Die Zukunft der russischen RBI-Tochter wird die Hauptversammlung thematisch stark bestimmen.


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Für Stimmung und scharfe Fragen wird gesorgt sein am Donnerstag, wenn die Aktionärinnen und Aktionäre der Raiffeisen Bank International um zehn Uhr zu ihrer Hauptversammlung (HV) zusammenkommen. Ein interessanter Zeitpunkt: Ab 9.05 Uhr wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj per Video im Wiener Parlament zugeschaltet, um im Nationalrat eine Rede zu halten. Nur die FPÖ wird nicht dabei sein. Dass der ukrainische Präsident bei dieser Gelegenheit auch die RBI erwähnen wird, erscheint vielen politischen Beobachtern als wahrscheinlich.

Die – schon lang vor Selenskyjs Rede anberaumte – RBI-Aktionärsversammlung wird im Wiener Hotel Hilton und virtuell abgehalten und wohl sehr im Zeichen von Russlands Krieg gegen die Ukraine stehen. Die börsennotierte RBI, mehrheitlich im Eigentum der Raiffeisen Landesbanken, ist immer noch in Russland aktiv und verdankt ihrer Moskau-Tochter rund 60 Prozent ihres Gewinns. Im Vorjahr waren das rund zwei Milliarden von insgesamt 3,6 Milliarden Euro Gewinn.*

Anleger fordern Klarheit

Die Präsenz in Russland trägt der Bank jede Menge Kritik ein, im Westen wie in der Ukraine. Die EZB drängt auf den Rückzug aus Russland, die US-Sanktionsbehörde Ofac hat bereits Auskünfte zur Geschäftsbeziehung in Russland eingefordert. Die Ukraine hat RBI-Chef Johann Strobl und fast alle seiner Vorstandskollegen auf eine Prä-Sanktionsliste ("awaited sanctions"), den Chef und weitere Manager der Russland-Tochter auf ihre Sanktionsliste gesetzt, und zuletzt ist die RBI und ihr Vorstand auf der ukrainischen "Liste internationaler Kriegssponsoren" gelandet.

Die Wiener Banker selbst sagen seit Kriegsbeginn im Februar 2022 dasselbe: Man prüfe alle Optionen, auch einen Rückzug aus Russland.

Bei der Hauptversammlung wird das lange Schweigen für viel Kritik sorgen. Der Interessenverband für Anleger (IVA) findet, dass "die Stille des Managements" die Bank in ein "zunehmend reputationsschädliches Eck" stelle. Der RBI-Vorstand könne nun die Russland-Strategie klarmachen: entweder "Exit mit für die Aktionäre annehmbaren Konditionen oder Remain and explain", also die Entscheidung, in Russland zu bleiben und Erklärungen dafür zu liefern. Die Kleinanleger, die der IVA vertritt, werden also schon unruhig.

Strobl wird sich erklären

Dass RBI-Chef Strobl die Aktionäre mit seinem bisherigen Stehsatz, wonach das Institut eben alle Optionen prüfe und dies dauere, weil "eine Bank kein Würstelstand ist", abspeist, das erwarten Wohlinformierte nicht.

Es sei vielmehr davon auszugehen, dass Strobl die Strategie für Russland "so konkret wie möglich" beschreiben werde. Etliche, die den Raiffeisensektor sehr gut kennen, gehen davon aus, der RBI-Vorstandschef werde erklären, dass man einen Käufer suche, wie diese Suche verlaufe und mit welchen Schwierigkeiten sie verbunden sei. Und dass es extrem lang dauern würde, aus Russland rauszukommen. Einem etwaigen Verkauf müsste wie berichtet de facto der russische Präsident Wladimir Putin zustimmen, zudem gilt es, die Sanktionen einzuhalten.

Neues Geschäftsmodell

Sollte sich die RBI (Bilanzsumme: 207 Milliarden Euro) tatsächlich von ihrer Cashcow Russland (Bilanzsumme: 27 Milliarden Euro) trennen, wäre das ihre wichtigste und größte strategische Entscheidung seit langem. Das Institut mit seinen derzeit zwölf Banken in Zentral- und Osteuropa müsste ein neues Geschäftsmodell austüfteln, wenngleich alle Banktöchter Profite abwerfen. (Ohne Russland, Belarus und ohne Gewinn aus der bulgarischen Banktochter lag der RBI-Gewinn 2022 bei einer Milliarde Euro.)

Zudem braucht der Vorstand für seine Entscheidungen quasi den Sanctus der sektoreigenen Landesbanken, halten die doch 58,8 Prozent der Aktien. Die Landesbanken sollen sich inzwischen angeblich auch mit einem etwaigen Verkauf des Russland-Geschäfts anfreunden können, wird im Sektor kolportiert. (Renate Graber, 30.3.2023)