270.000 Tonnen Altglas wurden letztes Jahr gesammelt.

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Seit knapp 40 Jahren presst Hans Preschitz seine Trauben in Neusiedl am See zu Welschriesling, Chardonnay, Blaufränkisch oder Zweigelt. Ebenso lange sortiert und lagert er bereits benutzte Weinflaschen, um sie in die fünf Kilometer entfernte Waschanlage in den Nachbarort Jois zu fahren. Nach der Reinigung befüllt er sie wieder. Damit ist der Winzer eher die Ausnahme, denn die meisten Weinflaschen in Österreich sind Einwegflaschen – sie werden also nur einmal befüllt.

Im Durchschnitt benötigt Preschitz 60.000 Flaschen pro Jahr. Rund die Hälfte davon wird so oft wiederbefüllt, bis sie kaputt sind. Die andere Hälfte landet in der Recyclingtonne und wird durch neue Flaschen ersetzt.

Das hat mehrere Gründe, erklärt der Winzer, der die Verantwortung über die hauseigenen Reben schon vor Jahren in die Hände seines Sohnes Markus Preschitz gelegt hat. Er selbst konzentriere sich nur noch auf die operativen Geschäfte. Rund 20 Prozent des Preschitz-Weines verkaufe er nach Deutschland, das Leergut komme nicht wieder nach Neusiedl am See zurück. "Das wäre zu teuer und unrentabel", sagt Preschitz.

Auch Käuferinnen und Käufer bringen die Flaschen nicht immer zurück. Etwa wenn sie auf der Durchreise sind. Und dann gebe es noch "Topweine", die Preschitz lieber in Neuglas abfüllt. Die Qualität des Inhalts solle sich auch optisch widerspiegeln, das Glas keinesfalls verkratzt sein oder Einfluss auf den Wein nehmen.

Hohe Sammelquote

Wie viele Weinflaschen in Österreich jährlich in der Tonne landen, zählt die Austria Glas Recycling (AGR), ein Unternehmen der ARA, nicht. Die Sammelquote für Altglas generell liege hierzulande aber bei über 80 Prozent. Insgesamt wog das gesamte Altglas im vergangenen Jahr 270.000 Tonnen.

Diese Menge hat das Unternehmen laut Harald Hauke, Geschäftsführer der AGR, als Rohstoff an die Glasindustrie geliefert. Der Großteil ging mit 90 Prozent an Vetropack Austria in Pöchlarn, Niederösterreich, und Kremsmünster, Oberösterreich sowie Stoelzle Oberglas in Köflach, Steiermark. Die letzten zehn Prozent seien an Glaswerke in Nachbarländer geliefert worden.

Die meisten Weinflaschen werden nur einmal befüllt.
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Das Material kann zu nahezu 100 Prozent recycelt werden, weiß Hauke. Daraus entstehen neue Gurkerlgläser, Milchflaschen oder Joghurtbehälter. Jedes Glas in Österreich besteht bereits zu zwei Dritteln aus recycelten Glasscherben. Bei dunklem Glas liege der rezyklierte Anteil sogar bei bis zu 90 Prozent. Doch das kostet viel – und vor allem fossile Energie.

Das Einschmelzen und Gießen von Einwegflaschen hat vergangenes Jahr in Österreich circa 214.000 Tonnen CO2 verursacht. Zu dieser Berechnung kommt Peter Beigl vom Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft an der Boku Wien. An dieser Stelle müsse aber auch angeführt werden, wie viel CO2 durch die Verwendung von Sekundärrohstoffen eingespart wurde, betont Beigl. Diese Zahl liege in etwa bei 462.000 Tonnen CO2 und ist damit mehr als doppelt so hoch.

Sammeln, waschen, befüllen

Dass Weinflaschen großteils in der Tonne landen und mit viel fossilem Energieaufwand recycelt werden, während Wasserglasflaschen zu 90 und Bierflaschen zu 80 Prozent einfach gesammelt, gewaschen und wiederbefüllt werden, ist durchaus verwunderlich. Zumal die Einwegflasche die Klimabilanz des Weins drastisch verschlechtert.

Knapp 50 Prozent der Treibhausgasemissionen einer Flasche Wein verursacht allein das Einwegglas. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsprojekt des Umweltbundesamts in Zusammenarbeit mit der Höheren Bundeslehranstalt und dem Bundesamt für Wein- und Obstbau. Der Wein an sich sei ein emissionsarmes Produkt, sagt Werner Pölz vom Umweltbundesamt. Er ist selbst Winzer im Weinviertel.

Für das Forschungsprojekt hat Pölz den gesamten Lebenszyklus des Weins untersucht: vom Auspflanzen der Rebstöcke über den Bau von Halterungspflöcken und den Einsatz von Diesel während der Dünge- oder Pflanzenschutzmaßnahmen bis hin zum Ernten, Vergären, Abfüllen in Flaschen und Verpacken in Kisten.

Das Fazit: Die Mehrfachverwendung von Glasflaschen wäre ein starker Hebel, um Treibhausgasemissionen zu verringern. Eine verpflichtende Umstellung auf ein Pfandflaschensystem würde zu "massiven Emissionsreduktionen" führen. Wieso wird es dann nicht gemacht?

