Es gibt keinen Planeten B" lautet ein gängiger Spruch auf Plakaten bei Klimastreiks. Dabei klingt es so reizvoll: ein Neustart auf einem anderen Planeten statt Klimakrise. Aber der Weltraum bietet nicht nur Platz für Fluchtgedanken, sondern auch für mögliche Lösungsansätze. Ein "Betriebssystem für einen nachhaltigen Planeten" schwebt Christian Fuchs von der Abteilung für Weltraumangelegenheiten im Klimaschutzministerium (BMK) vor, denn: "Nur vom Weltraum aus kann man die Erde als Ganze im Blick behalten."

Wie viele Photovoltaikdächer gibt es in meiner Nachbarschaft? Wie viel Strom könnten Paneele auf meinem Haus produzieren? Wie viel ein Windrad in der eigenen Gemeinde? Und welche Hausdächer müsste man begrünen, um die Stadt möglichst effektiv zu kühlen? All das können Interessierte seit kurzem in einem frei zugänglichen Onlinetool herausfinden.

Hinter dem Demonstrator der sogenannten Green Transitions Informations Factory, kurz GTIF, steht federführend die European Space Agency (Esa). Ungefähr 1,5 Millionen Euro habe die Esa bisher in diese GTIF investiert, sagt Patrick Griffiths von der Esa zum STANDARD.

Satellitenbilder können wertvolle Daten für die Klimawende liefern.
Foto: ESA/ATG medialab

Der Blick aus dem Weltraum

Der Demonstrator des GTIF für Österreich ist europaweit der erste seiner Art. Anfang März wurde er im BMK einer Runde von rund 100 Interessierten vorgestellt. Das Treffen war der erste Praxistest mit potenziellen Nutzenden, die bisher keine "Weltraum-Stakeholder" sind, sagt Fuchs. Die Anwesenden aus dem Energie-, Mobilitäts-, Kreislaufwirtschafts- und Städteplanungssektor wurden gefragt, was sie sich von dem Tool eigentlich erwarten. Damit sollte der Bedarf abgeklärt, aber auch Neugierde geweckt werden.

"Erdbeobachtung ist noch sehr stark von öffentlichen Aufträgen und Interessen abhängig", so Christian Briese, Geschäftsführer des Earth Observation Data Centre for Water Resources Monitoring (EODC). Die Aufmerksamkeit der Privatwirtschaft beginnt aber zu wachsen. Von staatlicher Seite werden hoheitliche Aufgaben erfüllt wie etwa der Katastrophen- und Überflutungsschutz. Zuletzt war man beispielsweise an der Entwicklung eines globalen Überflutungsmonitoringsystems beteiligt. Das EODC fungiert laut Christian Briese als Datenprovider "die Verbindungsstelle zwischen Satelliten und Applikationen".

Primär arbeitet das Unternehmen mit dem Erdbeobachtungsprogramm Copernicus und speichert die Daten, die von dessen Satelliten stammen. Genutzt und ausgewertet werde bisher zumeist nur ein Bruchteil. "Ich denke, das Potenzial von aktuellen, aber gerade auch von historischen Daten wird noch nicht ganz ausgenutzt", sagt Briese.

Das neue Webtool ist öffentlich zugänglich.
Foto: ESA/Screenshot

Satelliten überprüfen Abkommen

"Das Klimathema ist noch nicht das bestimmende Element", sagt auch Christian Hoffmann, Gründer des Tiroler Erdbeobachtungsunternehmens Geoville, selbst wenn das Interesse am Klimamonitoring "sehr stark im Steigen begriffen" sei. Seit 25 Jahren ist Geoville in der Branche aktiv, neben Europa vor allem auch in Afrika. Gefragt sind außerhalb Europas insbesondere Landwirtschafts- und Wassermanagement, sagt Hoffmann.

Auch für die Klimawissenschaft ist die Erderkundung ein bestimmendes Element. "Viele Erkenntnisse, die wir heute vom Klimawandel haben, kommen aus der Fernerkundung", sagt der Klima- und Fernerkundungsexperte Wouter Dorigo von der TU Wien. So könne etwa der Fortschritt internationaler Abkommen objektiv überwacht werden.

Dorigo beforscht den globalen Wasserkreislauf und analysiert unter anderem, wie aus Satellitenaufnahmen Rückschlüsse zur Bodenfeuchte getätigt werden können. Dabei geht es auch um die Prävention vor Extremsituationen wie Dürrevorhersagen. Die Waldbrand- und Überflutungsprävention und das Monitoring der CO2-Aufnahme durch Pflanzen und ganze Wälder sind ebenfalls Teil seiner Forschung. Grundsätzlich sieht er noch "extrem viel Potenzial" in Luft- und Satellitenbildern.

Aber: "Die Brücke zwischen Forschung und Menschen, die das betreiben, zu schlagen ist nicht immer einfach", so Dorigo. Bisher ist die Community hierzulande klein. "Die Skalierung hat dann insofern ihre Grenzen, wenn es an Personal in diesen Bereichen mangelt", so Briese vom EODC. Die Sparte müsste bekannter werden, damit Menschen sie schon bei der Berufswahl mitdenken.

Hoffmann von Geoville plädiert zudem dafür, die Zuwanderung von hochqualifizierten Fachkräften weniger bürokratisch und hürdenreich aufzubauen. Wie diese Herausforderungen zukünftig angegangen werden, bleibt abzuwarten. Grundsätzlich sind die Pläne ambitioniert: "Vergleichbar mit der IT heute, wird der Weltraum ein wichtiger Wirtschaftssektor der Zukunft, wo wir Vorreiter sein möchten", sagt Fuchs vom BMK im Hinblick auf Österreichs Weltraumstrategie. (Jasmin Spreer, 19.4.2023)