Die deutsche Ampelkoalition verhandelt lang – das Ergebnis ist durchwachsen.

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Es wurde Morgen und es wurde Abend, es wurde wieder Morgen und wieder Abend. Und dann endlich waren SPD, Grüne und FDP in Deutschland mit ihrem Koalitionsausschuss fertig. Zwischendurch irgendwann hatte der Kanzler selbst die Erwartungen nahezu ins Unendliche geschraubt. Ein "großes Werkstück" kündigte Olaf Scholz an. Und "sehr, sehr gute Ergebnisse".

Da ging kurz ein Ruck durch das politische Berlin. Es klang, als würde die Ampel mindestens die Formel zur Rettung der Welt vorlegen. Als dann nach zweitägigen Verhandlungen das Ergebnis zum Klimaschutz und Infrastrukturausbau präsentiert wurde, konnte man eigentlich nur enttäuscht sein, nach dem Motto: Dafür haben die so lange gebraucht?!

Autobahnen mit Solaranlagen

Vorgelegt hat die Ampel einen klassischen Kompromiss, der sich wohl am schönsten bei den Plänen für neue Autobahnstücke zeigt. Die dürfen nun gebaut werden, weil es die FDP so wollte. Aber entlang der Strecke werden – auf Wunsch der Grünen – Solaranlagen stehen. Und die Kanzlerpartei SPD darf sich den sozialen Ausgleich beim Einbau neuer Heizungen auf die Fahnen heften.

Das ist kein Wumms, wie ihn Scholz (noch als Finanzminister) bei den Corona-Hilfen angekündigt hatte, und auch kein Doppelwumms, den er dann später (als Kanzler) bei den Energiehilfen bemühte.

Gegensätzliche Richtungen

Es ist ein Ergebnis dreier Parteien, von denen zwei, nämlich Grüne und FDP, oft in gegensätzliche Richtungen zerren. Und wo deren wichtigste Vertreter, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP), auch persönlich nicht mehr beste Freunde werden. Man kann das schrecklich finden, aber auch normal und pragmatisch. Mehr ging eben, angesichts der Realitäten in der Koalition, nicht.

"Damit gab die Koalition ein schwaches Bild ab: zerstritten, rau im Ton, nur schwer in der Lage, einen Kompromiss zu finden."

Nicht gutheißen hingegen braucht man das Prozedere. Die Themen lagen seit Monaten auf dem Tisch. Warum zur Lösung ein solches Schauspiel nötig war und sich dieses so lang hinzog, ist nicht nachvollziehbar. Damit gab die Koalition ein schwaches Bild ab: zerstritten, rau im Ton, nur schwer in der Lage, einen Kompromiss zu finden. Und der Kanzler ließ es wieder einmal laufen, ließ damit zu, dass alle gut beobachten können, wie schwer sich viele in seiner Regierung miteinander tun.

Hohe Ansprüche

Dabei ist die Ampel doch mit so hohen Ansprüchen gestartet. Eine "Fortschrittskoalition" hatte sie sein wollen, ein "Deutschland-Tempo" vorlegen wollen – so wie beim raschen Bau der ersten LNG-Terminals. Weniger quälend lange Nachtsitzungen als zuvor in der großen Koalition unter Angela Merkel hatte sie angekündigt. Das Gegenteil davon geschieht.

Doch Deutschland hat keine Alternative zur Ampel. Diese muss weitermachen bis zur nächsten Wahl. Man kann nur hoffen, dass sich Stil und Umgang bessern. Jetzt müssen die Vorhaben in Gesetzesentwürfe gegossen werden, es braucht einen Haushalt, und das muss in finanziell schwierigen Zeiten auch noch zusammenpassen. Man kann sich vorstellen, was passieren wird.

Aber vielleicht besinnt sich die Ampel ja doch und schraubt ihren eigenen Anspruch, die beste Koalition aller Zeiten sein zu wollen, noch herunter. Normales, solides Regierungshandwerk wäre schon Fortschritt genug. (Birgit Baumann, 29.3.2023)