Das sogenannte Bleeding Edge hat seinen Namen nicht umsonst. Wer sich auf ein völlig neues Produkt einlässt, muss mit Kinderkrankheiten rechnen. Das war mir durchaus bewusst, als ich im Jänner meine langsam in die Jahre kommende Nvidia GTX 1070 in die wohlverdiente Pension geschickt habe.

Nach langem Überlegen habe ich mich dennoch für die Intel Arc A770 als Nachfolger entschieden. Einerseits, weil sie preislich attraktiv ist. Andererseits, weil sie performancetechnisch meinen Bedarf deckt und in der Hardware auch noch Potenzial für mehr steckt. Oder, wie ich es kurz nach dem Kauf formuliert habe: Die Neugier hat über die Vernunft gesiegt.

Dazu dachte ich mir auch, dass Intel zwar neu im Geschäft mit dedizierten Consumer-Grafikkarten ist, aber dennoch ein seit Jahrzehnten etablierter Chiphersteller ist, der auch schon lange integrierte Grafiklösungen baut. Und mehr Konkurrenz kann dem von Nvidia und AMD dominierten und in den letzten Jahren von Mondpreisen geprägtem Geschäft nicht schaden.

Die Intel Arc A770 ist ohne Zweifel ein schönes Stück Hardware ...
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Fortschritt per Treiberupdates

Nach mehr als zwei Monaten mit der Arc als "Daily Driver" ist das Fazit gemischt. In ihren besten Momenten begeistert mich die Karte mit ihrer Performance in modernen Games. In "Hogwarts Legacy" etwa kann sie, zumindest bei 1440p-Auflösung, einer wesentlich teureren RTX 3070 die Stirn bieten.

Und auch sonst erfüllt sie meine Leistungs-Erwartungen. Intel hat zudem per Treiberupdates so manches Manko ausgeräumt. Frames und Frametimes wurden durch die Bank, vor allem aber bei zu Beginn oft grottig laufenden Spielen, die für DirectX 9 bis 11 umgesetzt wurden, verbessert. Die Steuersoftware Arc Control hat zwar noch ein paar Bugs, läuft aber prinzipiell stabil und endlich in einem Fenster statt Overlay. Was noch fehlt, ist eine Option für die manuelle Einstellung der Lüfterkurve. Die kann man zwar durch das Umschreiben einer Einstellungsdatei freischalten, jedoch wird die manuelle Lüfterkurve in neueren Treiberversionen nicht mehr angewandt. Für mich ein verschmerzbares Manko bei einer offiziell noch gar nicht verfügbaren Funktion.

DirectX-Vergesslichkeit

Zwei Dinge plagen mich aber nach wie vor. Die Karte produziert gelegentlich, in der Regel aber in Verbindung mit Videobearbeitung- oder Wiedergabe kurze Blackscreens und wird in unregelmäßigen Abständen auch nicht mehr als DirectX-fähige GPU erkannt. Die in Windows integrierte DirectX-Diagnose erkennt sie weiterhin als funktionstüchtige Grafikkarte, allerdings meldet sie dann kein DirectX-Featurelevel mehr, mit dem Programmen mitgeteilt wird, welche Versionen und Features dieser Grafikschnittstelle sie unterstützt.

Die Konsequenz daraus ist, dass auf DirectX angewiesene Spieler – und das sind beinahe alle – ihren Start mit einer entsprechenden Fehlermeldung abbrechen. In seltenen Fällen hilft eine Neuinstallation des Grafiktreibers über den Gerätemanager, nicht aber eine reine Reinitialisierung. Meistens ist dann aber ein Neustart vonnöten.

... doch viele, die sie ihr Eigen nennen, müssen sich noch mit größeren und kleineren Ärgernissen herumschlagen.
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Betatester in Aktion

Ein Mitte Februar in den Supportforen von Intel erstellter Thread sorgte für Arbeit. Diagnosetool-Reports wurden angefordert, detto ein (zufällig am gleichen Tag veröffentlichtes) BIOS-Update für das Mainboard, ebenso eine saubere Neuinstallation des Treibers. Wenngleich der Treiber ursprünglich bereits sauber installiert wurde, inklusive vorheriger Entfernung der Nvidia-Treiber – mithilfe der Software Display Driver Uninstaller im abgesicherten Modus – folgte ich den Anweisungen und lieferte zusätzliche Informationen mit meinen Beobachtungen, um eine Ergründung des Problems zu erleichtern.

Einzig eine komplette Neuinstallation meines Betriebssystems schlug ich zeit- und aufwandsbedingt aus. Das wäre dann selbst für einen motivierten, aber unbezahlten Betatester etwas viel verlangt.

Die Symptome ließen aus meiner Sicht ohnehin nur zwei Schlüsse zu: Entweder hat der Treiber ein Problem oder die Hardware meiner Grafikkarte. Dass auch einige andere Nutzer die gleichen Phänomene gemeldet hatten, stimmt mich hoffnungsfroh, dass diese per Treiberupdate gelöst werden können. Andere von Arc-Besitzern vorgeschlagene Workarounds, wie die Deaktivierung der Schnellstart-Einstellung von Windows oder der Verwendung eines besseren Displayport-Kabels, brachten subjektiv etwas Linderung, aber keine Behebung. Ob diese Maßnahmen objektiv einen Effekt hatten, lässt sich ob der Natur des Problems für mich nicht sagen.

Lösung in Arbeit

Aber zumindest ist man bei Intel jetzt ganz "offiziell" an dem Problem dran. Mehr als einen Monat nach Eröffnung des Threads sowie der Einreichung eines klassischen Tickets erreichte mich eine E-Mail des Supports.

"Wir haben das Problem an das Debug-Team eskaliert. Aufgrund mehrerer Berichte über das Problem hoffen wir darauf, dass das Anliegen priorisiert und näher angesehen wird, aber ich kann keine Versprechen machen", so die Nachricht. Wenn es dazu "neue Informationen gibt", soll ich aber in Kenntnis gesetzt werden. Im jüngsten Treiberupdate war jedenfalls noch keine Lösung integriert, aber zumindest bin ich zuversichtlich, dass sich die Ursache aufspüren und beheben lässt.

Fazit

Ich habe nicht darüber Buch geführt, würde aber vermuten, dass ich seit der Anschaffung der Arc A770 sicher schon einige Stunden mit Problemlösungsversuchen und Informationsbeschaffung für Intels Support beschäftigt war. Das sinnbildliche Blut am Bleeding Edge also.

Meine Neugier und Erwartungen sind (vielleicht naiverweise) ungebrochen. Einem technisch weniger versierten Konsumenten, der sich einfach nur eine funktionierende Grafikkarte wünscht, für die er hie und da neue Treiber installiert, würde ich diese Erfahrung aber nicht zumuten wollen. Der inoffizielle Betatest wird aber irgendwann zu Ende gehen und dann dürfen sich Nvidia und AMD warm anziehen. Glaubt man den jüngsten Gerüchten, dann wird die Nachfolgegeneration "Battlemage" wohl auch das Rennen im Highend-Segment spannend machen. (Georg Pichler, 30.3.2023)