Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen und Verhandlerin des Medienpakets.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Wien – Am Donnerstag brachte die schwarz-grüne Regierung ein Medienpaket auf den Weg, das eine Novelle des Medientransparenzgesetzes, eine neue Qualitätsjournalismusförderung und das Gesetz zur "Wiener Zeitung" umfasst. Das Medienpaket trägt auch die Handschrift von Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen. Die Details finden Sie hier. Die Eckpunkte, kurz zusammengefasst:

  • Die Journalismusförderung ist mit 20 Millionen Euro pro Jahr dotiert und ersetzt die bisherige Presseförderung. Erstmals werden auch reine Onlinemedien gefördert. Sie müssen Kriterien wie die Einhaltung journalistischer Grundsätze erfüllen, überwiegend redaktionelle Inhalte liefern, über zwei (Magazine, Straßenzeitungen) bzw. drei (Online) feste redaktionellen Stellen (Vollzeitäquivalente) verfügen sowie 150.000 Unique User im Monat haben. Das Gesetz soll am 1. Juli in Kraft treten.

  • Die "Wiener Zeitung", älteste noch existierende Tageszeitung der Welt, soll ihr Erscheinen als gedruckte Tageszeitung einstellen. Sie wird als "innovative" und "investigative" Onlineplattform positioniert, die zehnmal im Jahr auch in Printform auf den Markt kommt. Das Redaktionsbudget wird auf 7,5 Millionen Euro gekürzt. Das Gesetz soll am 1. Juli in Kraft treten.

  • Künftig müssen alle Einschaltungen und Medienkooperationen der öffentlichen Hand unabhängig von der Erscheinungsfrequenz eines Mediums und ab dem ersten Euro an die Medienbehörde RTR gemeldet werden. Bisher waren nicht-periodische Medien ausgenommen und galt eine Bagatellgrenze von 5.000 Euro. Für Kampagnen ab 150.000 Euro muss ein Transparenzbericht, für Kampagnen ab einer Million Euro zusätzlich eine Wirkungsanalyse durchgeführt werden. Das Gesetz soll am 1. Jänner 2024 in Kraft treten.


STANDARD: Als das Medium "Exxpress.at" vor einigen Wochen eine antisemitische Karikatur veröffentlichte, war die Kritik groß, und Sie haben gemeint: "Wer zu Hass aufstachelt, darf keine Förderung erhalten." Hat "Exxpress.at" künftig trotzdem die Chance, Journalismusförderung zu erhalten?

Blimlinger: Grundsätzlich können nun alle Onlinemedien ansuchen. Sie müssen sich aber an bestimmte journalistische Grundsätze halten. Das Medium darf etwa nicht rassistisch sein oder gegen Minderheiten hetzen, hier haben wir die Ausschlussgründe verschärft. Natürlich geht es um Kriterien wie Quellennachweise, Recherchequalität und dass keine Fake News verbreitet werden. Wo kommen meine Informationen als Medium her? Wenn man den "Exxpress" anschaut, sieht man sehr deutlich, dass viele Meldungen – insbesondere im Bereich Ukraine und Russland – aus russischen Medien stammen. Und da muss sich die KommAustria die Frage stellen, fällt das unter die Quellen, die mit journalistischer Sorgfalt einhergehen?

STANDARD: Und Ihrer Meinung nach ist das nicht der Fall?

Blimlinger: Das ist meiner Meinung nach nicht der Fall. Sie wissen, dass wir etwa Russia Today eigentlich nicht empfangen können, weil es gesperrt ist. Wenn man sieht, dass sogar der Gesetzgeber dafür sorgt, dass es keine Empfangsmöglichkeit gibt, und das als Basis für eine Berichterstattung genommen wird, wird das für die KommAustria schwierig, das zu akzeptieren. Das Gleiche gilt für den von Ihnen zitierten Fall der antisemitischen Karikatur.

STANDARD: Diese im Gesetz definierten journalistischen Kriterien: Ist das eine Lex "Exxpress", und war es Ihnen ein großes Anliegen, das zu verankern?

Blimlinger: Das ist keine Anlassgesetzgebung. Mir war das Gesetz aber insgesamt ein sehr großes Anliegen. Onlinemedien zu normieren in einem Gesetz ist nicht so einfach. Ab wann ist man ein Onlinemedium? Wir hatten die Diskussion, ob das auch Podcasts oder Blogs sind. Bei der dauernden und schnellen Entwicklung neuer Formate ist die Definition schwierig. Sieht man es traditionell, wäre es ein E-Paper, aber das ist nicht ausreichend. Es gibt Podcasts, Videokanäle oder Medienunternehmen, die vorwiegend aus Werbung bestehen. Um all das auszuschließen, ist es zentral, dass es solche Kriterien wie einen Prozentsatz an redaktionellen Inhalten gibt, eine bestimmte Zahl an Usern, eine journalistische Sorgfalt. Um Fake News, die in einem höheren Maß über Online als über Printmedien kommen, Einhalt zu gebieten. Das ist das Zentrale an einer Qualitätsjournalismusförderung.

