Die vor allem auf Elektrizität ausgerichtete Energiewende braucht vor allem eines: Strominfrastruktur.

Foto: HO / APG / Niklas Stadler

Wien – Nach monatelangem Tauziehen wurde das Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP) geändert wird und beschleunigt werden soll, am 2. März beschlossen. Der Bundesrat gab seinen Sanktus zwei Wochen später, am 16. März. Dann folgten die Unterschriften von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Karl Nehammer.

Allen gemeinsam ist: Keiner der in die Gesetzwerdung Involvierten – ob Personen, Parteien, Kammern, legistischen Dienste und Ministerium – fiel auf, dass in der mit Paragrafen und Ziffern gespickten Gesetznovelle ein kleiner Fallstrick eingebaut war. Unter §46 (Seite 7 des zwölfseitigen Bundesgesetzblattes findet sich ein Schmankerl, das nicht nur Juristen erheitert: Die neu gefassten oder eingefügten Bestimmungen treten mit XX. Monat 20XX in Kraft, heißt es wörtlich, ehe angeführt wird, dass die Novelle auf Windkraft- und andere Anlagen, deren UVP-Verfahren bereits vor Inkrafttreten dieser Novelle eingeleitet wurde, nicht anzuwenden ist.

Ab wann gilt das Gesetz?

Gilt dieses – nicht nur aufgrund der nun möglichen Eingriffe in die Hoheitsrechte, Kompetenzen und Zuständigkeiten der Gemeinden – umstrittene UVP-Gesetz nun trotzdem, und wenn ja, ab wann? Ja, sagt der emeritierte Verfassungsrechtsprofessor Heinz Mayer. Die Rechtslage sei nicht zweifelhaft, denn der Gesetzgeber habe augenscheinlich keine Legisvakanz festgelegt. "In Ermangelung eines anderen Datums gilt dieses Gesetz gemäß Bundesverfassung mit Ablauf des Tages der Kundmachung", sagt Mayer im Gespräch mit dem STANDARD.

Dass eher keine Verzögerung des Inkrafttretens, eine sogenannte Legisvakanz, geplant war, lässt sich auch daraus schließen, dass das Klimaschutzministerium eine eigene Information an UVP-Behörden und Verwaltungsgerichte verschickt hat, in der sowohl das Datum der Kundmachung (22. März 2023) als auch des Inkrafttretens (23. März 2023) der Änderungen im UVP-Gesetz-2000 angeführt sind.

Beipacktext für Behörden und Gerichte

Dieser Beipackzettel liegt dem STANDARD vor. Er ist mit 23 Seiten doch recht umfangreich ausgefallen. Darin werden Bestimmungen zu Verfahrenseffizienz und Energiewende aufgelistet und erklärt. Letztere umfassen Vorhaben der Energiewirtschaft, also Rohrleitungen, Starkstromfreileitungen und Tiefenbohrungen sowie der Wasserwirtschaft (einschließlich Pumpspeicherkraftwerken), Rodungen und Trassenaufhiebe, Wasserwirtschaft (sofern Energie aus Biomasse, Deponiegas, Klärgas, Biogas oder erneuerbarem Gas umfassen) und brennbare Gase in Behältern.

Nicht zu vergessen: Projekte des Eisenbahnausbaus sind neuerdings auch auf Vorrangstraßen unterwegs. Sie waren zwar bereits bisher mit dem öffentlichen Interesse begründet und bisweilen gegen verkehrswirtschaftliche Zweckmäßigkeit durchgeboxt worden, neuerdings genießen aber auch diese Großprojekte die Privilegien der Erneuerbare-Energie-Wende. Planung, Bau und Betrieb von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien (somit Netzanschluss, Netzbau und Speicheranlagen) liegen im bevorzugten öffentlichen Interesse und sind gemäß EU-Verordnung bis Mitte 2024 überhaupt bevorzugt und beschleunigt zu genehmigen.

Hürden für Beschwerden

Mit Paragraf 17a kommt ein heikler Passus ins UVP-Gesetz: Bei Vorhaben der Energiewende haben Behörden die aufschiebende Wirkung "für nicht hinreichend substanziierte Beschwerden auszuschließen". Die UVP-Behörde entscheidet über einen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung bereits vor Vorlage der Beschwerde gegen einen Genehmigungs- oder Änderungsbescheid – und zwar mittels Bescheid. (Luise Ungerboeck, 28.3.2023)