"Sprich zu mir!" Wenn es Tomatenpflanzen gut geht, sind sie eher schweigsam, haben israelische Forschende festgestellt.

Foto: Chris Winters

Dass Pflanzen gute Zuhörer sind, ist allgemein bekannt. Mittlerweile glaubt man auch zu wissen, warum unsere grünen Mitbewohner unter regelmäßiger Ansprache bisweilen besser gedeihen (abgesehen davon, dass man dann Trockenheit schneller erkennt): Das beim Monolog vor der Zimmerpflanze ausgeatmete CO2 fördert offenbar das Wachstum. Die Schallwellen wiederum verursachen mechanische Reize, die sich ebenfalls positiv auswirken können.

Letzteres dürfte auch der Grund sein, warum beispielsweise Wein angeblich bei klassischer Musik von Mozart bis Vivaldi bessere Erträge bringt. Genauere Untersuchungen zeigten, dass es der Pflanze letztlich egal ist, mit welcher Musik man sie beschallt, Hauptsache, es wird nicht zu laut.

Töne bei schlechten Bedingungen

Da wäre es nur folgerichtig, wenn sich Pflanzen auch selbst akustisch bemerkbar machen – und das tun sie tatsächlich, wenn sie gestresst sind. Wie ein israelisches Team nun berichtet, sind dieses Töne – eine Art Ploppgeräusch im Ultraschallbereich – auch noch relativ laut. Der Gruppe ist es gelungen, die "Unmutsäußerungen" von Tomaten- und Tabakpflanzen aufzuzeichnen, die sie zuvor mechanischem oder Trockenheitsstress ausgesetzt hatten. Mehr noch: Sie konnte den verschiedenen Varianten der für das unbewaffnete Ohr unhörbaren Ultraschalltöne unterschiedliche Bedeutungen entlocken.

Audio: Und so klingt das "Klagelied" einer hörbar gemachten Tomatenpflanze.

Seit Jahren belauschen die Forschenden um Lilach Hadany von der Universität Tel Aviv Pflanzen beim Gestresstsein, nun haben sie ihre gesammelten Erkenntnisse im Fachjournal "Cell" veröffentlicht. Mit Stress bezeichnet man im Grunde jede Form von Übel, mit dem es eine Pflanze zu tun bekommen kann. Dazu zählen Trockenheit, Überwässerung oder Versalzung des Bodens ebenso wie Hitze oder Kälte. Und da eher selten alles passt, dürfte es auf einer durchschnittlichen Blumenwiese auf anderen Frequenzen viel Gezwitscher geben.

Pflanzenkommunikation per Schall

"Selbst in einem ruhigen Feld existieren Geräusche, die wir nicht hören, und diese Geräusche enthalten Informationen", sagt Hadany. "Es gibt Tiere, die diese Töne wahrnehmen können, also besteht die Möglichkeit, dass eine Menge akustischer Interaktion stattfindet." Der Nachweis von Ultraschalltönen bei Pflanzen ist zwar nicht neu, sehr wohl aber die Beobachtung, dass diese Töne über die Luft in die nähere Umgebung getragen werden. Dieser Umstand, so die Forscherin, verbessert die Möglichkeiten der Pflanzen zur Interaktion mit anderen Organismen.

Die neuen Erkenntnisse seien eigentlich keine Überraschung. "Pflanzen interagieren ständig mit Insekten und anderen Tieren, und viele dieser Organismen nutzen Schall zur Kommunikation. Es wäre für Pflanzen eher suboptimal, nicht auch via Schall zu kommunizieren", sagt Hadany.

Unversehrte, durstige und verletzte Tomatenpflanzen vor den Mikrofonen.
Foto: Tel Aviv University/Ohad Lewin-Epstein

Durst und Stängelverlust

Bei ihren Untersuchungen richteten die Forschenden ihre Mikrofone auf gesunde und gestresste Tomaten- und Tabakpflanzen. Die Aufzeichnungen fanden zunächst in einer schallgedämmten Akustikkammer und später auch in einer lauteren Gewächshausumgebung statt. Um die Versuchspflanzen in Stress zu versetzen, blieben einige Exemplare mehrere Tage ungewässert, anderen wurden Stängel abschnitten. Nach den Aufnahmen trainierte die Gruppe einen Machine-Learning-Algorithmus darauf, Unterschiede in den Geräuschen von nicht gestressten, durstigen und verletzten Pflanzen zu finden.

