach soll es um vielleicht fünf, höchstens sieben Millionen Euro gehen. Ein Betrag, den man theoretisch über Drittmittel finanzieren hätte können. Praktisch aber scheiterte es wohl am Fehlen einer ambitionierten Strategie und Vision für die Zukunft.(Olga Kronsteiner, 28.3.2023)