In "Parapsycho – Spektrum der Angst", Peter Patzaks Episodenfilm über die Blütezeit des Okkultismus, spielt Marisa Mell die mysteriöse und verführerische Greta, die nicht nur eine Leiche im Kofferraum hat.

Foto: Filmarchiv Austria

Marisa Mell wurde als Marlies Moitzi geboren. Ein zu komplizierter Name für internationales Publikum, zumindest wenn es nach einem Wiener Produzenten geht. Die Grazerin machte in den 60ern und 70ern tatsächlich eine internationale Schauspielkarriere, bevor sie 1992 mit nur 53 Jahren verstarb. Einen Einblick in ihr Leben präsentierte vergangene Woche die Diagonale in Mells Geburtsstadt mit einer Ausstellung im Graz-Museum. Das Filmarchiv Austria widmet ihr ab Freitag im Wiener Metrokino eine von Florian Widegger kuratierte Retrospektive mit insgesamt 13 Filmen.

"Sexbömbchen mit Klimperwimpern"

Diese Filmauftritte erzählen von einem Leinwandleben, das fast schon prototypisch ist. Als junge Schönheit von der Filmindustrie aufgesaugt, inszeniert und gefeiert, wurde Marisa Mell ab ihrem 40. Geburtstag wieder ausgespuckt und nahezu vergessen. Dazwischen jedoch finden sich ebenso wunderbare wie anachronistische Auftritte in den schillernden europäischen Produktionen der 60er und 70er mit "beinah magischer Vitalität".

Als "Mädchen mit den Katzenaugen" beginnt Marisa Mell im exotischen Heimatfilm Das Nachtlokal zum Silbermond. Schon in ihrem internationalen Debüt French Dressing spielte sie eine sexualisierte Frau, die als Künstlerin anerkannt werden möchte. Eine Ironie, die sich selbst ad absurdum führt, ist Mells Filmografie doch voll von Rollen als Femme fatale, Pin-up und Sexsymbol. Da schrieb das Wiener Wochenblatt 1963 dann schon einmal ungeniert sexistisch "Marisa Mell, Sexbömbchen mit Klimperwimpern, gibt vor, keusch und moralisch, nur hehrer ‚Kunst‘ dienen zu wollen."

Heimische Sophia Loren

Bald drehte sie mit den Vorzeige-Männern der damaligen Zeit wie Marcello Mastroianni, Michel Piccoli oder Tony Curtis. Später erzählte Mell in einem Interview über diese Zeit mit wehmütiger Erinnerung. Etwa über die Paparazzi, die sie mit Telelinsen verfolgt haben. Im Rückblick klingt es wie eine Sehnsucht nach dem Gesehenwerden.

Tatsächlich zierte Mell die Covers von Bravo bis zu Magazinen in Japan. Das zeigt die von Martina Zerovnik kuratierte Miniausstellung Magic Marisa im Graz-Museum. Einen ausführlichen Eindruck gibt auch das Digitorial auf der Website des Filmarchivs Austria.

HD Retro Trailers

In der damaligen Filmweltstadt Rom, die ihre zweite Heimat wurde, übernahm die "österreichische Sophia Loren" das Dolce Vita und den Habitus einer Filmdiva, die sie auf der Leinwand doch nie ganz geworden ist. Wie ihre Leinwandpartner Klaus Kinski oder Christopher Lee drehte sie, was ihr angeboten wurde. Filme mit klingenden Titeln und ebenso offensiven Schauwerten wie Venusberg, Der letzte Ritt nach Santa Cruz oder die frühe Comic-Verfilmung Gefahr: Diabolik! von Mario Bava. In Letzterem ist sie der witzige Sidekick des Titelhelden. Heute wäre sie damit zum Serienstar im Marvel-Universum avanciert.

Letzter Auftritt in Houchang Allahyaris "I love Vienna"

Die Retrospektive liefert auch einen Blick in eine vergessene oder abschätzig betrachtete "Glanzzeit des schrillen, hemmungslosen italienischen Kinos der Nachkriegsjahrzehnte". Als diese Hochzeit der Filmindustrie diesseits des Atlantiks vorbeiging, geriet auch Mells Karriere ins Stocken. Sie kehrte zurück nach Österreich, versuchte, endlich als Schauspielerin ernst genommen zu werden – und hielt doch auch ihr Femme-fatale-Image am Leben. Das beschreibt die einfühlsame Doku Feuerblume – Die zwei Leben der Marisa Mell von Markus Mörth. Bei der Diagonale-Premiere sprach Max-Reinhardt-Seminar-Studienkollegin und Freundin Erika Pluhar über den Fluch des Älterwerdens als Frau, dem auch Mell nicht entkam. In der Rolle einer alternden Tänzerin hatte sie 1991 ihren letzten Auftritt in Houchang Allahyaris I love Vienna.

Mells Leben war auch eine bittersüße Geschichte von Potenzial und Möglichkeiten, die der Grazerin offenstanden oder verwehrt wurden. Ihre nun wieder gezeigten Filme jedoch sind real. (Marian Wilhelm, 29.3.2023)