"Ausgedruckt" titelte die "Wiener Zeitung" schon im Herbst 2022 zu den Begutachtungsentwürfen über ihr Ende als gedruckte Tageszeitung.

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Wien – ÖVP und Grüne bringen am Donnerstag drei Initiativanträge zu Medien im Nationalrat ein: die Novelle zur republikseigenen "Wiener Zeitung" mit dem Aus als gedruckte Tageszeitung, eine neue Journalismusförderung von 20 Millionen Euro im Jahr und neue Regeln für Regierungswerbung ("Medientransparenz"). Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) und Grünen-Mediensprecherin Eva Blimlinger kündigten die Initiativanträge Donnerstagfrüh per Aussendung an.

  • Die drei Initiativanträge von ÖVP und Grünen werden am Donnerstag in den Nationalrat eingebracht, dann Ausschüssen zugewiesen – üblicherweise bei Medienthemen dem Verfassungsausschuss. Bis zu einem Beschluss der Anträge dauert es also noch. Laut Blimlinger könnten die Gesetze Ende April im Parlament beschlossen werden.
  • Die Gesetze zur Journalismusförderung und zur "Wiener Zeitung" sollen am 1. Juli 2023 in Kraft treten, die Novelle zum Medientransparenzgesetz am 1. Jänner 2024. Bei der Medientransparenz braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit.

Änderungen gegenüber Begutachtungsentwürfen

Änderungen gegenüber Begutachtungsentwürfen gab es laut Blimlinger etwa für Onlinemedien und Presserat. Für Onlinemedien gibt es nun keine Mindestzeichenzahl für neue Inhalte pro Jahr als Förderbedingung, Wochenzeitungen und Magazine brauchen weniger angestellte Redaktionsmitglieder für eine Förderung. Für den Presserat und Presseclubs sind nun höhere Mittel – zusammen 250.000 Euro pro Jahr – vorgesehen.

Gegenüber den Begutachtungsentwürfen gibt es Änderungen etwa in der Medientransparenz: Öffentliche Stellen müssen ihre Werbebuchungen nur noch halbjährlich und nicht mehr jedes Quartal melden. Und sie müssen künftig für Kampagnen ab einer Million Euro Volumen eine Wirkungsanalyse auf ihrer Website veröffentlichen (im Begutachtungsentwurf lag die Grenze bei 750.000 Euro).

Printfassung im Gesetz

Eine Printfassung der "Wiener Zeitung" kommt nun auch im Gesetzestext vor, sie soll zumindest zehnmal pro Jahr publiziert werden. Sie solle ein "innovatives und investigatives Medium" werden, mit "Fokus auf nationale und internationale Kooperationen", erklärt Blimlinger per Aussendung.

"Die Umstellung auf ein innovatives Onlinemedium ist ein Zukunftsmodell und eine Aufwertung. Die Zugriffszahlen werden bald zeigen, dass die Wiener Zeitung so viel mehr Relevanz erzielen kann – und Tag für Tag wesentlich mehr Leser:innen als bisher erreichen wird", heißt es in Blimlingers Aussendung.

Blimlinger sagte später in einem Hintergrundgespräch mit Journalistinnen und Journalisten, dass sich die "Wiener Zeitung" in Richtung eines "innovativen und investigativen" Mediums verändern solle. Der Fokus soll auch auf – internationale – Kooperationen liegen. Neuen, jüngere Zielgruppen sollen erschlossen werden.

Das Aus für die "Wiener Zeitung" als älteste Tageszeitung

Die "Wiener Zeitung", älteste noch existierende Tageszeitung der Welt, soll ihr Erscheinen als gedruckte Tageszeitung einstellen. Die bisherigen Pflichtveröffentlichungen von Unternehmen im Amtsblatt der "Wiener Zeitung" werden – auch mit Verweis auf EU-Regelungen – gestrichen. Sie machten bisher den größten Teil der Einnahmen des republikseigenen Verlags aus – 2021 etwa 19,6 von insgesamt rund 23 Millionen Euro Umsatz.

