Evan Gershkovich wurde wegen Spionagevorwürfen in Russland verhaftet.

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Der Vorwurf ist gravierend: Spionage. Evan Gershkovich, offiziell in Russland akkreditierter Korrespondent für eine der führenden US-Zeitungen, drohen bei einer Verurteilung bis zu 20 Jahre Haft.

Festgenommen wurde der junge Journalist vom russischen Geheimdienst FSB in Jekaterinburg. Er habe "auf Anweisung von amerikanischer Seite Informationen gesammelt, die ein Staatsgeheimnis über die Aktivitäten eines der Unternehmen des russischen militärisch-industriellen Komplexes darstellen".

Was ihm genau vorgeworfen wird und für wen er spioniert haben soll, präzisierte der FSB nicht. Inzwischen ist Gershkovich in Untersuchungshaft.

Prestigereiche Laufbahn

Der 31-Jährige lebt seit rund sechs Jahren in Russland und arbeitet seit 14 Monaten für das Wall Street Journal. Davor berichtete er für die Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP) und die Moscow Times. Begonnen hatte er seine Laufbahn als Redaktionsassistent bei der New York Times in New York.

In Jekaterinburg recherchierte Gershkovich über die Rekrutierungsbemühungen der Söldnergruppe Wagner, die in der Ukraine an vorderster Front kämpft und intensiv um Freiwillige wirbt. Ihn interessierte dabei besonders die Einstellung der Bevölkerung dazu.

Das Wall Street Journal bestreitet "kategorisch" die Vorwürfe gegen seinen Reporter und fordert dessen sofortige Freilassung. Reporter ohne Grenzen zeigte sich "beunruhigt": Journalisten dürften nicht "zur Zielscheibe" werden.

"Auf frischer Tat ertappt"

US-Amerikaner werden in Wladimir Putins Russland immer wieder der Spionage verdächtigt. Doch dieser Fall ist einzigartig: Wohl zum ersten Mal wird ein Journalist inhaftiert, der als Korrespondent beim russischen Außenministerium akkreditiert ist und im Land recherchieren darf.

Aus Sicht des Kreml aber ist Gershkovich ein gewöhnlicher Krimineller. "Das Einzige, was ich sagen kann: Soweit wir wissen, wurde er auf frischer Tat ertappt", sagt Sprecher Dmitri Peskow. Laut Außenamtssprecherin Maria Sacharowa sei das ein allgemeines Muster: Westliche Korrespondenten würden unter dem Deckmantel des Journalismus gegen Russland spionieren.

Wenn Gershkovich wie erwartet verurteilt wird, kann er auf einen Gefangenendeal hoffen – so wie die US-Basketballspielerin Brittney Griner, die im Dezember 2022 im Austausch mit einem russischen Waffenhändler freikam. Aber bis dahin saß Griner fast zehn Monate in russischer Haft. (Jo Angerer, 30.3.2023)