Die Robot World Cup Initiative will 2050 gegen den amtierenden Fußballweltmeister antreten – mit Robotern.

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Es ist der 20. Juli 2062, in der Elon-Musk-Arena in Los Angeles steigt das WM-Finale zwischen den USA und China in der International Football Association, dem nach der Auflösung der Fifa größten Weltverband. Das vollklimatisierte und solarbetriebene Stadion ist bis auf den letzten Platz gefüllt, acht Milliarden Menschen sitzen weltweit vor den Bildschirmen, 100 Millionen Bezahlkunden verfolgen die Partie auf ihren VR-Brillen als immersives Live-Erlebnis.

Unter den Trikots tragen die Spieler eine Weste, die physiologische Daten erfasst und an die faltbaren Tablets auf die Trainerbank sendet. Es läuft die 90. Minute, China führt nach einem intensiven Spiel knapp mit 1:0. Der US-Assistenztrainer sieht auf seinem Tablet, dass die Laufleistung seiner Spieler in den letzten Minuten dramatisch abgenommen hat – und signalisiert einen Wechsel. Der Chefcoach zieht sein letztes Ass aus dem Ärmel: Robolinho.

Der Fußballroboter, der von einem Start-up im Silicon Valley entwickelt wurde, ist mit Kameras und Sensoren ausgestattet und hat einen Profi bereits im Elfmeterduell besiegt. Seit der letzten Regeländerung der International Football Association dürfen zweimal pro Spiel Roboter für Standardsituationen eingewechselt werden. Der US-Coach initialisiert auf seinem Tablet den Roboter. Heimspiel für Robolinho.

Roboter gegen Weltmeister

Der Androide betritt unter dem tosenden Jubel der Zuschauer den Platz und trottet mit seinen ungelenken Beinen zur Eckfahne. Die Kameraaugen screenen das Spielfeld, die KI berechnet die wahrscheinlichen Laufwege. Robolinho nimmt Maß und zirkelt den Ball in den Strafraum. Dort schraubt sich Abwehrchef Mike Swain zum Kopfball hoch und wuchtet den Ball in die Maschen. 1:1, die Fans flippen aus, die USA sind wieder im Spiel.

Noch spielen Roboter vor allem gegen ihresgleichen – wie hier beim Robocup 2022 in Bangkok, Thailand.
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Sieht so die Zukunft des Fußballs aus? Allzu weit hergeholt ist diese Vision nicht. Mit der "RoboCup"-WM gibt es bereits einen seit 1997 ausgetragenen Wettbewerb, bei dem Roboterfußballteams aus verschiedenen Kontinenten gegeneinander antreten.

VR-Brillen am Spielfeld

Die Tipp Kick-artigen Kreaturen staksen zwar noch etwas behäbig und grobmotorisch über den Kunstrasen und spielen wie in Zeitlupe. Doch mit einer verbesserten Datenverarbeitung, Sensorik und Motorik ließe sich das Spiel optimieren. Die Robot World Cup Initiative hat die Losung ausgegeben, 2050 gegen den amtierenden Fußballweltmeister anzutreten.

Auch im Basketball schreitet die Robotik voran. So hat Toyota einen Roboter konstruiert, der mit einem beweglichen Greifarm Bälle von der Dreipunktelinie in den Korb wirft. In der American-Football-Liga NFL wird bereits der Einsatz von Augmented-Reality-Brillen diskutiert, die Spielern über ihrem Sichtfeld mögliche Laufwege oder Passgeber anzeigen.

Guinness World Records

Trikots und Schals als NFTs

Die NFL war schon immer Vorreiterin in der Technologie und Vermarktung des Sports. Mit erweiterter Realität könnten sich Zusehende im Stadion Live-Informationen über Spieler wie Zweikampfquoten oder Torschüsse auf ihrer Datenbrille einblenden lassen, mit virtueller Realität sogar in die Spielerkabine eintauchen, um hinter die Kulissen zu blicken.

