Neukreditvergaben für Immobilien nahmen zuletzt deutlich ab. Für Bankenvertreter sind die strengen Vergabekriterien damit überflüssig.

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Was des einen Freud, ist des anderen Leid. Das weiß auch Johannes Turner, Direktor der Hauptabteilung Statistik der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Der Grund: Seit die Europäische Zentralbank (EZB) im Zuge der Teuerung mit der Nullzinspolitik gebrochen hat, ziehen die Zinsen ordentlich an. Der Leitzins liegt bei nunmehr 3,5 Prozent.

Für Sparer ist das ein vorsichtiger Grund zur Freude. Die Zinsen für Bankeinlagen im Neugeschäft liegen laut Zahlen der OeNB im Schnitt bei immerhin 2,03 Prozent. "Es ist Bewegung in die Zinslandschaft gekommen", verweist Turner auf eine verstärkte Nachfrage, etwa bei Bausparern.

Nicht übersehen dürfe man, dass es sich um Nominalwerte handle – abzüglich der Inflation von elf Prozent im Februar bleibt letztlich ein satter Realverlust.

Monatliche Zinsbelastung verdoppelt

Noch weniger erfreulich sind die steigenden Zinsen für Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer. "Die monatliche Zinsbelastung der Haushalte und auch der Unternehmen hat sich innerhalb eines Jahres etwa verdoppelt", verweist OeNB-Vizegouverneur Gottfried Haber auf die Kehrseite der Medaille.

So kletterten die Kreditzinssätze im Neugeschäft auf durchschnittlich 3,95 Prozent. Die Auswirkungen zeigen sich vor allem bei Neukreditvergaben für Immobilien und Grundstücke. Demnach ging die Nachfrage im zweiten Halbjahr 2022 im Halbjahresvergleich um 41 Prozent zurück.

Strenge Immo-Kredit-Vergaben hinfällig?

Der Chef der Volksbanken, Gerald Fleischmann, berichtete jüngst gar von einem 50-prozentigen Rückgang. Ihm zufolge seien die strengeren Vergabekriterien für Immobilienkredite, die seit vergangenem August gelten, damit hinfällig.

Die Finanzmarktaufsicht (FMA) sieht das anders. Pressesprecher Klaus Grubelnig verweist auf STANDARD-Anfrage darauf, dass die sogenannte KIM-Verordnung lediglich bestehende Empfehlungen rechtlich durchsetze.

Die Banken hätten sich immer weniger an die empfohlenen Vergabekriterien gehalten, die Verordnung wirke damit "einer weiteren Erodierung der Vergabestandards entgegen". Letztendlich gehe es um die tatsächliche Leistbarkeit des Kredits.

AK begrüßt Eckpunkte der Verordnung

Ähnlich sieht es auch die Arbeiterkammer. "Die Banken haben strenge Vergaberichtlinien von selbst herbeigeführt", sagt Christian Prantner, AK-Experte für Finanzdienstleistungen. Der Boom bei Hypothekarkrediten in der Niedrigzinsphase habe zu enormem Wettbewerb geführt, der zu einer laschen Vergabe von Krediten geführt habe. Vor allem was das Verhältnis von Kreditrate zum Einkommen anbelangt.

Insofern sei die Verordnung für Immo-Kredite zu begrüßen. Schließlich sei es auch aus Kreditnehmersicht sinnvoll, die Eckpunkte einzuhalten. Eine Kreditrate, die Puffer für Zinserhöhungen zulässt, ausreichend Eigenmittel und die Vermeidung von "überlangen Laufzeiten" seien letztlich auch Präventionsmaßnahmen einer möglichen Überschuldung.

"Vielleicht sollte man in periodischen Abständen aber abwägen, ob die Vorgaben auch praktikabel sind oder nicht", gibt Prantner zu bedenken. Auf der einen Seite stünde die Überschuldungsprävention, auf der anderen die Möglichkeit, an "frisches Geld" zu kommen.

Empfindliche Mehrkosten für Unternehmen

Es sind aber nicht nur Neugeschäfte, die Banken und Haushalten zu schaffen machen. Schließlich ist rund die Hälfte des gesamten Kreditvolumens variabel verzinst. "Das bedeutet, dass in Zeiten steigender Zinssätze diese variabel verzinsten Finanzierungen auch teurer werden", erklärt OeNB-Vize Haber.

Das gelte für Unternehmen, deren monatliche Zinsbelastung sich im Jänner 2023 im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 528 Millionen Euro mehr als verdoppelt hat.

Genauso gilt es aber auch für private Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer, die nun mit empfindlichen Mehrkosten konfrontiert sind. Satte 284 Millionen Euro an aufzuwendenden Zinszahlungen weisen Berechnungen der OeNB für Jänner 2023 aus. Zum Vergleich: Anfang 2022 lag die Zinsbelastung noch bei 148 Millionen Euro.

Auf Privatinsolvenzen dürfte sich das noch nicht auswirken, heißt es Anfrage beim Kreditschutzverband KSV1870. "Privatinsolvenzen bauen sich über mehrere Jahre auf", erklärt Insolvenzleiter Karl-Heinz Götze. Als möglich erachtet er es aber, dass die erhöhten Zinsen bei manchen "das Fass zum Überlaufen bringen" könnten. (Nicolas Dworak, 28.3.2023)