Seit der Fluchtbewegung 2015 herrscht in den EU-Mitgliedsstaaten Uneinigkeit in der Migrationspolitik.

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Brüssel – Das EU-Parlament hat seine Verhandlungsposition für eine umfassende Reform der europäischen Asyl- und Migrationspolitik festgelegt. Der zuständige Ausschuss sprach sich am Dienstag unter anderem für schnellere Verfahren an den EU-Außengrenzen sowie für Solidarität unter den Mitgliedsstaaten in Krisenzeiten aus. Das Parlament ist nun bereit für die Verhandlungen mit den EU-Staaten.

Ziel ist, die Verhandlungen bis Ende des Jahres abzuschließen. Dann könnten die Gesetze noch vor der Europawahl im Frühjahr 2024 beschlossen werden. Die EU-Staaten haben allerdings in entscheidenden Fragen noch keine Position. Fraglich ist, ob sie sich wie vorgesehen bis Ende Juni einigen. In diesem Fall könnten sie in der zweiten Jahreshälfte mit dem Parlament verhandeln.

Medienberichten zufolge soll zukünftig bereits an den EU-Außengrenzen aufgrund des Herkunftslandes festgestellt werden, ob Asylsuchende Chance auf Anerkennung haben. Jene mit geringer Chance oder gefälschten Papieren sollen direkt an den Grenzen für zwölf Wochen in Anhaltehaft genommen werden. Währenddessen werde ihr Anspruch ermittelt. Im Falle einer Ablehnung würden Betroffene innerhalb von drei Monaten zurückgeführt. Ausnahmen soll es dabei für Familien mit Kindern unter zwölf Jahren geben.

Verteilungsfrage

Seit der großen Fluchtbewegung 2015/16 haben die EU-Staaten erbittert über die Migrationspolitik gestritten. Im Kern ging es darum, ob Schutzsuchende auf alle Mitgliedsstaaten verteilt werden sollen. Länder wie Polen und Ungarn lehnen eine verbindliche Quote vehement ab. Deshalb legte die EU-Kommission 2020 Reformvorschläge vor. Eine verpflichtende Verteilung ist nach der Parlamentsposition nur in absoluten Ausnahmefällen vorgesehen.

"Die heute verabschiedeten Verordnungen würden das bestehende Dublin-System ersetzen und für schnelle, rechtssichere Verfahren sowie klare Verantwortlichkeiten sorgen. Die EU-Staaten an den Außengrenzen dürfen nicht länger alleine gelassen werden, es braucht eine solidarische Verteilung", sagte die SPÖ-Europaabgeordnete Theresa Bielowski. "Klar ist, für uns steht das Recht auf Asyl nicht zur Debatte. Das umfasst ein Bekenntnis zu fairen rechtsstaatlichen Verfahren, zur Einhaltung der Grundrechte an den Außengrenzen sowie zur Seenotrettung."

Kritik von FPÖ

Die grüne Delegationsleiterin Monika Vana erklärte, es sei erschreckend, dass der Migrationspakt die "Festung Europa" nicht aufhalte. "Weder unterstützen wir die derzeitigen Tendenzen zu weit verbreiteter und längerer Inhaftierung an unseren Außengrenzen, noch die Ausnahmen von bestehenden Schutzmaßnahmen und Grundrechtsgarantien." Nötig wäre laut Vana ein faires System mit geteilter Verantwortung und Solidarität, basierend auf Menschenrechten.

Der FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky kritisierte, es sei ein Fehler, weiterhin an einer Verteilung von ankommenden Migranten festzuhalten. Dies sei praktisch nicht durchführbar und würde nur das Signal setzen, dass die EU bereit sei, alle Kapazitäten zu nutzen, um noch mehr Migranten aufzunehmen, so Vilimsky. "Solange die EU ihre Außengrenzen für jeden offen hält, der es bis dorthin schafft, kann sich nichts an der Massenzuwanderung unter Missbrauch des Asylrechts ändern. Aus dem Asylrecht für Verfolgte ist in der EU längst ein Einreiserecht für jedermann geworden." (APA, red, 29.3.2023)