STANDARD: Im Rahmen des Begutachtungsverfahrens wurden die 30 Millionen Zeichen gestrichen, die Onlinemedien mindestens hätten publizieren müssen, um eine Förderung zu bekommen. Das hätte viele ausgeschlossen.

Blimlinger: Das war uns sehr wichtig. Wenn die Usergrenze noch weiter heruntergesetzt würde, hätten wir auch nichts dagegen gehabt. Dafür war aber klar, dass ein gewisser Prozentsatz, nämlich 65 Prozent, journalistischer Inhalt sein muss. Wie das oft mit neuen Gesetzen ist, müssen wir schauen, wie das dann in der Praxis funktioniert. Wer ansuchen kann und ob es in ein, zwei Jahren nach einer Evaluierung einen Novellierungsbedarf gibt, weil der Gesetzgeber dies oder jenes übersehen hat. Wir haben uns jedenfalls bemüht, den Onlinemedien einen Rahmen zu geben, indem man Qualitätsjournalismus sichert und Fake News vermeidet.

STANDARD: Die 65 Prozent redaktionelle Inhalte inkludieren auch APA-Meldungen, die selektiert und eingeordnet werden?

Blimlinger: Wenn APA-Meldungen bearbeitet und als Grundlage genommen werden, ist das redaktionell. Wenn ich nur Copy und Paste mache, ist das nicht redaktionell.

STANDARD: Künftig sollen auch Straßenzeitungen oder kleinere Magazine wie "Datum" eine Förderung bekommen, weil die redaktionelle Kopfzahl von drei auf zwei gesenkt wurde. Geht sich das zum Beispiel beim "Augustin" aus?

Blimlinger: Ich hoffe, dass sie es schaffen. Meiner Information nach geht es sich beim "Augustin" aus. Es gibt aber noch andere Straßenzeitungen, wo es schwierig wird, aber vielleicht findet sich eine Lösung, dass sich die zusammentun. Wir haben uns das sehr lange überlegt mit den Straßenzeitungen. Du kannst aber nicht sagen, wenn du ein neues Förderregime hast, dass Straßenzeitungen ausgenommen sind und sie einfach eine Förderung erhalten.

STANDARD: In den letzten Monaten haben sich zahlreiche Initiativen formiert, die für den Erhalt der "Wiener Zeitung" als gedruckte Tageszeitung gekämpft haben. Jetzt ist das endgültig vom Tisch. Warum?

Blimlinger: Es hat leider kein Konzept gegeben, das den Erhalt der "Wiener Zeitung" als gedruckte Tageszeitung ermöglicht hätte.

STANDARD: Es wurde auch kein ernsthafter Versuch eines Verkaufs und Weiterbetriebs unternommen, lautet die Kritik. Die Republik als Eigentümerin des Mediums ist nicht aktiv auf Investorensuche gegangen. Warum?

Blimlinger: Das stimmt nicht, das ist falsch. Es gab keine ernstzunehmenden Interessentinnen und Interessenten.

STANDARD: Am Mittwoch gab es den Vorstoß aus der Redaktion der "Wiener Zeitung", dass sie einen kleinen Teil vom ORF-Beitrag erhalten könnte, um den Fortbestand mit einem Redaktionsbudget von zwölf Millionen Euro zu sichern. Keine gute Idee?

Blimlinger: Wir sichern jetzt einmal die Finanzierung des ORF. Es gibt unseres Wissens keine öffentlich-rechtliche Printzeitung. Wenn die Republik die "Wiener Zeitung" weiter mit 18 Millionen Euro finanzieren würde, wären Zeitungen wie der STANDARD vermutlich nicht froh darüber. Und alle anderen Tageszeitungen wären auch nicht happy, wenn es eine gäbe, die voll ausfinanziert wird durch die Republik.

STANDARD: Wie soll sich die "Wiener Zeitung" journalistisch positionieren?

Blimlinger: In einem neuen, investigativen Onlinemagazin, das möglichst viele Userinnen und User abholt. Die Anzahl der Leserinnen und Leser sowie die Relevanz sollen um ein Vielfaches erhöht werden. In Österreich gibt es sehr wenige reine Onlinemedien. Sie ähneln vom Aufbau und der Struktur den Zeitungen mit ihren Ressorts und Büchern.