Viele Flaschen, eine Lösung

Eine erste Antwort liegt in der Vielfalt der Flaschenarten. Die wäre durch eine Mehrwegflasche nämlich stark eingeschränkt – und genau hier liegt das Problem. Jede Weinsorte hat eine typische Flaschenform, und in jeder Weinregion gibt es einen vorherrschenden Flaschentyp, erklärt Philipp Haderer. Er leitet das Projekt "Mehrweg-Bouteille", das an einer österreichweiten Lösung für Mehrwegweinflaschen mit 0,75 Litern arbeitet. Regionale Waschanlagen sollen den CO2-Ausstoß so niedrig wie möglich halten.

Jede Weinsorte hat eine typische Flaschenform.
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Die Frage, ob es überhaupt eine Vielfalt an Flaschen braucht, löst laut Winzer Pölz viele Emotionen bei Winzerinnen und Weinbauern aus. Das habe vor allem mit der langen Tradition des Weins zu tun. Für viele Winzer sei es undenkbar, einen Chardonnay in eine Bordeaux-Flasche zu füllen.

Obwohl die Form nicht mit dem Geschmack zusammenhängt, könne mit der Flaschengestaltung eine Qualitätsaussage gemacht werden. Dass Weine in dunklen und schweren Flaschen qualitativ hochwertig und teuer sind, ist laut Haderer eine gelernte Annahme.

Pölz empfiehlt daher, eine einheitliche Mehrwegflasche zunächst bei Betrieben einzuführen, die schon jetzt bereit sind, auf Mehrwegflaschen umzusteigen. Dieser Prozess brauche Zeit. Eine schrittweise Einführung mache Sinn. Die stark gestiegenen Energiepreise könnten der Etablierung eines Mehrwegsystems aber in die Flaschenhälse spielen. Denn das Recycling von Einwegflaschen benötigt Erdgas, und dessen Preis ist seit dem Ukrainekrieg stark gestiegen.

Wiederverwertungssysteme hingegen garantieren laut Pölz eine gewisse Preisstabilität. Damit sich die Branche aber gänzlich umstellt, dafür brauche es ein geschlossenes System, ähnlich dem der Bierflasche, sodass Konsumenten und Handel die Flaschen einfach zurückgeben können.

Einheitsflasche

Laut Haderer stehe man aktuell erst am Beginn des Projekts "Mehrweg-Bouteille". Die Leitung hat das Österreichische Ökologieinstitut inne, andere Projektpartner sind Circular Analytics, die HBLA und die Bundesanstalt für Wein- und Obstbau Klosterneuburg sowie der Logistikverbund Mehrweg. Auch Winzerinnen, Flaschenhersteller und Vertreter aus dem Handel seien Teil des Konsortiums. Ziel sei, sich auf ein bis zwei Flaschentypen zu einigen. Die vielen verschiedenen Formen und Farben seien bisher eine der größten Hürden gewesen.

Haderer nennt einige Vergleiche: Bordeaux-Flaschen sind unten gerade und laufen nach oben hin schnell zum Hals zusammen. Burgunder-Flaschen sind "langgezogen wie ein Softeis, das man in die Höhe zieht", sagt er. Rheinwein ist in noch höheren Hälsen abgefüllt, ansonsten aber ähnlich der Burgunder-Flasche.

Steirische und deutsche Vorbilder

Als Vorbild könnte ein erst kürzlich vorgestelltes Projekt in Baden-Württemberg dienen. In der Weinregion wird künftig eine 0,75-Liter-Mehrwegflasche verwendet. Die Flasche mit schlankem Hals und dickerem Bauch wird in leistungsstarken Spülzentren gewaschen.

Ziel des Projekts Mehrweg-Bouteille wären regionale Kreisläufe, sodass die Wege zur Waschanlage nicht weit – und immer genügend Flaschen sowie Kisten im Umlauf sind. Eine geeignete Infrastruktur besteht in der Steiermark bereits seit über zehn Jahren. Dort ist die Steiermarkflasche, eine wiederbefüllbare Flasche für steirischen Wein, bereits etabliert.

Die 430 Rückgabestellen zeigt eine interaktive Landkarte an. Konsumentinnen und Konsumenten können die Flaschen etwa bei Handelspartnern zurückgeben und erhalten dafür, wie bei Bierflaschen, einen Vergütungsbon. Über 300 steirische Winzerinnen und Weinbauern befüllen die Steiermarkflasche wieder, schreibt der steirische Nachhaltigkeitsrat Johann Seitinger in einer Aussendung. Durch die Weinbefüllung könnten im Vergleich zu Einwegflaschen jährlich rund 6.000 Tonnen CO2 und 96 Prozent beim Energieverbrauch eingespart werden.

Der Unterschied zur "Mehrweg-Bouteille" ist, dass die Steiermarkflasche eine regionale Prägung hat, was sie laut Haderer zu einer regionalen Flasche erklärt. Das wolle man mit der "Mehrweg-Bouteille" ausdrücklich vermeiden und eine einheitliche Flasche und einheitliche Kisten herstellen. Ein Pilottest ist in den kommenden zwei Jahren geplant. (Julia Beirer, 6.4.2023)