MIT-Professor Mircea Dincă sucht mit seinem Team nach zukunftsfitten Materialien.
Foto: Bryce Vickmark

Schwämme auf Steroiden. So erklärt Mircea Dincă, Professor of Energy am Massachusetts Institute of Technology, die metallorganischen Gerüste (MOFs), an denen er und sein Team forschen und die einen Beitrag zur Lösung der globalen Klimakrise liefern sollen. Dabei handelt es sich um winzige Gitter, in denen Metallatome durch organische Moleküle verbunden sind. Letztere bestehen meist aus Atomen wie Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff.

Effiziente Speicherorte

Die Streben dieses Gerüsts sind nur einige Nanometer, also wenige Millionstel eines Millimeters, lang. Zwischen ihnen gibt es eine Unzahl an Hohlräumen, die durch andere Moleküle wie in einem Schwamm mit winzigen Löchern gefüllt werden können. Dadurch können sie Gase wie Wasserstoff effizienter als andere Materialien speichern oder neue chemische Reaktionen ermöglichen. Die Anzahl an Kombinationen verschiedener Metalle und organischer Moleküle scheint endlos.

Forschende auf der ganzen Welt wollen diesen Materialien neue Erkenntnisse entlocken. So auch Dincă und sein Team, die bei ihrer Suche etwas Besonderes fanden. Sie entwickelten neue MOFs, die elektrische Ladung sowohl speichern als auch leiten können. Das ermöglicht Anwendungen wie neuartige Akkus oder effizientere Kühltechnologien. "Wir arbeiten an diversen Ideen", erklärt Dincă. "Ziel ist es, Materialien zu entwickeln, mit denen sich in den Bereichen Energie und nachhaltiger Industrie die Herausforderungen unserer Zeit lösen lassen."

Metallfreie Batterien

Geforscht wird etwa an Akkus aus MOFs, die weniger problematische Metalle als Nickel oder Kobalt nutzen. Bereits 2017 baute das Team um Dincă zusammen mit Lamborghini ein Konzeptauto, in dem sie ihre neuen Hochleistungsbatterien testeten. Die neuesten Forschungsresultate sind nun besonders vielversprechend. "Wir haben ein Material gefunden, das mit Nickel-Kobalt-Batterien konkurrieren kann, jedoch gar keine problematischen Metalle enthält", berichtet Dincă.

Mircea Dincă ist nicht nur Wissenschafter, sondern auch Unternehmer.
Foto: Bryce Vickmark

Dass die neuartige Batterie auf Erdölprodukten beruht, mag überraschen. "Die Idee, die extrem wertvolle Ressource Erdöl in etwas Nützliches zu verwandeln, anstatt es zu verbrennen, motiviert mich enorm", klärt der Forscher auf.

Warten auf Veröffentlichung

So vielversprechend dieser Fund auch ist, müssen die Forschenden vorerst noch auf die Veröffentlichung ihrer Erkenntnisse in einem Fachmagazin warten, im Rahmen dessen diese von der wissenschaftlichen Fachwelt geprüft werden. Bis dahin ist der Fund als Vorabdruck-Version verfügbar, könnte aber dennoch bereits einige Diskussionen anstoßen.

Dincă ist nicht nur Wissenschafter, sondern auch als Unternehmer tätig. Mit seiner Firma Transaera setzt er seine Forschung in Form von effizienteren Klimaanlagen um. "Ob wir es mögen oder nicht, die Realität ist, dass wir auf einem sich erwärmenden Planeten leben", sagt der Forscher. "Gleichzeitig wollen die Leute ein bequemes Leben haben." Das sei an sich etwas Gutes. Wenn wir dafür jedoch konventionelle ineffiziente Klimaanlagen benutzen, werde das unserer Umwelt nur noch mehr schaden, warnt er.

Komplexe Ansätze

Die International Energy Agency schätzt in ihrem Report "The Future of Cooling", dass weltweit jetzt schon rund ein Fünftel der in Gebäuden verbrauchten Elektrizität für Kühlung benutzt wird. Der Trend zeigt weiter stark nach oben.

Neben der Entwicklung technischer Lösungen für globale Probleme wie der Klimakrise ist es Dincă und seinem Team zufolge auch wichtig, die gesellschaftlichen Auswirkungen von Forschung von Anfang an mitzuberücksichtigen. "Jeder Lösungsansatz, den wir entwickeln, ist enorm komplex und basiert nicht allein auf einer Technologie", erklärt er. "Man muss alle Interessengruppen mitbedenken und sicherstellen, dass Technologien auch angewendet und akzeptiert werden, anstatt dass sie neue Probleme schaffen."

Problematische Lösungen

Die möglichen Probleme bei falsch angegangenen Lösungen für die Klimakrise sind laut Dincă vielfältig: von Rebound-Effekten bei der CO2-Entnahme und problematischer Wiederaufforstung, die Arten bedroht, bis hin zu Schäden durch Ressourcengewinnung und den unrealistischen Heilsversprechen von Geoengineering. Dincă möchte darüber hinaus auch die Forschenden in die Pflicht nehmen, konkrete Lösungsansätze für die Klimakrise besser zu kommunizieren: "Ich denke, Wissenschafterinnen und Wissenschafter können und sollten mehr tun, um der Öffentlichkeit die Bedeutung von Lösungen für die Klimakrise klarzumachen."

Zuletzt war der in Rumänien aufgewachsene Professor auf der zweitägigen MIT Europe Conference 2023 in Wien zu Gast. Die von der Außenwirtschaft Österreich der WKO organisierte Veranstaltung fand vergangenen Mittwoch und Donnerstag statt. "Ich schätze solche Veranstaltungen, denn sie zwingen Forschende dazu, sich einem neuen Publikum verständlich zu machen. Dort lernt man auch die anwendungsspezfischen Probleme und Limitationen der echten Welt kennen", kommentiert Dincă den Wien-Besuch. (Thomas Zauner, 1.4.2023)