Schritt für Schritt erklärt Helena Stahl, wie sie ihren eigens kreierten Cranberry Gin Smash zubereitet. Sie spricht selbstbewusst, weil aber beim Einschenken des Cocktails ihre Hände zittern, merkt man ihr die Nervosität schon an. Sie verschüttet nichts, von den Juroren bekommt sie eine gute Bewertung. Die 17-Jährige besucht die Tourismusschule Villa Blanka in Innsbruck und ist eine von 48 Schülerinnen und Schülern, die an einem internationalen Tourismuswettbewerb in Sölden teilnehmen.

"Sölden sucht das Gastro-Supertalent" heißt die Veranstaltung, die diese Woche erstmals über die Bühne ging. Sogenannte Supertalente werden üblicherweise in Fernsehshows gesucht, wo Menschen eher singen oder tanzen. Im Ötztal hofft man jedoch, mit diesem neuen Format junge Menschen wieder verstärkt für Gastronomie und Tourismus begeistern zu können. Aus acht Schulen aus Österreich, Südtirol, Deutschland, Luxemburg und der Schweiz sind Schülerinnen und Schüler angereist, um sich untereinander zu messen.

Helena Stahl bereitet ihre eigene Version eines Cranberry Gin Smash zu.
Foto: Kirchgasser Photgraphy

Unterschiedliche Aufgaben

Auf dem Gipfel des Gaislachkogels auf über 3.000 Meter im Lokal Ice Q traten die Teilnehmer in drei Kategorien gegeneinander an: Küche, Service und Marketing. In der Küche musste innerhalb einer Stunde ein Streetfood-Gericht mit teilweise vorgegebenen Zutaten entstehen, im Service ein Cocktail und eine kreative Tischdeko. Die Marketingfraktion drehte ein Social-Media-Imagevideo für Sölden.

"Die Arbeitszeiten in der Gastro sind meistens nicht so attraktiv, aber der Beruf hat viele gute Seiten. Im Service macht die Interaktion mit unterschiedlichsten Leuten aus der ganzen Welt irrsinnig Spaß, und momentan kann man sich aussuchen, wo man hingeht", sagt Helena. Nach der Matura kommendes Jahr wolle sie gleich ins Ausland gehen. Das sieht auch die 19-jährige Wienerin Lea Chalusch so: "Es ist der perfekte Zeitpunkt, um Köchin zu werden. Noch nie war der Beruf so gefragt." Im Ötztal sehen das die jungen Leute nicht ganz so. Laut dem Tourismusverband schließen jährlich vier bis fünf Leute eine Koch/Kellner-Lehre ab, maximal zwei davon bleiben dann tatsächlich im Tal.

Einblick in die Welt der Jüngeren

Der Beruf unterliegt einem Wandel, Arbeitgeber müssen reagieren. Deswegen erhofft sich Mitorganisatorin Angelika Falkner, Chefin vom Hotel Central in Sölden, einen Einblick in die Köpfe der jungen Menschen: "Wir haben ein massives Problem, Arbeitskräfte zu bekommen. Mit dieser Veranstaltung hoffen wir von den Jungen zu erfahren, wie sie sich einen Arbeitsplatz im Tourismus vorstellen." Das Argument der schlechten Bezahlung will sie nicht mehr hören. "Ein Abwäscher bekommt monatlich 1.700 Euro netto, ein Kellner 1.900 Euro. Für Kost und Logis müssen sie nichts bezahlen." Sie sei sich aber dessen bewusst, dass Teildienste nicht für jedermann attraktiv seien.

Dazu kommt ein demografisches Problem. Das Ötztal verzeichnet vier Millionen Nächtigungen pro Jahr und hat dementsprechend viele Stellen geschaffen. Die Nachfrage von 1.600 Betrieben ist mit heimischer Bevölkerung schwer – und mittlerweile kaum mehr – zu decken. Arbeitskräfte stammen größtenteils aus Osteuropa.

In der Küche muss es schnell gehen, hudln darf man trotzdem nicht.
Foto: Kirchgasser Photography

Was sie wollen

Den Arbeitsplatz und die Region wieder attraktiver zu machen, lautet das Ziel für die Marketing-Challenge, dabei haben die Schüler auch ihre eigenen Vorstellungen über die Zukunft einfließen lassen. Für die Plattform Tiktok haben sie ein Video gedreht, das demnächst auch über den offiziellen Kanal von Ötztal Tourismus ausgespielt wird. Was will die nächste Generation? "Durchaus überraschend war, dass die meisten eine Ganzjahresstelle möchten und weniger Interesse am Saisonkonzept haben", sagt Marketingjurorin Victoria Rausch. "Sie wünschen sich auch mehr Flexibilität, innerhalb des Betriebs oder des Orts die Stelle zu wechseln, und wollen als Mitarbeiter genauso gut behandelt werden wie die Gäste."

Schweizer Sieg

Im Ice Q wuselt es regelrecht. Hier werden Tische dekoriert, da Cocktails gemixt, aus der Küche hört man das hektische Treiben. Und überall stehen Juroren, um den Schülerinnen und Schülern über die Schulter zu schauen. Die Jury ist prominent besetzt, etwa mit dem Tiroler Starkoch Hans Neuner, der in Portugal das Zwei-Sterne-Lokal Ocean betreibt.

Gewonnen hat den Wettbewerb die Hotelfachschule aus Luzern, vor allem mit ihrer "japanisch-schweizerischen Fusionsküche" haben sie die Preisrichter überzeugt. Man sieht die Freude und Erleichterung, als das Schweizer Team sein Gericht präsentiert. Als Hauptpreis werden die drei Zweierteams auf eine Woche Sommerurlaub in Sölden eingeladen. Die Plätze zwei und drei gingen an die Südtiroler Schulen aus Brixen und Meran.

Japan-Alpen-Crossover aus Luzern. Die vorgegebenen regionalen Zutaten waren Saibling, Sölsch (Bier) und Grant'n. Letzteres ist außerhalb des Ötztals unter dem Begriff Preiselbeeren bekannt.
Foto: Kirchgasser Photography

Mehr solche Initiativen wünscht sich Mike Pansi, er ist Präsident vom Verband der Köche Österreichs und sieht hierzulande einiges an Aufholbedarf. "Österreich hat es lange verpasst, in die Jugend zu investieren, das müssen wir nachholen. Im Tourismus steckt so viel Wertschöpfung, dementsprechend sollten wir dafür sorgen, dass es auch heimische Arbeitskräfte gibt." In Sölden jedenfalls spricht man bereits von einer Neuauflage im kommenden Jahr. (Andreas Danzer, 1.4.2023)