Alleine bei Mark Zuckerbergs Meta mussten 11.000 Angestellte gehen.

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Meta, Microsoft, Google, Amazon und mehr. Die Techbranche ist im Umbruch, die Jahre des rasanten Wachstums – auch beim Personalstand – scheinen vorläufig vorbei zu sein. Alleine zwischen Seattle und dem Silicon Valley wurden in den letzten Monaten gut 150.000 Stellen abgebaut, so eine Schätzung.

Doch wie geht man als Firma oder CEO an eine Situation heran, in der man tausenden Angestellten ausrichtet, dass sie demnächst keinen Arbeitsplatz mehr haben werden? Immerhin geht es dabei ja nicht nur um Kostenstellen und die Geschäftsbilanz, sondern menschliche Schicksale. Die "Washington Post" hat die Kommunikation von 48 Kündigungsrunden analysiert.

Familiärer Ton und Mitgefühl

Egal ob Großkonzern oder kleines Start-up, was schnell auffällt, ist, dass viele Firmen versuchen, auch bei der Ankündigung eines Stellenabbaus einen familiären Ton beizubehalten. In 22 der 48 Schreiben wurde die Belegschaft nicht als "Mitarbeiter" angesprochen, sondern als "Googler", "Zoomies", "Krakenites" oder einer anderen, vom Firmennamen abgeleiteten Bezeichnung.

Einige Firmen riefen dabei auch die verbleibende Belegschaft dazu auf, sich sensibel gegenüber den scheidenden Kolleginnen und Kollegen zu verhalten. Man solle ihnen "Mitgefühl und Liebe" zeigen, urgierte etwa der B2B-Dienstleister Salesforce, als vor einigen Wochen die Einsparung von zehn Prozent aller Stellen verkündet wurde.

Eigene Fehler

Begründet werden die Kündigungen auch mit eigenen Fehlern. In der Hälfte aller Nachrichten gestanden die CEOs ein, aufgrund der massiv steigenden Nachfrage nach Online-Services und E-Commerce während der Pandemie zu schnell zu viele neue Mitarbeitende an Bord geholt zu haben. Allein bei Meta und Amazon wuchs der Personalstand von 2020 auf 2021 um rund 25 Prozent. Freilich ist das nur ein schwacher Trost für die Betroffenen.

Ebenso gaben einige zu, sich bei der Geschäftsentwicklung verschätzt zu haben. Bei Shopify hatte man damit gerechnet, dass der E-Commerce einen dauerhaften, großen Vorsprung zum Einzelhandel halten würde. "Es ist nun klar, dass diese Wette nicht aufgegangen ist", so CEO Tobi Lütke, als man sich im vergangenen Sommer von 1.000 Angestellten trennte.

Die Psychologin Katherine Ross sieht in solchen Eingeständnissen einen Versuch, Nachempfindbarkeit auf einer persönlichen Ebene herzustellen. Gerade die Zeit der Pandemie war teilweise chaotisch und von Unsicherheiten geprägt. Mit der Darstellung, dass auch CEOs nicht allwissend oder allmächtig sind, wirbt man um Verständnis für die gesetzten Schritte.

Beliebter Sündenbock: "Die Wirtschaft"

Beliebt waren aber auch Verweise auf die wirtschaftliche Situation. Gesprochen wurde etwa von einer "Rezession", die in den USA gar nicht eingetreten ist, einem "Abschwung", von "makroökomischem Gegenwind" und "wirtschaftlicher Ungewissheit". An diesem Ansatz gibt es allerdings Kritik von Laura Mazzullo, die eine Recruitingfirma in New York leitet. Es sei sehr einfach, mit derlei vagen Verweisen "die Wirtschaft" als Sündenbock zu benutzen.

