Brennendes Sofa: Während die Demos anfangs friedlich verliefen, kommt es mittlerweile zu Ausschreitungen.

Foto: IMAGO/Ximena Borrazas

Paris –In Frankreich haben am Dienstag erneut Hunderttausende gegen die Pensionsreform von Präsident Emmanuel Macron protestiert. Am Rande kam es nach Angaben der Polizei in mehreren Städten zu Krawallen und Festnahmen. Das Innenministerium sprach von landesweit etwa 740.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Der Gewerkschaft CGT zufolge beteiligten sich mehr als zwei Millionen Menschen am Protest. Unter die von Gewerkschaften organisierten Protestzüge mischten sich auch Schüler und Studenten. Einige Gymnasien und Hochschulen wurden blockiert. Begleitet wurde der zehnte landesweite Protesttag erneut von Streiks, auch bei der Staatsbahn SNCF.

Die über Wochen friedlichen Proteste wurden zuletzt von massiver Gewalt und Auseinandersetzungen überschattet. Bei Ausschreitungen seien 175 der rund 13.000 Polizisten und Gendarmen, die am Dienstag im Einsatz gewesen seien, verletzt worden, schrieb Innenminister Gérald Darmanin in der Nacht auf Mittwoch auf Twitter. 201 Menschen seien nach einer vorläufigen Bilanz festgenommen worden. Krawalle und Sachbeschädigungen gab es Medienberichten zufolge nicht nur in Paris, sondern auch in Nantes, Rennes, Lille, Bordeaux, Calais, Dijon, Toulouse, Straßburg und Caen. Die Polizei setzte an einigen Orten Wasserwerfer und Tränengas ein.

Reform ohne parlamentarische Abstimmung

Die Proteste richten sich gegen die schrittweise Anhebung des Pensionseintrittsalters von 62 auf 64 Jahre. Die Mitte-Regierung will mit der Reform eine drohende Lücke in der Pensionskasse schließen. Der Streit verschärfte sich, weil die Regierung den Text ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung drückte. Vor einer Woche scheiterten zwei Misstrauensanträge gegen die Regierung. Die Reform ist damit verabschiedet. Sie wird nun vom Verfassungsrat überprüft. Macron will, dass die Reform bis zum Jahresende in Kraft tritt.

Trotz der anhaltenden Proteste ist kein Einlenken der Regierung in Sicht. Der Chef der größten Gewerkschaft CFDT, Laurent Berger, regte am Dienstag eine Vermittlung an. Die Reform müsse für einige Wochen ausgesetzt werden, um Beratungen mit einem kleinen Kreis von Vermittlern zu ermöglichen. Regierungssprecher Olivier Véran erteilte dem aber eine Absage. Miteinander reden könne man auch ohne Mediation.

Wegen der geplanten Proteste war auch ein Staatsbesuch des britischen Königs Charles III. abgesagt worden. Ein Aufatmen gab es in Paris, wo die Gewerkschaft CGT nach mehr als drei Wochen Streik der Müllabfuhr ein Ende ankündigte. Mehr als 7.000 Tonnen Abfall häufen sich noch in den Straßen. Inzwischen setzt die Stadt auch Bagger ein.

Ermittlungsverfahren gegen Beamte

Nach Vorwürfen von Polizeigewalt während der jüngsten Rentenproteste seien 17 Ermittlungsverfahren gegen Beamte eingeleitet worden, sagte der Innenminister. Er rief die Polizei für diesen Dienstag auf, auf keinerlei Provokation während der Proteste einzugehen und nahm die Beamten vor pauschalen Anschuldigungen in Schutz. Auch in den Reihen der Polizei seien etliche gegen die Rentenreform. (APA, 28.3.2023)