Auch das Metaverse bietet neue Vermarktungsmöglichkeiten. In der digitalen Parallelwelt haben Klubs wie der FC Liverpool virtuelle Shops eröffnet, wo Fans Trikots und Schals als NFTs erwerben können, mit denen sich Avatare schmücken lassen. Stars wie Ariana Grande und Justin Bieber haben im Metaverse bereits Konzerte gegeben. Warum nicht auch exklusive Events wie Autogrammstunden?

Stadionarchitektur kaum verändert

Die Avatare von Cristiano Ronaldo und Lionel Messi wirken in Computerspielen bereits so realistisch, dass man die Simulation von der Realität kaum unterscheiden kann. So sehr sich der Fußball in den vergangenen Jahren in seiner Athletik und Vermarktung gewandelt hat, so beständig ist der kulturelle Kontext des Spektakels geblieben.

Wer einmal das Kolosseum in Rom besucht hat, wird mit Erstaunen festgestellt haben, dass sich die Stadionarchitektur in den letzten 2000 Jahren kaum verändert hat. Die steilen Ränge, die VIP-Loungen, der Starkult um Gladiatoren – das kannten die Römer schon alles. Antike Quellen berichten von einem Ballspiel namens Harpastum, einer Art Rugby, das die Römer von den Griechen übernommen hatten.

Astrophysiker planen nächsten Sieg

In der Han-Dynastie in China, von 206 vor bis 220 nach Christus, war ein fußballähnliches Spiel namens Cuju verbreitet. Olympische Disziplinen wie Ringen oder Diskuswurf, in denen sich schon die Athleten vor über 3000 Jahren maßen, haben sich bis heute nicht verändert. Doch der Sport erlebt gerade eine technische Revolution.

Kickte man vor Jahrzehnten noch mit einem Lederball auf Holztore, spielen Profis heute vor dutzenden Kameras mit einem Ball, der im Inneren mit einem Chip ausgestattet ist. Fußball ist zur Datenwissenschaft geworden: Analytics-Firmen sammeln tausende Datenpunkte pro Spiel, Profiteams beschäftigen Astrophysiker und Mathematiker in ihren Reihen.

Bei der Turn-WM 2019 in Stuttgart kam erstmals ein Beurteilungshilfesystem zum Einsatz, das mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) und 3D-Sensoren den Schwierigkeitsgrad bewertet. Ein Computerprogramm erfasst die genaue Position von Körperteilen sowie den Spreizwinkel von Armen und Beinen und bildet die Positionsdaten als Vektoren in einem 3D-Modell ab. Ästhetische und technische Kriterien wie die Streckung der Beine lassen sich auf den Neigungswinkel genau prüfen. So kann man sehen, wie sauber eine Übung geturnt wird. Die KI als Kampfrichter. Sind Automaten auch die besseren Athleten?

Muskelkraft bleibt

Das ewige Duell Mensch gegen Maschine könnte den sportlichen Wettbewerb neu entfachen. Schachcomputer und Curlingroboter haben menschliche Profis bereits geschlagen. Bis ein Roboter aber Tore schießt oder einen Sprint gewinnt, ist es noch ein weiter Weg. Der schnellste Roboter läuft aktuell 24,73 Sekunden auf 100 Meter. Das ist langsamer als jeder Seniorenrekord.

Die Robotik kommt nur im Schneckentempo voran, gerade was die Motorik betrifft. Selbst wenn Schachcomputer und Curlingroboter dem Menschen überlegen sind, gibt es doch einen Kodex, dass man keine maschinelle Hilfe benutzen darf. Ballmaschinen im Tennis oder Schachcomputer sind bloße Sparringspartner – und haben den Menschen nicht überflüssig gemacht. Im Sport zählt die schiere Muskel- und Geisteskraft, ohne Zuhilfenahme künstlicher Instrumente. Und das wird sich auch in Zukunft wohl nicht so schnell ändern.