Ein Schulskikurs, sagen die Kundigen, hat nicht nur einen sportlichen, sondern auch einen sozialen Wert. Discoabende bleiben aber Geschmackssache.

Foto: imago/imagebroker

Sylvia ist Mittelschullehrerin und immer noch euphorisiert. Die Freude kommt daher, dass Sylvia vor einigen Wochen mit "ihrer" Klasse aus Wien auf Schulskikurs war. "Dadurch ist die Klassengemeinschaft so viel besser geworden", sagt sie. "Plötzlich halten alle super zusammen, kein Vergleich zur Situation davor." Sylvia hatte mit zwei Kolleginnen ungefähr dreißig 13-Jährige in ihrer Obhut. Drei Klassen sollten gemeinsam fahren: Eine meldete sich fast komplett an, aus der zweiten fuhr die Hälfte mit, die dritte sagte geschlossen ab.

Offiziell siebzig Prozent der Schülerinnen und Schüler müssen sich anmelden, damit eine Klasse auf Skikurs fährt. Das geht sich nicht immer aus. Freilich lässt sich die jeweilige Landesschulbehörde um Ausnahmegenehmigungen ersuchen, diese werden meistens ereilt. Deshalb konnten sich die eineinhalb Klassen aus Sylvias Schule in den Bus setzen. Am Montag ging’s los, am Freitag wieder retour, macht vier Übernachtungen und drei Skitage. Kostenpunkt 270 Euro geradeaus, die Unterkunft war aber auch eher einfach.

Förderung gegen Teuerung

Bei besseren Quartieren und einer Kursdauer von vier, fünf oder gar sechs Skitagen müssen Eltern mit 350 bis 500 Euro rechnen. Praktisch alles ist teurer geworden, die Fahrt, die Unterkunft, die Liftkarte. Auch deshalb gibt es Unterstützungen, die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich aussehen. In Oberösterreich, nur zum Beispiel, wurden Gratisskipässe angeboten, in der Steiermark teilweise die Anfahrtskosten übernommen. Der Bundessportorganisation Sport Austria ist die "Servicestelle Wintersportwochen" angegliedert, sie vergibt 300.000 Euro, damit auch Kinder, deren Eltern sich das sonst nicht leisten können, auf Schulskikurs fahren können. Elternvereine steuern in diesem Sinne ebenfalls oft etwas bei.

Das Gefühl, dass Wintersportwochen boomen und jedes zweite Kind aus dem Bekanntenkreis heuer auf Skikurs war, täuscht jedenfalls nicht. Gerhard Angerer, Fachinspektor für Bewegungserziehung und Sport in der Bildungsdirektion Niederösterreich, bestätigt: "Die Befürchtung, Corona würde den Wintersportwochen langfristig zusetzen, hat sich nicht bewahrheitet. Ganz im Gegenteil – die Jugendgästequartiere waren ab Mitte Dezember überall ausgezeichnet gebucht." Im letzten Winter vor Corona, 2018/19, nahmen 14,5 Prozent aller heimischen Schülerinnen und Schüler, exakt 158.471, an Wintersportwochen teil. In der aktuellen Saison sollte die Zahl ähnlich aussehen.

Der Skitourismus, darüber braucht man angesichts des Klimawandels nicht lange diskutieren, hängt an einem Faden, der dünner wird. Da und dort ist er schon seiden – oder gerissen. In tieferen Lagen vor allem in Ost- und Südösterreich setzen Touristiker längst auf Wandern und Radfahren, der Skisport ist ein Auslaufmodell. Wer für die Weihnachtsferien bucht, geht immer öfter das Risiko ein, dass er kaum zum Skifahren kommt. Auch zu Ostern gibt es vielerorts keine Schneegarantie mehr.

Flugreise oder Pflugfahrt

Das Gefühl, dass es schon in den ersten Monaten des Jahres immer mehr Menschen etwa nach Süditalien oder Ägypten zieht, kommt ja auch nicht von ungefähr. Aus dem Bekanntenkreis berichtete jemand von zwei Reisebüroangeboten für zwei Personen. Das erste sah so aus: sieben Tage Skiurlaub, Skipass, Nächtigung mit Frühstück, Selbstanreise: 3.758 Euro. Das zweite: neun Nächte Cluburlaub in Ägypten, Flug, all-inclusive: 2.506 Euro. "Ich werde wohl nie wieder Ski fahren", hielt Walter fest.

Doch bis sich das Thema Skiurlaub wegen des Klimawandels insgesamt erledigt hat, soll es, wenn es nach vielen Touristikern geht, noch möglichst lange dauern. Der Schulskikursboom gibt ihnen Hoffnung. Auf Sicht hängt die Zukunft der Skikurse, sagt Fachinspektor Angerer, vor allem von der Begeisterung der Lehrerinnen und Lehrer ab. Sie gelte es in der Aus- und in der Fortbildung "mit dem Wintersportvirus zu infizieren". Die Devise lautet quasi: Sei nicht wie Walter, sei wie Sylvia.

Das reine Vergnügen, sagt die Mittelschullehrerin Sylvia, ist ein Schulskikurs natürlich nicht. Die wenigsten Kinder können Ski fahren, man ist eine Woche lang im Pflug (Neudeutsch: Pizzaschnitte) unterwegs. Viel Schlaf finden Lehrerinnen in der Skikurswoche auch nicht. "Aber wenn ich mir die Klasse jetzt anschaue", sagt Sylvia, "dann hat es sich voll ausgezahlt."(Fritz Neumann, 30.3.2023)