Allem voran zeigte sich dabei, dass Pflanzen unter Druck generell mehr Geräusche verursachen als ungestresste. Egal ob Stängelverlust oder Durst, die gestresste Tomatenpflanze stieß in scheinbar zufälligen Abständen etwa 30 bis 50 Klick- oder Ploppgeräusche mit Frequenzen von 40 bis 80 Kilohertz aus (zum Vergleich: Die höchste Frequenz, die ein erwachsener Mensch wahrnimmt, liegt bei etwa 16 Kilohertz). Pflanzen, denen es an nichts fehlte, waren dagegen weit weniger mitteilsam und klickten seltener als einmal pro Stunde. "Wenn Tomaten überhaupt nicht gestresst sind, sind sie sehr leise", sagt Hadany.

Je trockener, desto geräuschvoller

Bei Pflanzen mit Wassermangel fand das Team auch einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Trockenheit und der Häufigkeit der Töne: Die Geräusche begannen meist, noch ehe der Pflanze der Wassermangel anzusehen war, und steigerten sich in der Häufigkeit mit fortschreitender Austrocknung. Etwa nach fünf Tagen ohne Wasser erreichte die Tonhäufigkeit ihren Höhepunkt, danach nahm sie wieder ab. Der trainierte Algorithmus half der Evolutionsbiologin und ihrer Gruppe, Unterschiede in den Pflanzentönen zu identifizieren.

So war man schließlich dazu in der Lage, die jeweiligen Geräusche dem Austrocknungsstress oder dem Abschneiden von Stängeln zuzuordnen. Auch die Spezies, also ob die Töne von Tomaten- oder Tabakpflanzen stammten, ließ sich aus den aufgezeichneten Geräuschen heraushören. Obwohl sich die Studie auf standardisierte Tomaten- und Tabakpflanzen konzentrierte, nahmen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter auch Tonproben von zahlreichen anderen Pflanzenarten. "Dabei haben wir festgestellt, dass zum Beispiel auch Mais-, Weizen-, Weinpflanzen und Kakteen Geräusche abgeben, wenn sie gestresst sind", sagt Hadany.

Video: Das Team um die Evolutionsbiologin Lilach Hadany nahm nicht nur bei Tomaten- und Tabakpflanzen Leidensgeräusche wahr.
TAUVOD

Klicks mit ökologischer Bedeutung?

Der Mechanismus, der hinter der Geräuschentwicklung steckt, ist im Detail noch unerforscht. Aber die israelischen Fachleute vermuten, dass es etwas mit der Bildung und dem Zerplatzen von Luftbläschen im Gefäßsystem der Pflanzen zu tun hat, einem Prozess, der in der Physik als Kavitation bezeichnet wird. Ob die Pflanzen in irgendeiner Weise von der Lauterzeugung profitieren, ist ebenfalls unklar. Aber alleine die Tatsache, dass diese Geräusche existieren, könnte von ökologischer und evolutionärer Bedeutung sein, glauben die Forschenden.

"Es ist möglich, dass sich andere Organismen so entwickelt haben, dass sie diese Töne hören und darauf reagieren", sagt Hadany. "Ein Schmetterling, der seine Eier auf einer Pflanze ablegen will, könnte bei seiner Entscheidung von den Geräuschen beeinflusst werden."

Nachrichten für die Nachbarschaft

Vielleicht zieht aber auch die pflanzliche Nachbarschaft Nutzen aus dem Ultraschallalarm. Aus früheren Studien schließt man, dass Pflanzen auf Vibrationen reagieren können: So erhöhen sie beispielsweise die Zuckerkonzentration in ihrem Nektar, wenn sie das Summen von Bestäubern wahrnehmen. "Wenn andere Pflanzen frühe Informationen über drohenden Stress haben, gibt das noch nicht betroffenen Pflanzen die Möglichkeit, sich darauf vorzubereiten", sagt Hadany. Ob es solche Kommunikationsketten tatsächlich gibt, will das Team als Nächstes genauer untersuchen. (Thomas Bergmayr, 30.3.2023)