Stormtrooper als Indigene? American Natives treiben als Reaktion auf kulturelle Aneignung ihr eigenes Spiel mit der "Star Wars"-Reihe.

Foto: Weltmuseum/KHM-Verband

Die weiße Strumtruppen-Uniform einmal anders, farbiger gedacht.

Foto: Andy Everson

Was hat Science-Fiction mit Völkerkunde zu tun? Auf den ersten Blick: nichts. Auf den zweiten: sehr viel. Denn das Denken in Mustern von Eroberung und Einverleibung, aber auch in jenen der Bewahrung von fremden, weit entfernten Welten passt für die im Schlepptau des Kolonialismus entstandene Ethnologie genauso wie für utopische Fantasien von der Erschließung ferner Galaxien.

Das Wiener Weltmuseum macht in seiner großen Jahresausstellung Science Fiction(s) – Wenn es ein Morgen gäbe dem geflügelten Filmtitel Zurück in die Zukunft alle Ehre und blickt nach vorn durch die Brille der Vergangenheit. Das klingt vielleicht sperrig, tatsächlich hält sich die Ausstellung mit Text aber sehr zurück. Die gezeigten Kunstwerke sollen für sich sprechen. Und das tun sie weitgehend – vorausgesetzt, man bringt etwas Vorwissen mit.

Als große Metapher im Raum steht die Star Wars-Saga. Von Regisseur George Lucas in den 1970er-Jahren erdacht, ist das Epos in Sachen Ausstattung und Ideenreichtum gewissermaßen ein in die Zukunft projiziertes Schaudepot völkerkundlicher Motive: Das beginnt bei asiatischer Spiritualität und endet beim Design des Helms von Darth Vader, das einem Samuraihelm folgt. Dass Prinzessin Leias berühmte Schneckenfrisur Anleihe an einer indigenen Hopi-Haartracht nimmt, zeigt ein Vergleichsbild von Nicholas Galanin.

Der Künstler Nicholas Galanin zeigt, dass eine traditionelle Haartracht der Hopi-Frauen Vorlage für Prinzessin Leias ikonische Frisur war.
Foto: Nicholas Galanin

Indigene Künstler wie Rory Wakemup und Andy Everson reagieren darauf als Vertreter einer Fankultur, die nordamerikanische First Nations rund um Star Wars gebaut haben. Da geht es um Wiederaneignung und Sichtbarmachung, woher die Ideen stammen, aber auch darum, die Motive mit Witz weiterzuspinnen. In der Ausstellung begrüßt einen der finstere Lord Vader nunmehr also selbst mit Federkrone auf dem Kopf. Auch die rotgewandete Leibgarde und die Stormtrooper erhalten ein Upcycling im Federlook.

Ein Gemälde von Ryan Singer behandelt die pelzigen Ewoks: süße Teddybär-Eingeborene des Waldmonds Endor, die in Die Rückkehr der Jedi-Ritter unverschuldet in einen – wenn man so will – blutigen Kolonialkrieg mit hineingezogen werden. Im Stil der Typenfotografie des 19. Jahrhunderts zeigt Singer einen Ewok in Stammestracht neben seinem Alter Ego als Zwangsassimilierten: gescheitelt, gut gekleidet, "zivilisiert", "kultiviert".

Ein Gemälde von Ryan Singer zeigt einen Ewok-Charakter aus "Star Wars", links in traditioneller Stammestracht, rechts als Assimilierten nach westlichen Vorstellungen.
Foto: Ryan Singer/Museum of Northern Arizona

Apokalypse? Die war schon

Der spielerische Umgang mit kultureller Aneignung ist aber nur ein Teil dessen, was die Schau zu bieten hat. Video- und Fotoarbeiten zeigen, wie Indigene Brasiliens in eine Zukunft blicken, die angesichts des Klimawandels heute auch der einst so optimistische "Westen" als dystopisch bis apokalyptisch ansieht. Apokalypse zeigt sich hier als eine Existenzerfahrung, die Indigene aller Kontinente in ihrer Geschichte bereits früher erleben mussten.

Platz für optimistische Utopien gibt es aber auch. Eine Rakete aus Sperrholz mit bunten Figürchen thematisiert den sozialrevolutionären Kampf der mexikanischen Zapatistas, die ihre Idee von ökosozialem Zusammenleben weltweit immer wieder mit künstlerischen Ausdrucksmitteln verbreiten.

An anderer Stelle wird der erste Kosmonaut Syriens, Muhammad Ahmed Faris, der die demokratische Bewegung gegen Assad unterstützte und deswegen heute als Geflüchteter in Istanbul lebt, in einem fiktiven Szenario ins Exil auf den Mars geschickt. Dass bei einer Expansion dorthin Algen als Wundermittel in Ernährungsfragen eine Rolle spielen könnten, zeigt eine rätselhafte Aquarien-Sound-Installation.

Von Heilung und Empathie für Mutter Erde aus dem Geist indigener Traditionen, die nicht davon ausgehen, dass der technologische "Fortschritt" unsere Rettung sein wird, blickt man abschließend noch ins technologieaffinere Reich des Afrofuturismus – ein Genrebegriff der Popkultur, der mit Hollywoodfilmen wie Black Panther einen vorläufigen Höhepunkt fand. Der Künstler Ekow Nimako zeigt sein Zukunftsmodell der untergegangenen ghanaischen Stadt Kumbi Saleh im Jahr 3020, gebaut aus abertausenden schwarzen Legosteinen.

Der Künstler Ekow Nimako zeigt sein Zukunftsmodell der im Mittelalter untergegangenen ghanaischen Handelsstadt Kumbi Saleh im Jahr 3020, gebaut aus abertausenden schwarzen Legosteinen.
Foto: Samuel Engelking

Nun könnte man beklagen, dass viele Hintergrundinformationen erst mühsam über QR-Codes, Führung oder Begleitkatalog erschlossen werden müssen. Weltmuseum-Direktor Jonathan Fine steht aber dazu, dass man sich bewusst gegen zu viel Erklärungstext entschieden habe, um mehr der Herangehensweise eines Kunstmuseums denn der Methodik der Völkerkunde zu folgen. Freie Assoziation anstelle von Einordnung also? Gestern Weltmuseum, heute Weltraummuseum, morgen Allerweltsmuseum?

Eine so offene Interpretation von Völkerkunde, wie Fine sie bietet, ist streitbar und mutig. Sie kann auch danebengehen, wenn der Erkenntnisgewinn reinen Schauwerten weicht. Bei Science Fiction(s) ist das nicht der Fall, vorausgesetzt, man bringt die Bereitschaft mit, genau hinzusehen. (Stefan Weiss, 29.3.2023)