Wenn das Gehirn über die Stränge schlägt: Tamara Semzov und Natalina Muggli in "Absence".

Bettina Frenzel

Wer selbst schon einmal in der MRT-Röhre gelegen ist und dort dem hämmernden Minimal Techno des Magnetresonanzgerätes gelauscht hat, kann sich den Soundtrack von Absence gut vorstellen. Die tackernden Töne (Musik: Sandro Nicolussi) begleiten und ordnen Natalie Baudys Theaterstück über eine Gehirnerkrankung. Es ist dem Zustand jenes Kontrollverlustes auf der Spur, den eine Gehirnerkrankung auslösen kann. Die Uraufführung im Kosmos-Theater Wien machte diese unberechenbare Empfindung im Zusammenspiel von abstrakten und konkreten Bildern gut nachvollziehbar.

Da wird beispielsweise beim Wandern in der Frühlingslandschaft unter blauem Himmel das augenscheinliche Abbild der Realität wie auf einem psychedelischen Trip plötzlich in ein Loch hineingezogen. Keine Realität mehr. Oder einmal heißt es: "Ich bin in einem Zimmer, das kein Raum mehr ist." Die Inszenierung von Blanka Rádóczy führt das Publikum immer wieder an die Grenzen des Vorstellbaren. Videosequenzen veranschaulichen diese Gehirnvorgänge auf einer rückwärtigen Projektionsfläche, die ihrerseits in Streifen zerteilt und somit brüchig ist. Immerhin versehen hier 86 Milliarden Nervenzellen zeitgleich ihren Dienst.

Was macht der Körper da?

Absence ist aber kein Special-Interest-Stück für Neurologinnen, es erzählt ohne medizinische Fachtermini vom unfreiwilligen Konflikt mit sich selbst beziehungsweise dem eigenen Körper. Was macht er da? Bin das noch ich? Vor allem auch: Bin ich für die anderen noch ich?

Mehr als einem Stück gleicht dieser in Ich-Form abgefasste und auf zwei Sprecherinnen aufgeteilte Theaterabend auch einer Meditation über das Entgleiten einer vertrauten Welt, das Ausgeliefertsein sowie die nüchterne Handhabung dieser Zustände. (Margarete Affenzeller, 30.3.2023)