Hanns Hörbiger war einer der wenigen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts daran glaubten, dass es auf dem Mond Wasser geben könnte. Und zwar sehr viel. Der erfolgreiche Ingenieur und Vater der Schauspieler Attila und Paul begründete 1912 die pseudowissenschaftliche Welteislehre, die unter anderem auf seiner "Eingebung" beruhte, dass die Mondoberfläche vollständig aus Wassereis bestehe.

Der Mond im Dezember 2022 gemeinsam mit der Nasa-Sonde Artemis 1.
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Vom "wissenschaftlichen Mainstream" – wie man heute in bestimmten Gruppen sagen würde – wurden die krausen Theorien völlig zu Recht als Humbug abgetan. Dennoch hatte der Österreicher nicht wenige Anhänger, später auch unter den Nazis. Und so war es nur konsequent, dass ein Mondkrater, der nach ihm benannt worden war, wieder umbenannt wurde.

Doch nicht ganz trocken

Im Laufe des 20. Jahrhunderts herrschte in der Wissenschaft lange die Überzeugung vor, dass die Mondoberfläche staubtrocken ist – und dass früher womöglich vorhandenes Wasser längst verschwunden sei. Doch seit gut 20 Jahren sieht die Sache wieder etwas anders aus, ohne dass Hörbiger selbstverständlich Recht bekommen würde.

In den 1990er-Jahren fand der Nasa-Orbiter Clementine Hinweise auf gefrorenes Wasser in tiefen, steilwandigen Kratern nahe der Mondpole. Und im Jahr 2009 entdeckte die indische Raumsonde Chandrayaan-1 etwas, das eine dünne Schicht Wasser zu sein schien, die in der Oberflächenschicht des Mondstaubs gebunden war. Diese Beobachtungen haben sich in den letzten Jahren erhärtet und zugleich präzisiert.

Das Wasser auf dem Mond ist in feinen Glaskügelchen auf der Mondoberfläche gespeichert.
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Chinesische Mondbodenproben

Die aktuellsten Erkenntnisse liefert ein chinesisches Forscherteam, das feine Glaskügelchen aus Mondbodenproben analysierte, die im Dezember 2020 von der chinesischen Mission Chang'e-5 zur Erde zurückgebracht worden waren. Die weniger als einen Millimeter großen Kügelchen entstehen, wenn Meteoroiden (das sind kleine Asteroiden) auf dem Mond einschlagen und Schauer geschmolzener Tröpfchen aufsteigen lassen. Diese verfestigen sich dann und vermischen sich mit dem Mondstaub.

Tests an den Glaspartikeln ergaben nun, dass sie zusammengenommen erhebliche Mengen Wasser enthalten, die sich auf der gesamten Mondoberfläche auf bis zu 270 Milliarden Tonnen belaufen könnten. Zum Vergleich: Der Bodensee enthält 48 Milliarden Tonnen Wasser.

Erleichterung für Menschen auf dem Mond

Insbesondere die Anhänger von Mondmissionen mit Menschenbeteiligung sind von den neuen Erkenntnissen, die im Fachblatt "Nature Geoscience" erschienen, begeistert: Im Gegensatz zu gefrorenem Wasser, das in ständig beschatteten Kratern lauert, dürfte dieses Wasser für Menschen oder Roboter, die auf dem Mond arbeiten, viel leichter zu gewinnen sein. Es gibt nämlich laut der neuen Studie Anzeichen dafür, dass dieses Wasser bei über 100 Grad Celsius aus den Glaskügelchen austritt.

Das Wasser scheint sich zu bilden, wenn hochenergetische Teilchen, die von der Sonne kommen (der sogenannte Sonnenwind), auf die geschmolzenen Tröpfchen treffen. Der Sonnenwind enthält Wasserstoffkerne, die sich mit dem Sauerstoff in den Tröpfchen zu Wasser oder Hydroxyl-Ionen verbinden. Das Wasser wird dann in den Perlen eingeschlossen, kann aber durch Erhitzen des Materials wieder freigesetzt werden.

Ein Achtelliter pro Kubikmeter

Weitere Tests mit dem Material zeigten, dass das Wasser im Lauf einiger Jahre in die Perlen hinein- und wieder herausdiffundiert, was auf einen aktiven Wasserkreislauf auf dem Mond hindeutet. Wie einfach und effizient sich Wasser aus den Glaskügelchen gewinnen lassen wird, ist freilich umstritten: Die dort gespeicherten Wasservorräte sind ziemlich gut verteilt. Die Wissenschafter gehen davon aus, dass diese Menge pro Kubikmeter Mondoberfläche höchstens einen Achtelliter beträgt. (Klaus Taschwer, 1.4.2023)