Im Gastblog schreibt die studierte Soziologin Astrid Weiss, die im Bereich Mensch-Roboter-Interaktion an der TU Wien forscht, über Fragen, die wir uns zu Robotern in der Pflege stellen sollten.

Wie wollen wir alt werden? Wie stellen wir uns unseren Lebensabend vor? Was wollen wir für die Nachwelt hinterlassen? Soziale Assistenzroboter werden schon lange als vielversprechende Technologie diskutiert, die darauf abzielt, die Lebensqualität älterer Menschen in den eigenen vier Wänden oder in der Langzeitpflege zu verbessern. Dabei sollen sie die Rolle von Gefährtinnen und Gefährten simulieren und dazu beitragen, Einsamkeit zu verringern, die Stimmung zu verbessern und soziale Interaktionen mit anderen Menschen zu fördern.

Ein bekanntes Beispiel für einen solchen sozialen Gefährtenroboter ist die Roboterrobbe Paro. Paro ist so konzipiert, dass er auf Berührungen und Geräusche reagiert und soziale Verhaltensweisen wie Augenkontakt und Kopfbewegungen simuliert. Paro wurde bereits in vielen Pflegeheimen weltweit eingesetzt – auch in Österreich – und konnte dazu beitragen, Einsamkeit und Stress bei älteren Menschen zu reduzieren. In Studien wurde nachgewiesen, dass dieser (und ähnliche) Roboter eine positive Wirkung auf ältere Menschen hat. Eine Studie aus dem Jahr 2018 konnte zum Beispiel zeigen, dass der Einsatz dieser Roboter dazu beitragen kann, depressive Symptome bei älteren Menschen zu reduzieren. In einer anderen Studie von 2020 wurde gezeigt, dass Paro die soziale Interaktion von älteren Menschen in Pflegeheimen fördert und zu einer höheren Zufriedenheit der Bewohnerinnen und Bewohner beiträgt.

Der Roboter Paro konnte erfolgreich von Pflegeheimen eingesetzt werden. (Robotsälen Paro TEKS0057912, CC BY-SA 4.0)
Foto: Tekniska museet/Peter Häll

Das Leben aufzeichnen

Die aktuelle Forschung versucht vor allem Einsatzweisen für soziale Gefährtenroboter in der Demenzprävention und der Behandlung degenerativer Erkrankungen zu finden. Ein Ansatzpunkt ist die sogenannte Biografiearbeit. In Österreich ist es häufig so, dass ältere Menschen bereits mit fortgeschrittener Demenz in Pflegeeinrichtungen kommen. Oftmals haben diese Menschen schon länger – mit Unterstützung einer mobilen Pflegekraft – allein gelebt. Wer ist also dieser Mensch, der nun in einer neuen Umgebung seinen Lebensabend verbringen soll? In vielen Fällen weiß man nicht, wer die Person in ihrem früheren Leben war, bevor die Demenz bereits fortgeschritten war.

Hier setzt die Biografiearbeit in der Pflege an. Sie hilft, die Vergangenheit des älteren Menschen neu kennenzulernen und zu bewerten, um dessen Verhalten und Reaktionen in der Gegenwart besser zu verstehen und die Pflegemaßnahmen entsprechend individuell zu planen. Technikgestützte Biografiearbeit, zum Beispiel mit Tablets, konnte ihren Mehrwert im Vergleich zur analogen Biografiearbeit bereits unter Beweis stellen. Assistenzroboter könnten hier aber noch viel flexiblere Ansätze ermöglichen.

Warum nicht einen Gefährtenroboter in den letzten Lebensjahren als interaktives Tagebuch verstehen, das später bei fortgeschrittener Demenz Angehörigen und Pflegekräften ermöglicht, zu erfahren, wer die Person früher war. Was waren die Interessen, die Tagesabläufe, Lieblingsspeisen etc.? Aber denken wir noch weiter: Nehmen wir nicht die Roboterrobbe als Gefährten, sondern einen robotischen Kopf, der jedes beliebige Gesicht darstellen und auch in unterschiedlichen Stimmen sprechen kann, und erweitern diesen Kopf mit sogenannter generativer künstlicher Intelligenz (KI).

