Diese E-Fuel-Anlage wird derzeit in Graz gebaut. Entwickelt hat sie AVL in Kooperation mit der IFE-Investorengruppe. Sie soll noch dieses Jahr fertiggestellt werden und rund 100.000 Liter im Jahr erzeugen – den Großteil davon für die Luftfahrt.

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Eigentlich galt das Ende für neue Autos mit Verbrennungsmotor als besiegelt. Doch kurz bevor die Staaten das EU-Gesetz dazu final absegnen wollten, stieg Deutschland auf die Bremse. Das deutsche Verkehrsministerium forderte eine Ausnahme für den Einsatz von sogenannten E-Fuels, die in Verbrennungsmotoren getankt werden können. Wie sinnvoll es ist, den kostbaren Treibstoff im Straßenverkehr einzusetzen, wird seither hitzig debattiert.

Zunächst: Was sind E-Fuels genau?

E steht für Elektro, Fuel heißt Kraftstoff. E-Fuels sind also Kraftstoffe, die mit Strom hergestellt werden. In einem ersten Schritt wird dazu aus Wasser mittels Elektrolyse Wasserstoff gewonnen. Dazu wird erneuerbarer Strom genutzt, damit der Kraftstoff, der am Ende erzeugt wird, dann auch tatsächlich "sauber" ist. Grundsätzlich ist ein E-Fuel nur so grün wie der Strom, mit dem er erzeugt wird.

Im zweiten Schritt wird der Wasserstoff – unter normalem Druck und Temperatur ein Gas – mit CO2 zusammengebracht und verflüssigt. Diese Flüssigkeit kann dann, so wie Benzin, Diesel oder Kerosin, Autos, Schiffe oder Flugzeuge antreiben.

Aus gasförmigen Wasserstoff und CO2 wird ein flüssiger Kraftstoff gewonnen, der dann für den Antrieb genutzt werden kann.
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Günther Rupprechter, Leiter eines neuen sogenannten Exzellenzclusters an der TU Wien, der sich mit der Speicherung erneuerbarer Energie beschäftigt, bezeichnet E-Fuels als eine Art "chemische Batterie". Sie liefern eine Möglichkeit, Strom zu speichern und erst bei Bedarf zu nutzen. "E-Fuels können leicht transportiert werden und sind ein viel dichterer Energieträger als gasförmiger Wasserstoff", erklärt Rupprechter. Zur Energiespeicherung könne die Umwandlung von elektrischem Strom in ein E-Fuel also durchaus Sinn machen – vor allem, wenn damit fossile Treibstoffe von Flugzeugen oder Schiffen ersetzt werden sollen.

Produktion verbraucht viel erneuerbaren Strom

In Bereichen, die direkt elektrifiziert werden können – also etwa der PKW-Verkehr –, ist der Einsatz von E-Fuels wiederum weniger effizient. Denn für ihre Herstellung ist sehr viel Energie nötig.

Bei der Herstellung von Wasserstoff und E-Fuels geht viel Energie verloren.
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Mit Anlagen, die auf diesem Prinzip basieren, wird gerade an verschiedenen Standorten weltweit geforscht, auch in Österreich. So baut der Technologiekonzern AVL derzeit eine Pilotanlage in Graz. Sie soll noch dieses Jahr eröffnet werden und dann jährlich rund 100.000 Liter an E-Fuels produzieren.

Diese Kraftstoffe müssen allerdings je nach ihren Verwendungszweck angepasst werden. In der AVL-Anlage in Graz sollen rund 30.000 Liter als E-Diesel erzeugt werden. Sie sollen in schwer elektrifizierbaren Bereichen eingesetzt werden – etwa bei Pistenraupen, Booten oder Arbeitsmaschinen. Auch Versuche mit Pkws und Lkws sind geplant. Der Großteil des Kraftstoffes, der dort hergestellt wird, wird allerdings in synthetisches Kerosin umgewandelt und in der Luftfahrt eingesetzt.

Wertvoll und knapp

Die Produktion von E-Fuels steht mit vielen anderen Anwendungen im Wettbewerb, die Wasserstoff brauchen. Elektrolyseanlagen, Windräder und PV-Anlagen werden nicht ausreichend Kraftstoff für alle Bereiche produzieren können. "Es wäre absolut kontraproduktiv, E-Fuels in die Straßenmobilität zu bringen und deswegen Industrieanwendungen wie die Stahlerzeugung nicht zu dekarbonisieren", fasst Jürgen Rechberger, Leiter der Abteilung Hydrogen & Fuel Cell bei AVL in Österreich, zusammen.

"Selbst bei dramatischer Beschleunigung des Ausbaus und der Produktionskapazität von Elektrolyseanlagen werden bis 2035 keine signifikanten Mengen an E-Fuels zur Verfügung stehen", so Rechberger. Und selbst dann könnten maximal fünf bis zehn Prozent des Bedarfs an Benzin und Diesel abgedeckt werden, ergänzt er. Daher müsse weiter der absolute Fokus auf der Attraktivierung der Elektromobilität liegen. Der Markt für E-Fuels werde dennoch stark wachsen, weil sie in der Luft- und Schifffahrt konkurrenzlos sind – im Straßenverkehr könnten sie eine Lücke füllen, sagt Rechberger.

Die absehbare Produktion von E-Fuels wird nicht einmal ausreichen, um jene Bereiche zu dekarbonisieren, für die es sonst kaum Alternativen gibt.
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Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) berechnete dazu für Deutschland, welchen Anteil des Bedarfs im Transportbereich E-Fuels abdecken könnten. Der Vergleich veranschaulicht das Problem: Sämtliche bislang weltweit bis 2035 angekündigten Projekte reichen nicht einmal ansatzweise, um die Nachfrage in der deutschen Luft- und Schifffahrt sowie der Chemiebranche zu decken. Die Projekte müssten um ein Zehnfaches höher sein, um allein Deutschland mit ausreichend E-Fuels zu versorgen – sogar ohne den Straßenverkehr mitzurechnen. Für die weltweite Nachfrage ist das Angebot damit verschwindend gering.

Selbst für Fachleute sei es allerdings schwer, vorherzusagen, wie sich die verschiedenen Technologien weiterentwickeln werden, betont Rupprechter von der TU Wien. Dementsprechend sei es angebracht, mehrere Lösungsstrategien parallel zu erforschen. Die beste Lösung setze sich dann ohnehin durch, meint er. Mit E-Fuel-Kapazitäten, die ausreichen, den Pkw-Verkehr zu versorgen, sei allerdings kaum zu rechnen, so Rupprechter. "In den allermeisten Regionen wird es deutlich günstiger sein, mit Elektroautos zu fahren." (Alicia Prager, 28.3.2023)