Das Jahr 2023 ist jenes, in dem künstliche Intelligenz durch Anwendungen wie ChatGPT oder Stable Diffusion den Weg in den Massenmarkt findet. Gleichzeitig kommen Ängste auf, dass nun auch etliche Büro- und Kreativjobs von den Maschinen vernichtet werden könnten. Rasch waren KI-Missionare bemüht, ihre übliche Botschaft zu strapazieren: dass zwar öde und repetitive Jobs verschwinden, dafür aber spannende neue Berufsfelder entstehen.
Ein prominentes Beispiel dieser neuen Jobs ist jener des "Prompt Designers". Das klingt auf den ersten Blick kryptisch und auch irgendwie fancy, bezeichnet letztlich aber bloß jene Menschen, welche die Maschinen mit den passenden Befehlen ("Prompts") füttern, sodass diese auch passende Ergebnisse liefern. Blöd nur: Mit ein wenig Trainingsaufwand kann ChatGPT beigebracht werden, bessere Prompts zu schreiben als ein Mensch. Oh, diese Ironie! Hat die Maschine bereits jenen Job vernichtet, der gerade erst durch sie entstanden ist?
Nein, hat sie nicht. Wer sich ein wenig mit der Materie beschäftigt, bemerkt: Die Maschinen können nicht alles, sie machen noch immer Fehler. Und vor allem können sie – anders, als der Name "Intelligenz" fälschlicherweise suggeriert – nicht selbstständig denken. Dafür brauchen sie einen Menschen, also den Prompt Designer.
Dessen Job ist also nicht obsolet geworden, wie die Headline dieses Kommentars vielleicht suggeriert. Aber er ändert sich schon jetzt, und er wird sich auch in den nächsten Jahren ein paar Mal ändern. So wie jedes andere Berufsfeld, das mit dieser Technologie in Kontakt kommt. Auch wenn viele das nicht hören wollen: Die Welt dreht sich 2023 noch ein bisschen schneller – und Flexibilität und Neugierde sind für das berufliche Überleben heute wichtiger denn je. (Stefan Mey, 28.3.2023)