Clara Ponsatí hielt immer wieder den Abgeordnetenausweis des Europaparlaments in die Höhe, um auf ihre Immunität zu bestehen. Es nutzte nichts. Die Beamten der katalanischen Autonomiepolizei verhafteten die ehemalige katalanische Bildungsministerin im Stadtzentrum Barcelonas und fuhren sie zum Gericht.

Dort wurden der 66-jährigen Politikerin die Anschuldigungen vorgelesen, die gegen sie vorliegen. Sie habe sich beim Unabhängigkeitsreferendum in der nordostspanischen Region am 1. Oktober 2017 des "Ungehorsams" gegenüber den Anordnungen aus Madrid schuldig gemacht. Die Schulen der autonomen Region dienten als Wahllokale für die von der Zentralregierung untersagte Volksabstimmung.

Clara Ponsatí zeigt ihren Abgeordnetenausweis.
Foto: AFP/Lago

In der Nacht wurde Ponsatí wieder auf freien Fuß gesetzt, mit der Auflage, am 24. April in Madrid vor dem Richter Pablo Llarena am Obersten Gerichtshof zu erscheinen. Ponsatí muss zwar – so die richterliche Anordnung – jederzeit erreichbar sein, unterliegt aber keinen Reisebeschränkungen.

Auslieferung abgelehnt

Ponsatí war am Dienstagnachmittag nach über fünf Jahren im belgischen und schottischen Exil überraschend nach Katalonien zurückgekehrt. Sowohl die belgische als auch die schottische Justiz hatten ihre Auslieferung nach Spanien abgelehnt. Seit Februar 2020 sitzt die Wirtschaftswissenschafterin, die an namhaften Hochschulen wie der US-amerikanischen Universitäten in Georgetown und Princeton sowie an der schottischen Universität in Saint Andrews unterrichtete, für die Unabhängigkeitspartei "Gemeinsam für Katalonien" (JxCat) im Europaparlament und genießt Immunität.

Clara Ponsatí beim Verlassen des Gefängnisses.
Foto: EPA/Albir

Ponsatí war mit dem Auto von Frankreich kommend eingereist, gab eine Pressekonferenz und spazierte dann mit ihrem Anwalt Gonzalo Boyé durch Barcelona. Wenig später kam die Festnahme. Ponsatí ging bei ihrer Einreise davon aus, dass sie nicht in Untersuchungshaft genommen werden würde. Denn auf "Ungehorsam" steht keine Haftstrafe, sondern nur ein zeitweises Verbot, öffentliche Ämter zu bekleiden.

Die Stirn bieten

"Ich bin nicht hier, um mich mit dem Staat zu einigen. Ich bin hier, um die Verletzung unserer Rechte anzuklagen, ich bin hier, um die Stirn zu bieten", erklärte die Unabhängigkeitspolitikerin auf der Pressekonferenz. Neben Ponsatí lebt auch der ehemalige katalanische Regierungschef Carles Puigdemont sowie der ehemalige Gesundheitsminister Toni Comín im Exil. Beide sitzen ebenfalls für JxCat im Parlament in Straßburg.

Puigdemont forderte von Brüssel aus die Präsidentin des Europaparlaments auf, "nicht wie üblich wegzusehen" und Ponsatí gegenüber der spanischen Justiz zu verteidigen. Er hoffe, dass Ponsatí an der Plenarsitzung am Mittwoch teilnehmen werde.

"Ungehorsam"

Sowohl Puigdemont als auch Comín haben keine Pläne für eine Rückkehr. Ihnen wird wegen der Finanzierung des Unabhängigkeitsreferendums auch schwere Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen. Und darauf stehen vier bis acht Jahre Haft. Der Straftatbestand des Aufstandes, für den neun Unabhängigkeitspolitiker und Unabhängigkeitsaktivisten zu bis zu 13 Jahren Haft verurteilt und später dann begnadigt wurden, besteht seit einer Strafrechtsreform Ende 2022 nicht mehr. Deshalb wird den drei nur noch "Ungehorsam" vorgeworfen.

Ob Ponsatí am 24. April vor Richter Llarena am Obersten Gerichtshof in Madrid erscheinen werde oder nicht, wolle sie in den nächsten Tagen entscheiden, erklärte ihr Anwalt gegenüber dem spanischen Fernsehen TVE. (Reiner Wandler aus Madrid, 29.3.2023)