Bisherige Entwürfe sahen 16,5 Millionen Euro pro Jahr als Finanzierung des Bundes vor. 7,5 Millionen davon für die Onlinepublikation unter der Marke "Wiener Zeitung" sowie etwa zehn gedruckte Ausgaben pro Jahr. Sechs Millionen Euro waren für das "Media Hub" des Unternehmens vorgesehen, das Journalismusausbildung (teils bei anderen Medien) organisiert und finanziert, sowie eine Start-up-Unterstützung. Weitere drei Millionen Euro will die Republik für eine digitale Verlautbarungsplattform überweisen.

"Praxisprogramme in Lehrredaktionen"

Nach der teils sehr heftigen Kritik, dass der "Media Hub" als eine Art staatliche Journalistenausbildung fungieren werde, sieht das Gesetz jetzt eine andere Ausrichtung vor. Der "Media Hub" biete keine "Aus- oder Weiterbildung", sondern Praxisprogramme in Lehrredaktionen" – etwa in anderen Medien. Laut Gesetz muss die Redaktion der "Wiener Zeitung" eingebunden werden.

Die Redaktion der "Wiener Zeitung" und mit ihr viele prominente Vertreterinnen und Vertreter von Kunst, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien, Politik protestierten vehement gegen eine Einstellung der gedruckten "Wiener Zeitung". Einzelne Manager und Wirtschaftstreibende meldeten ihr Interesse an einer Übernahme des Mediums an. Modelle für eine von der Republik unterstützte Privatisierung wurden vorgeschlagen.

20 Millionen Euro Journalismusförderung

Eine neue Journalismusqualitätsförderung der Republik im Volumen von jährlich 20 Millionen Euro nimmt ebenfalls ihren legislativen Weg in den Nationalrat.

Gefördert werden hier Medien – Print und Online – laut bisherigen Entwürfen nach der Zahl der angestellten Journalistinnen und Journalisten mit pro Medium maximal 1,5 Millionen Euro. Bis zu zehn Prozent Aufschlag gibt es für Redaktionsstatut, Fehlermanagement, Qualitätssicherungssysteme und Frauenförderpläne.

Weitere Förderungen waren in den Entwürfen vorgesehen für regionale Berichterstattung, internationale und EU-Berichterstattung, für Aus- und Fortbildung im Journalismus, für Medienkompetenz-Förderung, für Korrespondentinnen und Korrespondenten, Leseförderung, für Selbstkontrolleinrichtungen wie den Presserat und Presseclubs. Ein Teil der Förderungen – etwa für Ausbildung, Presserat, Presseclubs wird aus der bisherigen Presseförderung in die neue Subvention verlegt. Wie die Presseförderung wird auch die neue Journalismusförderung von der Medienbehörde Komm Austria vergeben.

Straßenzeitungen, kleinere Magazine

In den Genus der Journalismusförderung könnten künftig auch Straßenzeitungen wie der "Augustin" oder Monatsmagazine wie das "Datum" kommen, sollten sie das Kriterium von zwei festen redaktionellen Stellen (Vollzeitäquivalente) erfüllen.

Die geförderten Medien müssen sich an genau definierte journalistische Grundsätze wie Gewissenhaftigkeit und Korrektheit der Recherche halten. Ausschlussgründe sind etwa die Verbreitung von Hetze, Rassismus oder Homophobie. Parteizeitungen haben keine Chance auf Förderung.

Anträge auf Journalismusförderung sind im ersten Jahr 2023 bis Ende September vorgesehen, sie werden bis Jahresende ausbezahlt.

Was ist neu in der Journalismusförderung?