Der Furhat-Roboterkopf kann mit verschiedenen Gesichtern und Sprachen sprechen.
Foto: Presskit furhatrobotics.com

Personalisierte Gesprächspartner

Generative KI ist ein Sammelbegriff für KI-gestützte Systeme, die Inhalte unterschiedlichster Art produzieren können: Texte, Bilder, Codes, Audio etc. Das prominente Beispiel, das aktuell in aller Munde ist, ist ChatGPT von OpenAI. ChatGPT kann auf der Basis von kurzen Hinweisen (sogenannten Prompts), zum Beispiel in Form von allgemeinen Fragen oder genauen Ausführungsanleitungen, alle möglichen Arten von Text generieren, die mithilfe von Text-to-Speech-Synthese (Erzeugung von gesprochener Sprache basierend auf Texteingaben) schließlich auch einem sozialen Roboter neue Dialogfähigkeit verleihen.

Im Jänner 2023 hat ein Forscherteam von Microsoft das Modell VALL-E veröffentlicht, mit dem sich angeblich personalisierte Sprache in hoher Qualität anhand einer nur drei Sekunden langen Aufnahme einer unsichtbaren Person als akustischer Prompt realisieren lässt. Lassen wir unseren Roboterkopf also Dialoge führen und mit Fotos "gemeinsame" Erlebnisse dokumentieren. Der Roboter lernt über das "Zusammenleben" mit uns, wer wir sind, und kann diese Information später mit dem Pflegepersonal teilen (Abbildung 3).

Bild generiert mit OpenAI DALLE-2; Prompt: "Sad old woman sitting at a kitchen table talking to a robotic head".
Foto: OpenAI DALLE-2

Für Angehörige greifbar bleiben

Wir könnten uns damit selbst auf eine mögliche Demenz vorbereiten, aber nicht nur das. Unsere Person bleibt durch den Roboter verkörpert für die Nachwelt erhalten. Das wäre eventuell auch eine Erleichterung für Partnerinnen, Partner und pflegende Angehörige.

Der Gedanke, dass ein Roboter eine Person nach deren Tod weiterleben lassen könnte, fühlt sich für Sie unbehaglich an und klingt nach dystopischer Science-Fiction? Es gibt bereits reale Beispiele, die die Tragweite verdeutlichen, wie der Versuch des Journalisten James Vlahos, seinen sterbenden Vater durch einen Chatbot ("Dadbot") "am Leben zu erhalten". Eugenia Kuyda, Mitbegründerin eines Technologieunternehmens, verwendete 8.000 Zeilen von Textnachrichten zwischen ihr und ihrem Freund Roman Mazurenko, der bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, um einen Chatbot zu erstellen, der Mazurenkos Sprechweise nachahmte. Im Herbst 2020 nutzte ein kanadischer Mann GPT-3, um basierend auf alten Textnachrichten Gespräche mit seiner verstorbenen Freundin zu simulieren. Im gleichen Jahr traf eine südkoreanische Mutter ihre verstorbene siebenjährige Tochter, nachgebildet in einer virtuellen Realität.

Stefan Larsson von der Lund University bezeichnet solche Ansätze auch als "Necrorobotics" – eine Form der Wiederauferstehungstechnologie. Alle diese Beispiele zeigen nicht nur den Möglichkeitsspielraum auf, der durch die Verbindung von sozialer Robotik und generativer KI entsteht, sondern werfen offensichtlich auch sehr viele Fragen auf: Wer soll und darf darüber entscheiden, ob nach unserem Tod unsere Daten weiterverwendet werden? Wie authentisch soll und darf die robotische Version eines Verstorbenen sein (wollen wir uns nur an die "guten" oder auch an die "schlechten" Persönlichkeitsmerkmale erinnern)? Wir müssen also aus ethischer und rechtlicher Sicht überlegen, was Technologie in Zukunft darf und soll, denn der Technologiesprung der generativen KI hat den Möglichkeitsspielraum weit über einen bloßen Inhaltsgenerator hinaus erweitert. (Astrid Weiss, 5.4.2023)