
Ho bekam von den Wiener Behörden und vom Verwaltungsgericht recht. Der Verfassungsgerichtshof sieht das anders. Entschieden ist aber noch nichts.
Viel haben ein Drogeriemarkt und eine Disco nicht gemeinsam. Dem Wiener Szenegastronomen Martin Ho ist es dennoch gelungen, sein In-Lokal Hidden-Club in der Wiener Mariahilfer Straße mithilfe der Genehmigung einer ehemaligen DM-Filiale zu betreiben.
Während die Wiener Behörden und das Verwaltungsgericht das nach einer Beschwerde der Nachbarn als zulässig erachteten, kritisiert der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Sache in einem aktuellen Beschluss, über den der "Kurier" kürzlich berichtete und der auch dem STANDARD vorliegt.
Keine "erhebliche Änderung"
Die Drogeriemarktkette DM hatte im Jahr 2009 eine Filiale eröffnet und dafür eine Betriebsanlagengenehmigung bekommen. Da das Geschäft nicht nur Drogerieartikel, sondern auch kleine Speisen anbot, erfasste diese Genehmigung nicht nur den Drogeriemarkt selbst, sondern auch einen Gastrobereich.
Ho, der die Immobilie im Jahr 2021 übernahm, machte sich genau das zunutze. Schließlich sei sein Hidden Club inklusive "Candy-Shop" ebenfalls ein Gastronomiebetrieb. Daher sei kein neues, langes Genehmigungsverfahren notwendig, sondern nur ein kurzes. Die Behörden folgten dieser Argumentation. Ho durfte für den Club auf eine sogenannte Generalgenehmigung zurückgreifen.
Keine Mitsprache
Das Problem: Im diesem vereinfachten Verfahren hatten die betroffenen Nachbarn weniger Mitspracherechte und konnten ihre Bedenken gegen die neue Disco in der alten DM-Filiale nicht bei der Behörde vorbringen. Sie schlossen sich deshalb zusammen und zogen mit Anwältin Fiona List vor Gericht. Aufgrund der "nächtlichen Lärmentfaltung" und der "damit verbundenen Verkehrsströme" müsse die Bewilligung des Lokals genauer geprüft werden.
Das Wiener Verwaltungsgericht gab zunächst Ho recht. Beim Hidden Club handle es sich erneut um ein Geschäft inklusive Gastronomiebetrieb. Es liege deshalb keine "erhebliche Änderung" vor. Eine neue, intensive Prüfung der Genehmigung sei daher nicht erforderlich. Der Verfassungsgerichtshof sieht das in seiner aktuellen Entscheidung nun deutlich anders.
Gesetz wird geprüft
Das Höchstgericht erachtet die Beschwerde der Nachbarn als "vorläufig zulässig". In dem Beschluss leiten die Höchstrichterinnen und Höchstrichter nun von Amts wegen – also von sich aus – ein Gesetzprüfungsverfahren ein. Fraglich sei, ob die Bestimmung in der Gewerbeordnung, die das vereinfachte Verfahren ermöglicht hat, dem Gebot der Gleichbehandlung entspricht und somit verfassungskonform ist. Nachbarn dürfen ihre Mitspracherechte laut VfGH nämlich nicht in "unsachlicher" Weise verlieren.
Endgültig entschieden ist noch nichts, das Verfahren könnte noch mehrere Monate dauern. Wenn der VfGH ein Gesetz "von Amts wegen" prüft, ist die Wahrscheinlichkeit aber hoch, dass es zu einer Aufhebung kommt. Ist das der Fall, müsste Ho seinen Club neu bewilligen lassen. Die Nachbarinnen und Nachbaren hätten im Verfahren dann ein Mitspracherecht und könnten Lärmbelästigungen geltend machen. (japf, 29.3.2023)