Erster Überblick von Änderungen gegenüber dem Begutachtungsentwurf:

  • Für Onlinemedien entfiel etwa eine Förderbedingung – eine Mindestzahl von publizierten Zeichen – im Begutachtungsentwurf standen noch mindestens 30 Millionen Zeichen. Weiterhin müssen sie ihre Inhalte nun monatlich gänzlich aktualisieren (ältere Archivinhalte können laut Entwurf online bleiben). Mindestens 65 Prozent der Inhalts von Onlinemedien müssen redaktionell sein (früher: 50 Prozent). Onlinemedien müsssen nun mindestens 150.000 (bisher: 300.000) Unique User im Monat haben.
  • Tageszeitungen müssen mindestens 60 Prozent redaktionelle Inhalte nachweisen (bisher im Entwurf: überwiegend redaktionelle Inhalte)
  • Wochenzeitungen und Magazine müssen mindestens zwei hauptberufliche Redaktionsmitglieder haben, um gefördert zu werden (bisher drei), Onlinemedien weiter drei.
  • Der Presserat erhält als Selbstkontrolleinrichtung der Medien statt bisher 150.000 Euro im Jahr bis zu 187.500 Euro im Jahr.

Neu laut Blimlinger gegenüber dem Begutachtungsentwurf zudem: "Wissenschaft als eigenes thematisches Kriterium aufgenommen und Qualitätssicherung noch mehr Bedeutung zugemessen. So müssen Medieninhaber zukünftig eine Erklärung vorlegen, in der sie sich zu genau definierten journalistischen Grundsätzen verpflichten."

Regierungswerbung – Veröffentlichung ohne Ausnahmen

Novelliert wird auch das Medientransparenzgesetz, das seit 2012 von öffentlichen Stellen verlangt, ihre Werbebuchungen bei Medien und Plattformen der Medienbehörde zu melden, die die Daten veröffentlicht.

Ausnahmen für nicht periodische Medien und Schaltkosten unter 5000 Euro werden gestrichen. Dieses "Schlupfloch" werde geschlossen, sagte Blimlinger. Es habe zu Missbrauch geführt. Öffentliche Stellen müssen künftig größere Kampagnen, ihre Ziele und Ergebnisse teils mit Wirkungsanalysen auf ihren eigenen Webseiten erklären. So sollen "Scheinkampagnen" verhindert werden. Die Pflicht zu Leermeldungen entfällt.

Nachträgliche Überprüfungen des Rechnungshofs bei einzelnen öffentlichen Stellen zeigten, dass rund ein Drittel der Buchungen – weil unter der Bagatellgrenze oder bei seltener als viermal jährlich erscheinenden Publikationen – der Medienbehörde nicht gemeldet wurden. Öffentliche Stellen meldeten für 2022 rund 201 Millionen Euro gebuchtes Werbevolumen, die Bundesministerien kamen auf rund 28,5 Millionen Euro.

Was ist neu bei Regierungswerbung und "Medientransparenz"

Erster Überblick von Änderungen gegenüber den Begutachtungsentwurf:

  • Öffentliche Stellen müssen künftig nur noch halbjährlich statt bisher vierteljährlich ihre Werbebuchungen der Medienbehörde melden, die sie veröffentlicht.
  • Öffentliche Stellen müssen für Kampagnen ab einem Volumen von einer Million Euro Wirkungsanalysen über diese Kampagnen veröffentlichen (im Entwurf vom Herbst lag die Grenze bei 750.000 Euro.

"Mit dem neuen Mediengesetz gibt es gerade bei der Verwendung öffentlicher Mittel für Einschaltungen und Inserate eine lückenlose Transparenz", kommentiert ÖVP-Mediensprecher Kurt Egger die Novelle. Für die Änderung des Medientransparenzgesetzes braucht es im Nationalrat eine Zweidrittelmehrheit. Blimlinger zeigt sich zuversichtlich, dass die Verhandlungen mit beispielsweise der SPÖ und den Neos zum Erfolg führen.

ORF-Gesetz mit Haushaltsabgabe statt GIS in Verhandlung

Ein neues ORF-Gesetz mit einem "ORF-Beitrag" für alle Hauptwohnsitze sowie für Unternehmen statt der GIS wird derzeit noch in der Koalition verhandelt. (fid, 30.3.2023)