Die Spitzen der Ampel: Christian Lindner (FDP), Ricarda Lang (Grüne), Lars Klingbeil (SPD).

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Beinahe euphorisch hatte der sonst so nüchterne Olaf Scholz gewirkt, als er am Dienstag vor die Kameras trat. Die Sitzung des Koalitionsausschusses im Berliner Kanzleramt habe "sehr, sehr, sehr gute Ergebnisse" gebracht, sagte Deutschlands Bundeskanzler über den am Ende 30-stündigen Verhandlungsmarathon an, den seine Koalition aus SPD, Grüne und FDP hingelegt haben.

Knapp 30 Stunden hatten die Parteien beraten.
DER STANDARD

Nun stehen die Themenfelder fest, an denen die Berliner Ampel die gesetzlichen Schrauben nachzieht – oder eben lockert. Auf 16 Seiten haben die drei Parteien aufgeschrieben, wie sie den Fortschritt nach Deutschland bringen wollen. Bloß: Ob Scholz' Euphorie gerechtfertigt war, muss sich erst zeigen.

  • Klima
    Hier gibt die Koalition den Nöten von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) nach. Bisher musste sein Sektor – ebenso wie etwa der Energiebereich oder der Gebäudesektor – per Klimaschutzgesetz bestimmte CO2-Vorgaben erfüllen. Zwei Mal ist Wissing daran schon gescheitert. Künftig wird das – unter anfänglichem Protest der Grünen – aufgeweicht: Das Erreichen der Ziele wird nicht mehr jährlich evaluiert, die Ministerien können einander helfen und etwa den Verkehr entlasten, sollte es dort besonders knapp werden. Man wolle nach vorne schauen, formulierte es Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner: Ziel sei es, die einzelnen Sektoren so auf Kurs zu bringen, dass die CO2-Limits bis 2030 eingehalten werden. In dem Beschlusspapier ist zu lesen: "Die Einhaltung der Klimaschutzziele soll zukünftig anhand einer sektorenübergreifenden und mehrjährigen Gesamtrechnung überprüft werden." 2045 soll dann Deutschland als Ganzes klimaneutral sein.

  • Verkehr
    Beim Thema Infrastruktur will die Ampel nun auf Tempo setzen. Anders als von den Grünen vorgesehen, sollen künftig auch einzelne Autobahnen im Schnellverfahren durchgesetzt werden können, nicht mehr nur Bahnstrecken. Auch die Reparatur von Brücken soll auf diese Art schneller vonstattengehen. Um die zuletzt in finanzielle Schieflage geratene Deutsche Bahn zu stützen, die dem Papier zufolge für ihre Investitionen bis 2027 45 Milliarden Euro braucht, soll die Lkw-Maut um eine neue CO2-Komponente erweitert werden. Gilt die Maut bisher nur für Fahrzeuge über 7,5 Tonnen, müssen in Zukunft auch Lkws ab 3,5 Tonnen eine Gebühr berappen. Das sogenannte Deutschlandticket, mit dem Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer ab 1. Mai für 49 Euro deutschlandweit Busse und Bahnen im Nah- und Regionalverkehr nutzen können, soll ohne Aufpreis in die bisherigen Bahncard 100 integriert werden – Deutschland schafft sich also gewissermaßen sein eigenes Klimaticket. Den Warenverkehr auf der Schiene will die deutsche Regierung ebenso fördern wie E-Autos. Was die zuletzt vieldiskutierten E-Fuels betrifft, will man aber erst eine Strategie ausarbeiten.

  • Heizen
    Was das Thema Heizen betrifft, trägt die Regierung den Sorgen vieler Menschen nach der Leistbarkeit der geplanten klimafreundlicheren Geräte Rechnung. Das Gebäudeenergiegesetz solle auf sozialen Ausgleich hin reformiert werden, kündigte Grünen-Chefin Lang an. FDP-Chef Lindner zufolge solle zudem der Grundsatz der "Technologiefreiheit" gelten, was bedeutet, dass Gasheizungen künftig auch weiter mit grünem (aus erneuerbaren Energien gewonnenem) und blauem (CO2-neutral aus Erdgas gewonnenem) Wasserstoff oder Biomasse genutzt werden können. Für bestehende fossil betriebene Heizungen werde es keine Austauschpflicht geben.

  • Erneuerbare Energien und Naturschutzrecht
    Entlang von Bahnstrecken und Autobahnen sollen in Deutschland künftig verstärkt Solarenergieanlagen entstehen, auch Windkraft soll gefördert werden, für Letztere will die Ampel die Flächenausweisung vereinfachen. Wer hingegen Naturflächen versiegelt, muss nun bald nicht mehr wie bisher "Realkompensation" leisten, also keine neuen Naturflächen anderswo schaffen, sondern kann seine Schuld auch mit Geld begleichen. (Florian Niederndorfer, 29.3.2023)