Chris Avellone bei der Vorstellung von "Dying Light 2" auf der E3 2019. Infolge der öffentlichen Anschuldigungen wurde er von der Mitarbeit an dem Game entbunden.

Foto: E3 Expo

Zwei Jahre nachdem mehrere Frauen schwere Anschuldigungen gegen ihn erhoben haben, haben sich die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen den bekannten Games-Writer Chris Avellone in Luft aufgelöst. Berichtet wurde von zwei Frauen, die einst mit ihm gearbeitet hatten, über neun Jahre zurückliegende anzügliche Facebook-Konversationen bis hin zu unerwünschter körperliche Annäherung.

Avellone hatte sich zunächst entschuldigt, gröberes Fehlverhalten aber dementiert. Ein Jahr später ging er in die Offensive. Nachdem er zunächst angenommen habe, Karissa Barrows und Kelly Bristol hätten aus "fehlgeleiteter Selbstgerechtigkeit" gehandelt, vermutete er in einem Blogeintrag schließlich ein simpleres Motiv. Er warf seinen Beschuldigerinnen vor, sich für eine Trennung von einer ihrer besten Freundinnen rächen zu wollen, mit der sich aber nie eine romantische Beziehung entwickelt habe.

Ob seine Annahme zutrifft, bleibt zwar offen, jedoch haben Barrows und Bristol ihre Anschuldigungen gegen den Storyschreiber vor wenigen Tagen samt und sonders fallengelassen. Im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung wurde Avellone außerdem eine Entschädigung in siebenstelliger Höhe zugesprochen, die auch seine Anwaltskosten inkludiert.

"Wir denken, dass er eine volle Rückkehr verdient"

Die beiden Frauen und er veröffentlichten dazu eine gemeinsame Stellungnahme. "Herr Avellone hat keine von uns beiden je sexuell missbraucht. Wir wüssten auch nicht, dass er jemals eine andere Frau sexuell missbraucht hätte. Uns ist auch nicht bekannt, dass er jemals Firmengelder zweckentfremdet hätte", so die Botschaft.

"Alles, was wir zuvor gegenteilig über Herrn Avellone gesagt oder geschrieben haben, war nicht unsere Absicht. Wir wollten Frauen in der Branche unterstützen. Dabei wurden unsere Worte fehlinterpretiert und spezifische Vorwürfe von Fehlverhalten zu insinuieren, die weder von uns formuliert wurden noch intendiert waren. Wir stehen leidenschaftlich für die Sicherheit und Eigenständigkeit von Frauen, Minderheiten, LGBTQIA+-Personen und jede andere Community ein, die in der Branche Unterdrückung ausgesetzt war."

Und abschließend: "Wir denken, dass Herr Avellone unseren Wunsch, diese Communitys zu schützen und zu stärken, teilt. Wir denken, dass er eine volle Rückkehr in die Branche verdient, und werden ihn dabei unterstützen."

Avellone ruft zur Mäßigung auf

Dazu ergänzt Avellone: "Ich begrüße, dass Frau Barrows und Frau Bristol mit uns daran arbeiten wollen, Probleme in der Games-Community anzugehen. Ihre Fürsprache verdient Lob und Unterstützung. Es gibt noch viele echte Herausforderungen, denen wir begegnen, aber ich bin zuversichtlich, dass wir sie gemeinsam überwinden können."

Schließlich ruft er auch zur Mäßigung auf. "Im Geiste dieser Ziele bitte ich jeden, die Privatsphäre von Frau Barrows und Frau Bristol zu respektieren und die Ereignisse als Chance zu sehen, allen Stimmen Gehör zu geben und unsere Kultur und Communitys zu verbessern."

Viel Kritik an Barrows und Bristol

Der Knalleffekt rief bereits einen Schwall an Reaktionen hervor. Während manche nach wie vor von Avellones Schuld überzeugt sind, gibt es viel Kritik an den beiden Frauen.

Zahlreiche Nutzer auf Twitter und anderen sozialen Medien sind der Ansicht, dass ihr Vorgehen allen Frauen schade, die in einer nach wie vor von Sexismus geplagten Branche zum Opfer von Übergriffen werden. Falsche Anschuldigungen, so der O-Ton, würden es erschweren, den Berichten von Betroffenen Glauben zu schenken, wenn diese öffentliche Unterstützung bräuchten.

Berufliche Konsequenzen

Für Avellone hatte die Causa bereits kurz nach Aufkommen der Anschuldigungen 2020 berufliche Konsequenzen. So trennte sich etwa das Studio Techland von ihm, wo er damals an "Dying Light 2" mitgewirkt hatte, und Ubisoft sprach eine Beurlaubung aus. Andere Studios, für die er kurz zuvor noch gearbeitet hatte, gingen auf Distanz.

Avellones Storywriting ist in zahlreichen bekannten Spielen zu finden. Seine Karriere begann er einst bei den Black Isle Studios, wo er unter anderem an den Rollenspielklassikern "Fallout 2", und "Planescape Torment" mitarbeitete. Zudem wirkte er auch an "Baldur’s Gate" mit, das von Bioware unter dem Dach des gleichen Publishers, Interplay, umgesetzt wurde.

2002 gründete er mit weiteren Ex-Black-Isle-Mitarbeitern Obsidian Entertainment. Weitere bekannte Titel, für die er im Laufe seiner Karriere Erzählungen und Charaktere beisteuerte, sind "Star Wars: Knights of the Old Republic", "Fallout: New Vegas" und "Divinity: Original Sin 2". (gpi, 30.3.23)