In zwei Drittel der Schreiben war auch von der Notwendigkeit "höherer Effizienz" die Rede. Harvard-Wirtschaftsprofessoring Sandra Sucher hält das für riskant. Eine solche Formulierung könne leicht als Versuch aufgefasst werden, die scheidenden Mitarbeiter selbst für ihr Schicksal verantwortlich zu machen. Dabei sollte man die Leistung der Angestellten und die Performance der Firma nicht miteinander vermengen. Das Effizienzargument greift nur, wenn die Kündigungen im Rahmen einer Neustrukturierung des Unternehmens geschehen und nicht als reiner Stellenabbau.

Prinzip Hoffnung

So ziemlich alle Memos versuchen, am Ende wieder Optimismus zu versprühen. "Die Chancen, die vor uns liegen, sind immens", formulierte es etwa der Co-Geschäftsführer Jeff Clarke, als Dell unter Verweis auf einen "Marktabschwung" und "wirtschaftliche Unsicherheit" 6.500 Angestellte hinauswarf. "Ich war noch nie überzeugter von unserer Zukunft und unserem Team", so der Schlusssatz. "Schwere Zeiten wie diese stellen uns auf die Probe", lautete die Formulierung von Hubspot-CEO Yamini Rangan. "Aber ich weiß, dass wir gemeinsam den Wiederaufbau schaffen."

Ayelet Fishbach von der University of Chicago stuft dies einerseits als Versuch ein, Öffentlichkeit und Investoren zu beruhigen und gleichzeitig den verbleibenden Mitarbeitenden die Angst zu nehmen, vielleicht bald selbst gekündigt zu werden. Sandra Sucher hält das alleine aber für zu wenig. Die verbleibenden Angestellten möchten nicht nur nette Worte hören, sondern auch erfahren, wie das Unternehmen plant, wieder erfolgreich zu werden und welche Rolle sie dabei spielen. Denn solche Kündigungsrunden seien im Grunde eine Verletzung des gegenseitigen Vertrauensverhältnisses, das wiederhergestellt werden muss.

Mehr als die Hälfte der Firmenchefinnen und Firmenchefs entschuldigte sich in ihren Schreiben für den Stellenabbau. Laut Mazzullo weist das darauf hin, dass in den oberen Managementebenen mittlerweile weniger "Ego" gepflegt werde. Denn viele qualifizierte Leute seien nicht daran interessiert, für jemanden zu arbeiten, der keine Verantwortung übernehmen und sein Bedauern ausdrücken will. Wer sich öffentlich entschuldige, dem seien die übrigen Mitarbeiter eher geneigt, zu verzeihen.

Negativbeispiel

Zeigt man kein Mitgefühl, zieht man sich schnell den Ärger des eigenen Teams zu. Diese Erfahrung machte etwa Jennifer Tejada, CEO von Pagerduty. In einem 1.700 Wörter langen Memo kündigte sie im Jänner den Abbau von sieben Prozent aller Stellen an. Eine Entschuldigung war darin nicht zu finden, stattdessen verlautbarte sie auch Beförderungen, überschüttete den Vorstand mit Lob und schmeichelte sich selbst mit einem Zitat von Martin Luther King jr.

Das Schreiben wurde schnell öffentlich bekannt und sorgte nicht nur intern für Entrüstung. Es sei "die unsensibelste Kündigungsmail, die ich je gelesen habe", formulierte der Techbranchen-Kenner Gergely Orosz seine Kritik. Der Text wirke, als sei er mit generischen Phrasen von einer KI verfasst worden.

Dem Ärger begegnete Tejada drei Tage später mit einer weiteren Aussendung an ihre Mitarbeitenden. "Ich hätte ehrlicher über die Kündigungen schreiben sollen, hätte mir mehr Gedanken über meinen Tonfall machen und die Dinge konziser formulieren müssen", hieß es darin. "Es tut mir leid."

Sie schrieb weiters, dass ihre Art der Kommunikation von der aktuell wichtigsten Priorität abgelenkt habe. Und die sei es, sich um die scheidenden Mitarbeiter zu kümmern und "ihnen den Respekt und die Anerkennung zu zeigen, die sie verdienen." (gpi, 30.3.23)