Für die einen ist der Wolf die Ökopolizei des Waldes, für die anderen ein Problem. Dazwischen liegt viel Diskussionsspielraum.

APA/dpa/Armin Weigel

Linz – Ein ausgedehnter Spaziergang im Schatten der üppigen Wälder, hinauf auf den Tafelberg oder doch eine Rast an den Ufern des idyllischen Rosenhofer Teichs. Mutter Natur hat die kleine Mühlviertler Gemeinde Sandl reich beschenkt. Doch nun ist Schluss mit lustig im Ökoparadies.

Im Gemeindekindergarten ist man nämlich in der Märchenbuchabteilung von der beinharten Realität eingeholt worden. Noch wurden zwar weder die Großmutti noch eine Kindergartenpädagogin gefressen, die Angst vor dem Wolf ist dennoch groß. Die Rückkehr des Beutegreifers und speziell dessen Vorliebe für das Mühl- und Waldviertel sorgen seit geraumer Zeit für großes Unbehagen in der Bevölkerung. Allein im März wurden im Mühlviertel vom Wolfsmanagement Oberösterreich neun Wolfssichtungen und acht gerissene Wildtiere dokumentiert. 30 bis 40 Tiere sollen in der Region und im nahen Waldviertel durch das Gehölz streifen.

Frage der Verantwortung

Für Sylvia Käfer, Leiterin des Gemeindekindergartens, Grund genug, die beliebten Wanderungen mit den Kindern durch die nahen Wälder vorübergehend zu streichen. Nein, sie sei kein "ängstlicher" Mensch, aber: "Ich wohne im niederösterreichischen Langschlag, und wir haben dort bestätigt vier Wolfsrudel. Es gab mehrfach Risse, ständige Sichtungen, und ich habe bereits ein paar Meter von meinem Haus entfernt Wolfsspuren gefunden."

Da sei dann in ihr die Frage gereift, wer eigentlich hafte, wenn etwa beim Beschreiten des beliebten "Feuerwehr-Erlebnisweges" Meister Isegrim für Alarmstimmung sorge. Die Antwort auf eine dringliche Anfrage bei der zuständigen Bildungsdirektion machte dann Folgendes klar: "Bei der Aufsichtsführung gilt, was immer im Schadenersatzrecht gilt: Haften kann nur, wer eine Verletzung verschuldet hat. Kinder im Kindergarten sind grundsätzlich zu einer altersentsprechenden Selbstständigkeit zu erziehen. Die Gerichte erkennen diese Tatsache an. Sollte jedoch von einem Gericht befunden werden, dass Sie eine Verletzung verschuldet haben, weil Sie fahrlässig gehandelt haben, haften sie auch."

Heißt im Klartext: Egal ob ein Kind über einen Fliegenpilz stolpert, einen Tannenzapfen auf den Kopf bekommt oder vom Wolf gefressen wird – theoretisch könnte die begleitende Pädagogin zur juristischen Verantwortung gezogen werden.

Bürgerinitiative Wolfstopp

Womit das Aus für die Waldwandertage besiegelt war. Stimmen, die darin eine übertriebene Reaktion, ja gar Panikmache sehen, hört die Elementarpädagogin – die auch im Vorstand der Bürgerinitiative Wolfstopp sitzt – zwar, doch sie wolle nicht die Augen zumachen: "Ich glaube ja nicht, dass da plötzlich der Wolf vor uns steht und die Kleinen beißt. Aber ich habe trotzdem die Verantwortung für 20 Kinder. Braucht ja nur einer die Panik kriegen, weil er ein Knacksen gehört hat. Der rennt davon, weil er glaubt, der Wolf ist da, und fliegt einen Abhang hinunter. Im schlimmsten Fall hafte ich dann."

Sie wolle sich nicht darauf ver lassen, dass "vielleicht irgendein Jäger sagt: ‚Da kann nix passieren.‘" Käfer: "Ich muss ja selbst meinen Kopf hinhalten. Sollte was passieren, kann ich meinen Beruf an den Nagel hängen und auswandern." Der nächste Gruppenausgang finde daher "im Siedlungsgebiet" statt.

Oberösterreichs Wolfsbeauftragter Gottfried Diwold sieht hingegen "überhaupt keine Notwendigkeit" zu einer erhöhten Vorsicht oder gar dafür, auf Ausflüge in die Wälder zu verzichten. Diwold: "Beide Seite, sowohl Gegner als auch Befürworter, müssen in der Diskussion überspitzt und pointiert agieren, um gehört zu werden." Die Mühlviertler Wölfe würden jedenfalls überhaupt kein bedenkliches Verhalten an den Tag legen: "Wenn sie auf einen Menschen stoßen, ziehen sie den Schwanz ein und weichen." (Markus Rohrhofer, 30.3.2023)