Die Angeklagten sollen Bewohnern stark sedierende Medikamente verabreicht haben, obwohl es dafür keinen medizinischen Anlass gab.

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St. Pölten – Mit drei Schuldsprüchen und einem Freispruch hat am Donnerstagabend ein Prozess gegen frühere Mitarbeiter eines Pflegeheims in Sitzenberg-Reidling (Bezirk Tulln) geendet. Die 46-jährige Erstangeklagte erhielt 30 Monate, davon 20 Monate bedingt. Der 36-Jährige wurde zu 24 Monaten, davon 16 auf Bewährung, verurteilt. Die 33-Jährige erhielt 21 Monate, davon 14 bedingt. Die 39-Jährige wurde freigesprochen. Die Urteile des Landesgerichts St. Pölten sind nicht rechtskräftig.

Drei Angeklagte wurden schuldig gesprochen, Bewohnern ohne medizinische Indikation eigenmächtig stark sedierende Medikamente verabreicht zu haben. Sie wurden wegen fortgesetzter Gewaltausübung durch Freiheitsentziehung verurteilt. Die Erstangeklagte wurde auch wegen Quälens und Vernachlässigens wehrloser Personen schuldig gesprochen.

Zum Vorwurf des sexuellen Missbrauchs sowie zu einem Teil der angelasteten Taten erfolgten Freisprüche im Zweifel. Die Privatbeteiligten wurden mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Die Anklage bezog sich auf den Tatzeitraum März 2020 bis März 2021. Die Beschuldigten hatten die Vorwürfe bestritten.

Große Anzahl an Angriffen

Die vorsitzende Richterin bezeichnete es als "massiv verwerflich", dass die Angeklagten von der Causa Pflegeheim Kirchstetten wussten, aber trotzdem ähnliche Taten setzten. "Es geht hier um hilfsbedürftige Menschen, die Sie ruhiggestellt haben. Das kann es nicht sein", betonte sie. Um eine "abschreckende Wirkung" zu erzielen, sei ein Teil der Haftstrafen unbedingt zu verhängen gewesen. Als erschwerend wurde bei einem Strafrahmen von bis zu zehn Jahren die große Anzahl an Angriffen und Opfern gewertet, als mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel.

Die Angeklagten hatten sich laut der vorsitzenden Richterin "in herablassender und menschenunwürdiger Weise" über Bewohner via Whatsapp ausgetauscht. Wäre es um "Frustabbau" gegangen, hätten sich die Beschuldigten "anders ausgedrückt", meinte sie. In den Chats wurden konkret Namen von Bewohnern und Medikamenten sowie Dosierungen genannt. Zudem wurden Nachrichten zwischen der 33-Jährigen und ihrem Partner als belastend gewertet, die Staatsanwältin sprach von einem "schriftlichen Geständnis". Zahlreiche Zeuginnen berichteten von "sehr müden" Bewohnern. Der Zustand vieler der demenzkranken Opfer hatte sich den Aussagen zufolge gebessert, nachdem das Dienstverhältnis mit den vier Beschuldigten nach Bekanntwerden der Vorwürfe im März 2021 beendet wurde.

Pandemiebedingt keine Besuche

Die Angeklagten hatten laut Staatsanwaltschaft leichtes Spiel, weil es pandemiebedingt monatelang keine oder kaum Besuche von Ärzten oder Angehörigen gab. Die Erstangeklagte wurde unter anderem auch schuldig gesprochen, einen Bewohner kalt abgeduscht und geschlagen zu haben, ihm Parfum in den offenen Mund gesprüht und schließlich für mehrere Sekunden einen Kopfpolster gegen sein Gesicht gedrückt zu haben.

Außerdem soll sie einer Frau den Kopf überstreckt, die Nase zugehalten und Wasser in den Mund geschüttet haben. Die Bewohnerin soll mit dem Kopf gegen das Bett geschlagen sein. Eine Senecura-Sprecherin betonte in einer schriftlichen Stellungnahme am Donnerstag, dass man sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe Konsequenzen gezogen habe. Die Beschuldigten sind nicht mehr für das Unternehmen tätig. (APA, 30.3.2023)