STANDARD: Sie werden als "Totengräberin" der "Wiener Zeitung" bezeichnet. Perlt diese Kritik an Ihnen ab, oder tangiert Sie das? Die Kritik kommt auch ja sehr stark von Grün-affinen Wählerschichten?

Blimlinger: Die Personen, die für die "Wiener Zeitung" kämpfen, habe eine hohe Medienpräsenz – ob Elfriede Jelinek oder Robert Menasse. Wenn Sie mit Menschen unter 35 oder 40 Jahren reden, die lesen die "Wiener Zeitung" nicht in Print. Sie hat eine verkaufte Auflage von 8.000 Stück, wobei 6.000 davon Abos sind, sehr viele davon wegen dem Amtsblatt. Es perlt aber überhaupt nicht an mir ab, sondern ich setze mich damit auseinander, und es stimuliert mich zur Diskussion. Ich habe in den letzten vier Monaten hunderte E-Mails zur "Wiener Zeitung" beantwortet, in der Concordia darüber diskutiert, auf Podien. Ich versuche zu erklären, warum wir das machen. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Das ist halt so im politischen Diskurs.

STANDARD: Und die Diskussion scheuen Sie nicht. Im Gegensatz zur Medienministerin Susanne Raab, die sich keinen Debatten stellt.

Blimlinger: Genau. Deswegen bekomme ich immer wieder die Schimpfe, dass ich nicht so viel erklären soll, weil das an den Grünen hängen bleibt. Und das stimmt natürlich auch. Aber ich diskutiere und erkläre leider wahnsinnig gerne, warum und wieso man etwas macht. Da kommt mein Lehrerinnen-Gen durch.

STANDARD: Diskutieren ist ja eine positive Eigenschaft.

Blimlinger: Politisch ist es nicht klug, das ist schon klar. Da wäre es gescheiter, den Mund zu halten. Das fällt mir persönlich halt sehr schwer, wenn ich den Eindruck habe, man kann zur Aufklärung beitragen. Es muss halt auch gehört werden.

STANDARD: Sie hätten sich bei der Medientransparenz einen Deckel bei den Inseraten öffentlicher Stellen gewünscht, was mit der ÖVP aber nicht möglich war. Bedauern Sie das sehr?

Blimlinger: Ich denke, wie haben einen guten, tragfähigen Kompromiss gefunden, der eine größere Transparenz und eine Schließung von Gesetzeslücken hineinbringt. Ab dem ersten Cent muss deklariert und es muss erklärt werden, warum man etwas macht. Wichtig war, dass die Beilagen einbezogen werden, da ist in der Vergangenheit viel zweifelhaftes Inseratengeld hineingeflossen. Wären wir ganz unzufrieden gewesen, hätten wir nicht zugestimmt.

STANDARD: Erwarten Sie sich, dass die Inseratenausgaben von rund 200 Millionen Euro pro Jahr durch die öffentliche Hand zurückgehen werden?

Blimlinger: Man muss sehen, wofür das Geld eingesetzt wird. Bei den 200 Millionen Euro muss man genau schauen, wie sich das auf Bund und Länder aufteilt. Die Stadt Wien gibt genauso viel aus wie der gesamte Bund. Wenn das gekoppelt ist an bestimmte Instrumente, wird man sehen, wie das läuft. In der Politik versucht man, etwas neu und besser zu regeln, dann sieht man, in welche Richtungen es sich auswirkt. Das ist der Versuch, es transparenter zu machen, dass letztlich weniger und effizienter geworben wird.

STANDARD: Eine verpflichtende Analyse soll den Nutzen der Kampagnen dokumentieren.

Blimlinger: Es gibt immer den Vorwurf, dass diese Kampagnen unnötig sind und nichts bringen. Wenn sie so unnötig sind, wäre nicht im Koalitionsprogramm der ÖVP und der FPÖ in Niederösterreich verankert, dass nicht mehr für Impfungen geworben werden darf. Also, was jetzt? Entweder es ist unnötig, wie die FPÖ ja auch behauptet, oder nicht. Denn wenn es eh egal ist, brauche ich es nicht ins Regierungsprogramm schreiben, dass es nicht mehr erlaubt ist. Das ist ein Widerspruch.

STANDARD: Und diese Wirkungsanalyse soll "Scheinkampagnen", wie Sie sagen, einen Riegel vorschieben?

Blimlinger: Ja, diesen rausgeschossenen Sinnloskampagnen, die es von den Ländern und dem Bund durchaus gibt. Wichtig ist, was es bringt. Das hätte man etwa bereits bei der Impfkampagne gut zeigen können. Das sieht man beispielsweise bei der Kampagne zum Heizkesseltausch oder Photovoltaik. Natürlich wirken die. (Oliver Mark, 31.3.2023)